6.8.1 Allgemeines
Rechnungsabgrenzungsposten dienen dazu, Einnahmen und Ausgaben jenem Wirtschaftsjahr zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Der Anwendungsbereich besteht vor allem in Zusammenhang mit (schwebenden) Dauerschuldverhältnissen, also zeitraumbezogenen Schuldverhältnissen vor ihrer vollständigen Erfüllung.Demgegenüber versteht man unter Anzahlungen- Vorleistungen auf einen zukünftigen einmaligen, zeitpunktbezogenen Leistungsaustausch (zB Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte) und
- Vorleistungen auf zukünftig beginnende Dauerschuldverhältnisse (zB Mietverhältnisse, Vereinbarungen über ein erst zu errichtendes Wirtschaftsgut).
- Vorweggenommene Aufwendungen für eine bestimmte Zeit vor dem Bilanzstichtag, deren Zahlung nach dem Bilanzstichtag fällig ist, und
- vorweggenommene Erträge für eine bestimmte Zeit vor dem Bilanzstichtag, deren Zahlung nach dem Bilanzstichtag fällig ist.
Beispiel:
Der Mieter leistet und der Vermieter erhält die Miete des laufenden Wirtschaftsjahres vereinbarungsgemäß erst im Folgejahr. Beim Vermieter liegt eine Forderung und beim Mieter eine Verbindlichkeit vor.
- auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag sind (Aktivierungspflicht);
- auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag sind (Passivierungspflicht).
- Ausgaben vor dem Bilanzstichtag, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag sind, und
- Einnahmen vor dem Bilanzstichtag, die Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag sind.
- Einnahmenverlagerungen in die Zukunft mit der Begründung, in dieser Zeit fallen die Ausgaben bzw. Kosten an, zu deren Deckung sie dienen;
- Ausgabenverlagerungen in die Zukunft mit der Begründung, in dieser Zeit fallen die Einnahmen an, aus denen die Ausgaben gedeckt werden sollen.
Dies gilt auch dann, wenn zwischen Einnahmen und Ausgaben ein Zusammenhang besteht.
Werden Pauschalentgelte vereinbart, so ist eine Passivierung selbst dann nicht zulässig, wenn damit auch zukünftige Leistungen abgedeckt werden (zB Wartungsarbeiten, Nachbetreuungsleistungen).Beispiel:
Ein Rechenzentrum vereinbart mit seinen Kunden ein Pauschalentgelt pro Buchungszeile. Daneben besteht die Verpflichtung, die gespeicherten Daten noch zwei weitere Jahre bereitzuhalten. Ein für den Kunden erkennbarer, konkreter Entgeltsbestandteil dafür ist nicht vereinbart.
Ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten darf nicht gebildet werden. Obwohl die Kosten der zukünftigen Speicherung und Sicherung der Daten in den Preis einkalkuliert werden, kann aus dem Pauschalentgelt nicht einmal schätzungsweise ein Teilbetrag für die zukünftigen Leistungen abgespalten werden. Auch eine Passivierung als erhaltene Anzahlung oder als Rückstellung ist nicht zulässig.
6.8.1.1 Anwendungsfälle
6.8.1.2 Nicht aktivierungspflichtige Vorauszahlungen
Da § 4 Abs. 6 EStG 1988 nur auf nicht "aktivierungspflichtige" Vorauszahlungen Bezug nimmt, trifft die Verteilungspflicht nur gegebene Vorauszahlungen, also die Aufwandseite. Für erhaltene Vorauszahlungen fehlt eine entsprechende Regelung; in diesem Bereich ist daher weiterhin von einem Wahlrecht auszugehen.§ 4 Abs. 6 EStG 1988 ist lediglich dann nicht anzuwenden, wenn aus folgenden Gründen eine Aktivierungspflicht besteht:- Die Aufwendungen führen zum Erwerb eines aktivierungspflichtigen Rechts (zB Mietrecht).
- Es liegt eine Vorauszahlung mit Darlehenscharakter vor (zB Mietvorauszahlung mit Rückverrechnung im Falle der vorzeitigen Vertragsauflösung).
- Im Geltungsbereich der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 werden nach den Grundsätzen der Bewertungsstetigkeit Rechnungsabgrenzungen gebildet.
- Im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 sind nach den unternehmensrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung Rechnungsabgrenzungen zu bilden.
- Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen gilt die Sonderbestimmung des § 6 Z 3 EStG 1988 (Damnum und Geldbeschaffungskosten, siehe Rz 2459 ff).
Weitere Ausführungen sind den Rz 1381 ff zu entnehmen.
6.8.1.3 Leasingaktivposten
In § 8 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 ist ein Aktivposten für bestimmte Fälle von Leasingverhältnissen geregelt. Der Aktivposten verteilt den Aufwand des Leasingnehmers, der auf die Anschaffungskosten eines PKW oder Kombi im Wege der Leasingrate entfällt, auf die Mindestnutzungsdauer gemäß § 8 Abs. 6 Z 1 EStG 1988. Es handelt sich nicht um einen Rechnungsabgrenzungsposten iSd § 198 Abs. 5 UGB. Von der Verpflichtung zur Bildung eines Aktivpostens ist vor allem das Finanzierungsleasing unabhängig von der Ausformung als Voll- oder Teilamortisationsvertrag betroffen. Das Operating- und das Marktpreisleasing lösen nur bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen die Verpflichtung zur Bildung eines Aktivpostens aus. Ein passiver Ausgleichsposten ist insbesondere im Jahr des Vertragsabschlusses denkbar, wenn der Abschreibungszeitraum (Ganzjahres-AfA bzw. Halbjahres-AfA) länger als der Leasingzeitraum ist. Siehe Rz 3226 ff.Anschlussgebühren bzw. Baukostenzuschüsse
Einmalige Anschlussgebühren bzw. Baukostenzuschüsse, die nicht eine in der Art eines Dauerschuldverhältnisses zeitraumbezogene Leistung (mit)abgelten, dürfen nicht passiv abgegrenzt werden (VwGH 18.12.1996, 94/15/0148; VwGH 29.10.2003, 2000/13/0090).Soweit Anschlussgebühren bzw. Baukostenzuschüsse zum Teil auch das Entgelt für die Einräumung eines Benützungs- bzw. Bezugsrechtes darstellen, sind sie nicht sofort zur Gänze als Einnahme zu erfassen, sondern auf den Zeitraum der Einräumung des Nutzungsrechtes (Vertragsdauer), höchstens jedoch auf 20 Jahre passiv abzugrenzen. Dies gilt insbesondere für Anschlussgebühren bzw. Baukostenzuschüsse für einen Anschluss an das Versorgungsnetz eines Energieversorgungsunternehmens, weil der Leistungsempfänger mit dem Anschluss an das Versorgungsnetz auch ein langfristiges Versorgungsrecht erwirbt (siehe auch Rz 1032). Das Netzbereitstellungsentgelt nach dem ElWOG 2010 ist auf 20 Jahre passiv abzugrenzen (siehe Rz 3125).
Baurecht
Wird ein Baurecht iSd Baurechtsgesetzes gegen Entgelt (Bauzinsen) bestellt, ist der in Form von wiederkehrenden Leistungen zu erbringende Bauzins als dauernde Last zu qualifizieren. Bilanziell kann der Bauberechtigte, soweit nicht die Voraussetzungen für die Aktivierung des Baurechts vorliegen, Vorleistungen als Rechnungsabgrenzungsposten aktivieren; der Grundstückseigentümer kann einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden (VwGH 26.2.1975, 0936/74).Finanzierungskosten
Zu den Finanzierungskosten im Zusammenhang mit Darlehen und Krediten siehe Rz 2417 und 2459 ff.Ratenkauf
Beim Ratenkauf wird der Kaufpreis mit dem Barwert der Raten angesetzt (VwGH 14.1.1986, 85/14/0134). Den Unterschiedsbetrag zwischen Barwert und Summe der Raten können unabhängig voneinander der Ratenkäufer aktivieren und der Ratenverkäufer passivieren. Dies gilt auch beim Leasing mit dem Charakter eines Ratenkaufs. Eine degressive Abschreibung bzw. Auflösung ist zulässig.Miet- und Pachtverhältnisse
Miet- und Pachtverhältnisse sind Dauerschuldverhältnisse. In diesem Zusammenhang sind Vorleistungen typische Anwendungsfälle für zulässige aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten. Die Abgrenzung erfolgt im Regelfall zeitraumbezogen. Der Vermieter darf Passivposten für zukünftige Instandhaltungsarbeiten selbst dann nicht bilden, wenn die künftigen Ausgaben im Entgelt einkalkuliert sind (VwGH 19.3.1986, 83/13/0109).Versicherungsverhältnisse
Diese führen bei über den Bilanzstichtag hinausgehenden Leistungsansprüchen zur Berechtigung, Rechnungsabgrenzungsposten nach den allgemeinen Regeln zu bilden.Wettbewerbsverbote
Solche Verbote (Verzicht, Stilllegung) können nur dann zur Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten führen, wenn eine zeitliche Befristung vereinbart ist. Entschädigungen für zeitlich unbefristete Wettbewerbsunterlassungen können nicht als Ertrag künftiger Jahre angesehen werden.Zuschüsse
Verpflichtet sich der Empfänger von Zuschüssen zu weiteren Leistungen (zB Erhaltung, Instandsetzung, Erneuerung), kann ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden. Dieser ist zeitanteilig aufzulösen. Bei Sanierungszuschüssen ohne Rückzahlungsverpflichtung fehlt es am zeitraumbezogenen Verhalten, somit an der Gegenleistung, eine Abgrenzung kommt daher nicht in Betracht. Eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung löst erst bei Eintritt der Bedingung die Passivierung einer Schuld aus (VwGH 14.12.1993, 90/14/0034).Zuschüsse gegen Abnahmeverpflichtungen können auf den Vertragszeitraum verteilt werden. Investitionszuschüsse eines Getränkeerzeugungs- und -lieferunternehmens, die kein bestimmtes Verhalten des Empfängers bedingen, erlauben keinen passiven Rechnungsabgrenzungsposten; Werbezuschüsse zu einem Produktplatzierungsprogramm über 34 Monate können abgegrenzt werden; ein Zuschuss für den Fall der Erfüllung der vorgeschriebenen Anschaffungsquoten ist als Entgelt für eine am Bilanzstichtag bereits erfüllte Leistung anzusehen (VwGH 18.1.1994, 90/14/0124).
Eine Bierabnahmeverpflichtung gegen die Überlassung von Einrichtungsgegenständen, die nach zehn Jahren (Vertragsdauer) ins Eigentum des zu ihrer Erhaltung verpflichteten Wirts übergehen, führt einerseits zur Gewinnrealisierung im Umfang des gemeinen Werts der Bierbezugsverpflichtung (VwGH 16.3.1989, 88/14/0055). Andererseits kann die Betriebseinnahme passiv abgegrenzt werden. Die Bevorschussung von üblichen Rabatten durch eine Brauerei gegen eine Bierabnahmeverpflichtung ist nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt ggf. in ein Darlehen (der Höhe nach übliche, nicht gewährte Rabatte) und in eine Einnahme aufzuspalten (VwGH 29.9.1987, 87/14/0086; VwGH 13.9.1994, 90/14/0172); diese Einnahme kann durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten auf die Laufzeit verteilt werden.
Die Rechtsprechung hat darüber hinaus in folgenden Fällen Abgrenzungsposten zugelassen:- Abraumrückstand bei Substanzbetrieben (VwGH 23.5.1966, 1829/65; VwGH 8.6.1979, 2042/78),
- Ersatz des Ertragsausfalls (VwGH 8.6.1979, 2042/78),
- Wirtschaftserschwernisse (VwGH 24.2.1961, 3045/58), siehe Rz 5170 f.
Dazu kommen weitere Passivposten in Zusammenhang mit so genannten vorbelasteten Einkünften (Einnahmen); siehe Rz 3303.
Rechtslage bis 2009:Nach § 198 Abs. 3 UGB dürfen Aufwendungen für das Ingangsetzen und Erweitern eines Betriebes als Aktivposten ausgewiesen werden, der nach § 210 UGB in jedem Geschäftsjahr zu mindestens einem Fünftel abzuschreiben ist. Ingangsetzungskosten sind Ausgaben, die mit dem Aufbau der Betriebsorganisation zusammenhängen (Kosten für Personalbeschaffung, Marktanalysen, Einführungswerbung, behördliche Bewilligungen und Gutachten). Steuerrechtlich sind vorbereitende Betriebsausgaben und Anlaufkosten regelmäßig als laufende Unkosten zu behandeln (Aufwendungen für Planung, Organisation, Lieferantensuche, Gewinnung von Kunden usw.). Der unternehmensrechtliche Aktivposten ist weder ein Wirtschaftsgut iSd EStG 1988 noch ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten iSd UGB. Wird in der UGB-Bilanz vom Aktivierungswahlrecht Gebrauch gemacht, ergibt sich iSd so genannten ergänzenden Maßgeblichkeit (siehe Rz 433 f) eine Pflicht zur Aktivierung in der Steuerbilanz.
Rechtslage ab 2010:
Aufwendungen für das Ingangsetzen und Erweitern eines Betriebes dürfen für Geschäftsjahre (Wirtschaftsjahre), die nach dem 31.12.2009 beginnen, weder unternehmensrechtlich noch steuerrechtlich aktiviert werden (siehe auch § 906 Abs. 21 UGB). Aktivposten nach § 198 Abs. 3 UGB, die in Wirtschaftsjahren, die vor dem 1. Jänner 2010 begonnen haben, ausgewiesen worden sind, sind gemäß § 210 UGB idF vor dem RÄG 2010 weiterhin in jedem Wirtschaftsjahr zu mindestens einem Fünftel abzuschreiben.
Ingangsetzungskosten sind Ausgaben, die mit dem Aufbau der Betriebsorganisation zusammenhängen (Kosten für Personalbeschaffung, Marktanalysen, Einführungswerbung, behördliche Bewilligungen und Gutachten, Aufwendungen für Planung, Organisation, Lieferantensuche, Gewinnung von Kunden usw.). De facto handelt es sich dabei um die Schaffung eines originären Firmenwertes, der nicht aktivierungsfähig ist.
Rechnungsabgrenzungsposten wurden in folgenden Fällen verwehrt:- Entgeltlicher Verzicht auf die Ausübung einer gewerblichen Erfahrung (VwGH 24.11.1987, 87/14/0001),
- Veräußerung eines Wasserrechts gegen ein von den zukünftigen Stromverbrauchskosten abhängiges Entgelt (VwGH 27.6.1960, 0357/58).