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20 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27 EStG 1988)

BMFBMF-010200/0024-IV/6/20197.5.2018

20.1 Allgemeines

20.1.1 Wesen der Kapitaleinkünfte

20.1.1.1 Rechtslage bis zum Budgetbegleitgesetz 2011

Rz 6101
Bis zum Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011) wurden unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nur die Früchte aus der entgeltlichen Überlassung von Kapital und die damit zusammenhängenden Aufwendungen erfasst. Werterhöhungen, Wertminderungen und der gänzliche Verlust des Kapitalstammes waren dementsprechend im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich unerheblich und allenfalls im Rahmen der sonstigen Einkünfte (§ 30 und § 31 EStG 1988) steuerrelevant.

20.1.1.2 Neuordnung durch das BBG 2011

Rz 6102
Die Besteuerung von Kapitalvermögen wurde mit dem BBG 2011 neu geordnet, systematisiert und ausgedehnt:

  • § 27 EStG 1988 umfasst neben den Früchten aus der Überlassung von Kapital auch Wertänderungen des Kapitalstammes ("Substanzgewinne" bzw. "Substanzverluste") sowie Einkünfte aus Derivaten. Wertänderungen des Kapitalstammes sind unabhängig von der Behaltedauer und der Beteiligungshöhe stets steuerpflichtig.
  • Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen - unabhängig von der Erhebungsart - grundsätzlich einem besonderen Steuersatz von 25% bzw. seit Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 einem besonderen Steuersatz von 25% oder 27,5% (siehe dazu Abschnitt 20.1.1.4 bzw. Abschnitt 20.3)
  • Auch Substanzgewinne sowie Einkünfte aus Derivaten unterliegen der Kapitalertragsteuer (siehe dazu Abschnitt 29.2.2). Dazu wurden die §§ 27 sowie 93 bis 97 EStG 1988 neu konzipiert.
  • Im Ergebnis werden somit Früchte und Substanz gleich behandelt.

Rz 6102a
Fließen anlässlich der Veräußerung von Kapitalvermögen anteilig Einkünfte aus der Überlassung von Kapital ("Stückzinsen") zu, werden diese nicht als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital erfasst, sondern wie der veräußerte Kapitalstamm behandelt: Gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 sind sie beim Veräußerer Teil des Veräußerungserlöses, beim Erwerber Teil der Anschaffungskosten. Der Einkauf von Stückzinsen führt daher nicht mehr zur Gewährung einer KESt-Gutschrift, sondern zu erhöhten Anschaffungskosten. Entsprechendes gilt, wenn die Veräußerung lediglich fingiert wird; somit sind Stückzinsen bei einer Depotübertragung oder einer Entstrickung im Sinne des § 27 Abs. 6 Bestandteil des gemeinen Werts im Sinne des § 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988.

Beispiele:

1. A erwirbt eine Nullkuponanleihe (Ausgabewert 100, Einlösungswert 110) um 106 (darin sind Stückzinsen in Höhe von 4 enthalten) und veräußert sie zwei Monate später um 108 weiter (darin sind Stückzinsen in Höhe von 5 enthalten).

Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 bekäme A beim Erwerb eine KESt-Gutschrift iHv 1 (= 25% von 4); seine Anschaffungskosten würden 102 betragen. Bei der Veräußerung würde ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 1 anfallen (= 103-102), gleichzeitig würde Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,25 anfallen (= 25% von 5). Im Ergebnis hätte A daher Kapitalertragsteuer von 0,25 geleistet und einen Veräußerungsgewinn von 1 versteuert.

Nach dem BBG 2011 hat A Anschaffungskosten in Höhe von 106. Im Zuge der Veräußerung sind diese einem Veräußerungserlös von 108 gegenüberzustellen; die Differenz in Höhe von 2 unterliegt der 27,5-prozentigen Besteuerung (bzw. 25-prozentigen Besteuerung bis zum 1.1.2016).

2. A erwirbt eine Nullkuponanleihe (Ausgabewert 100, Einlösungswert 110) um 106 (darin sind Stückzinsen in Höhe von 4 enthalten) und hält sie bis zur Einlösung.

Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 bekäme A beim Erwerb eine KESt-Gutschrift iHv 1 (= 25% von 4); seine Anschaffungskosten würden 102 betragen. Bei der Einlösung würde Kapitalertragsteuer in Höhe von 2,5 anfallen. Im Ergebnis hätte A daher Kapitalertragsteuer von 1,5 geleistet. Der Untergang der Anschaffungskosten wäre steuerneutral.

Nach dem BBG 2011 hat A Anschaffungskosten in Höhe von 106. Im Zuge der Einlösung sind diese einem Einlösungsbetrag von 110 gegenüberzustellen; die Differenz in Höhe von 4 unterliegt der 27,5-prozentigen Besteuerung (bzw. 25-prozentigen Besteuerung bis zum 1.1.2016).

3. A erwirbt eine Nullkuponanleihe (Ausgabewert 100, Einlösungswert 110) um 104 (darin sind Stückzinsen in Höhe von 4 enthalten) und veräußert sie zwei Monate später um 104 weiter (darin sind Stückzinsen in Höhe von 5 enthalten).

Nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 bekäme A beim Erwerb eine KESt-Gutschrift iHv 1 (= 25% von 4); seine Anschaffungskosten würden 100 betragen. Bei der Veräußerung würde ein Veräußerungsverlust in Höhe von 1 anfallen (= 99-100), gleichzeitig würde Kapitalertragsteuer in Höhe von 1,25 anfallen (= 25% von 5). Im Ergebnis hätte A daher Kapitalertragsteuer von 0,25 geleistet und einen Veräußerungsverlust in Höhe von 1, der nur gegen andere Spekulationseinkünfte ausgleichsfähig ist.

Nach dem BBG 2011 hat A Anschaffungskosten in Höhe von 104. Im Zuge der Veräußerung sind diese einem Veräußerungserlös von 104 gegenüberzustellen; es fällt keine Steuer an.

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