21.2.7 Gewinnermittlung im Liquidationszeitraum

BMFBMF-010216/0002-IV/6/201829.3.2018

Rz 1439
§ 19 Abs. 2 KStG 1988 sieht für die Ermittlung des Abwicklungsgewinnes einen speziellen Vermögensvergleich vor. Durch Gegenüberstellung von Abwicklungsanfangsvermögen und Abwicklungsendvermögen wird das Vermögen zu Beginn und am Ende des Liquidationszeitraumes miteinander verglichen. Der Abwicklungsgewinn umfasst nicht nur die Gewinne aus der Auflösung der stillen Reserven, sondern auch andere während der Abwicklung anfallende Erträgnisse samt den jeweils damit verbundenen Aufwendungen, also alle Betriebsvermögensänderungen innerhalb des Liquidationszeitraumes. Aufgrund der einheitlichen Ermittlung des Liquidationsgewinnes sind Verluste, die in einem späteren Wirtschaftsjahr des Liquidationszeitraumes erlitten werden, mit Gewinnen eines früheren Jahres des Liquidationszeitraumes aufzurechnen und umgekehrt.

Rz 1440
Kraft ausdrücklicher Anordnung des § 19 Abs. 6 KStG 1988 sind innerhalb des Liquidationszeitraumes die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften anzuwenden, soweit sich aus § 19 KStG 1988 nicht anderes ergibt. Es sind daher im Abwicklungszeitraum angefallene steuerfreie Einkünfte bzw. Vermögenszugänge steuerfrei zu belassen und vom Abwicklungsendvermögen abzuziehen, womit gewährleistet ist, dass sich die im EStG 1988 bzw. im KStG 1988 vorgesehenen sachlichen Steuerbefreiungen bei der Ermittlung des Abwicklungsgewinnes auswirken.

Rz 1441
Beteiligungserträge der abzuwickelnden Körperschaft im Liquidationszeitraum fallen weiterhin unter § 10 KStG 1988. Zur Behandlung der Anteilsinhaber der abzuwickelnden Körperschaft siehe Rz 1450 bis 1453. Einlagen, auch verdeckte Einlagen, und Nachschüsse der Anteilsinhaber, die während des Abwicklungszeitraumes geleistet werden, bleiben außer Ansatz, indem sie vom Abwicklungsendvermögen abzuziehen sind. Diese beruhen auf einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage und sind demnach als steuerneutral zu behandeln.

Rz 1442
Eigene Anteile der abzuwickelnden Körperschaft gehen auf Grund der Auflösung unter und können daher auch nicht verteilt werden. Diese Anteile sind zwar Bestandteil des Abwicklungsanfangsvermögens, jedoch auf Grund des Unterganges nicht des Abwicklungsendvermögens. Ein sich dadurch ergebender rechnerischer Verlust ist im Hinblick auf § 19 Abs. 6 KStG 1988 als "gesellschaftsrechtlicher Verlust" steuerlich unbeachtlich.

Beispiel:

Angaben wie oben, jedoch sind im Anlagevermögen 30.000 Euro Nominale (40.000 Euro Buchwert) an eigenen Anteilen vorhanden.

Abwicklungsendvermögen nach Versilberung der Sachwerte, Begleichung der Verbindlichkeiten und Abzug der Kosten:

Anlagevermögen

330.000 Euro

Eigene Anteile

- 40.000 Euro

Umlaufvermögen

160.000 Euro

Kosten

- 20.000 Euro

Verbindlichkeiten

- 240.000 Euro

Abwicklungsendvermögen

190.000 Euro

Das Abwicklungsendvermögen und damit der buchmäßige Abwicklungsgewinn betragen um 40.000 Euro weniger, obwohl sich die stillen Reserven nach wie vor auf 90.000 Euro belaufen. Daher muss letztlich dem buchmäßigen Abwicklungsgewinn der Buchwert der untergehenden eigenen Anteile zugerechnet werden.

Rz 1442a
Bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgte Verbindlichkeiten der Körperschaft gehen nicht auf die Anteilsinhaber über und sind deshalb nicht Teil des Abwicklungsendvermögens, das in § 19 Abs. 4 KStG 1988 als das zur Verteilung (an die Anteilsinhaber) kommende Vermögen definiert wird. Sie sind daher - unabhängig von ihrer unternehmensrechtlichen Behandlung bzw. einem zivilrechtlichen Fortbestehen - aufgrund der (zwingenden) steuerlichen Spezialvorschrift des § 19 Abs. 4 KStG 1988 bei der (rechnerischen) Ermittlung des Abwicklungsendvermögens nicht anzusetzen. Wenn die Verbindlichkeiten bereits im Abwicklungsanfangsvermögen enthalten waren, ergibt sich dadurch eine Erhöhung des steuerlichen Liquidationsgewinns nach § 19 Abs. 2 KStG 1988 (Abwicklungsendvermögen minus Abwicklungsanfangsvermögen) in Höhe des Wertes, mit dem die bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgten Verbindlichkeiten im Abwicklungsanfangsvermögen enthalten waren.

Beispiel:

Eine GmbH beschließt am 01.01.2017 ihre Auflösung, die Bilanz zum 31.12.2016 stellt sich folgendermaßen dar:

Anlagevermögen

120.000

Stammkapital

35.000

Umlaufvermögen

70.000

Bilanzverlust

-95.000

  

Verbindlichkeiten

250.000

 

190.000

 

190.000

Nach Maßgabe des § 19 Abs. 5 KStG 1988 ergibt sich folgendes Abwicklungsanfangsvermögen:

Stammkapital

35.000 Euro

Bilanzverlust

-95.000 Euro

Abwicklungsanfangsvermögen

-60.000 Euro

Im Anlagevermögen befinden sich 30.000 Euro und im Umlaufvermögen 20.000 Euro an stillen Reserven. Aufgrund der Versilberung des AV und UV können daher die Kosten der Abwicklung iHv 20.000 Euro sowie 220.000 Euro von den zu Liquidationsbeginn noch offenen Verbindlichkeiten iHv 250.000 Euro beglichen werden. Es verbleiben somit 30.000 Euro an Verbindlichkeiten, die aufgrund fehlender Mittel bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgt werden können und daher bei der Berechnung des Abwicklungsendvermögens nicht zu berücksichtigen sind. Es ergibt sich folgendes Abwicklungsendvermögen:

(Versilbertes) Anlagevermögen

150.000 Euro

(Versilbertes) Umlaufvermögen

90.000 Euro

Kosten

-20.000 Euro

Getilgte Verbindlichkeiten

Nicht getilgte Verbindlichkeiten

-220.000 Euro

nicht zu berücksichtigen

Abwicklungsendvermögen

0 Euro

Es kommt aufgrund der Überschuldung der abgewickelten Körperschaft zu keiner Verteilung von Vermögen an die Anteilsinhaber. Das Abwicklungsendvermögen gemäß § 19 Abs. 4 KStG 1988 beträgt daher Null (siehe auch rechnerische Darstellung oben).

Für die Ermittlung des Liquidationsgewinnes ist nun gemäß § 19 Abs. 2 KStG 1988 das (in diesem Beispiel negative) Abwicklungsanfangsvermögen vom Abwicklungsendvermögen abzuziehen.

Abwicklungsendvermögen

0 Euro

- Abwicklungsanfangsvermögen

+ 60.000 Euro

Liquidationsgewinn

60.000 Euro

Der sich ergebende Liquidationsgewinn iHv 60.000 Euro entspricht den bei der Versilberung des AV und UV realisierten stillen Reserven iHv insgesamt 50.000 Euro abzüglich der Kosten der Abwicklung iHv 20.000 Euro und zuzüglich des Werts iHv 30.000 Euro, mit dem die Verbindlichkeiten, die bis zum Ende ihrer Abwicklung von der Körperschaft nicht getilgt wurden, im Abwicklungsanfangsvermögen enthalten waren.

Erfolgt die Liquidation nach § 19 KStG 1988 im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, sind bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer, die aufgrund der Erhöhung des Liquidationsgewinnes durch die nicht getilgten Verbindlichkeiten grundsätzlich (zusätzlich) anfällt, einige Besonderheiten zu beachten (siehe dazu näher BMF-Info vom 2.6.2016, BMF-010200/0013-VI/6/2016).

Rz 1443
Da es sich bei der Liquidationsbesteuerung nicht bloß um eine Gewinnermittlung, sondern um die Ermittlung des Endeinkommens der zu liquidierenden Körperschaft handelt, sind neben den schon erwähnten sachlichen Steuerbefreiungen alle Bestimmungen des § 8 KStG 1988, ebenso wie die Abzugsverbote nach § 11 Abs. 2 KStG 1988 und § 12 KStG 1988 anzuwenden. Nichtabzugsfähige Aufwendungen sind daher dem Unterschiedsbetrag zuzurechnen.

Rz 1444
Die Anwendung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 setzt eine laufende Veranlagung bzw. ein normales Wirtschaftsjahr voraus. Die Besteuerung nach § 19 KStG 1988 geht aber von einem besonderen Gewinnermittlungszeitraum aus. Die zu Beginn des Liquidationszeitraumes noch nicht verrechneten Siebentelbeträge sind daher im Liquidationszeitraum unabhängig von der Frage abzusetzen, ob der Liquidationsgewinn ganz oder teilweise aus der Aufdeckung stiller Reserven aus Beteiligungen besteht. Auch die im Laufe des Geschäftsbetriebes vom Abzugsverbot gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 betroffene Aufwandszinsen können abgesetzt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Liquidation tatsächlich abgeschlossen wird und nicht nach dem Liquidationsbeschluss ein Weiterführungsbeschluss erfolgt; in diesem Fall sind im Liquidationszeitraum so viele Siebentelbeträge abzusetzen, als Wirtschaftsjahre enthalten sind.

Rz 1445
Allfällige im Rahmen der Sonderabschreibungen gebildete stille Reserven, sowie eine gewinnerhöhende Auflösung eines Investitionsfreibetrages auf Grund der Abwicklung innerhalb der Behaltefrist fließen ebenfalls in die Ermittlung des Abwicklungsgewinnes ein.

Rz 1446
Akontierungszahlungen der abzuwickelnden Körperschaft an die Anteilsinhaber auf das zu erwartende verteilbare Liquidationsendvermögen besitzen keine Betriebsausgabenfunktion, sondern sind als Einkommensverwendung gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 zu werten.

Rz 1447
Auch Gewinnausschüttungen während des Abwicklungszeitraumes bezogen auf das unternehmensrechtlich abgeschlossene Geschäftsjahr sind nicht mehr möglich. Eine solche ist als Akontierung auf die Liquidationsmasse, dh. als Liquidationsrate anzusehen. Solche Ausschüttungen zählen dann zum Abwicklungsendvermögen, wenn sie den Gesellschaftern bereits im steuerlichen Abwicklungszeitraum, aber noch vor dem Auflösungsbeschluss zugekommen sind.

Offene Ausschüttungen vermitteln allerdings dann die mit § 8 Abs. 2 KStG 1988 in Verbindung mit § 97 EStG 1988 bzw. § 10 Abs. 1 KStG 1988 verbundene Wirkung, wenn sie sich auf Geschäftsjahre vor der Liquidation beziehen. Wird also der in der Liquidationseröffnungsbilanz ausgewiesene Reingewinn ausgeschüttet, muss eine Kürzung dieses Eröffnungsvermögens vorgenommen werden. Bei Vorliegen von verdeckten Ausschüttungen ist der dadurch verringerte Abwicklungsgewinn durch Zurechnung entsprechend zu neutralisieren. Weiters gehören auch als Vorschüsse auf das Abwicklungsergebnis verteilte Beträge zum Abwicklungsendvermögen.

Beispiel:

Die X-GmbH beschließt am 01.01.2002 ihre Auflösung. Die Abwicklung ist am 31.10.2002 abgeschlossen, wobei Kosten von 20.000 Euro entstehen. Im Anfangsvermögen zum 01.01.2002 sind Gewinnvorträge aus 1999 und 2000 im Ausmaß von 30.000 Euro vorhanden, die am 01.05.2002 ausgeschüttet werden.

Anlagevermögen

250.000

Stammkapital

100.000

Umlaufvermögen

300.000

Freie Rücklagen

160.000

  

Gesetzl. Rücklagen

Gewinnvorträge 1999/2000

20.000

30.000

  

Verbindlichkeiten

240.000

 

550.000

 

550.000

Im Anlagevermögen befinden sich 70.000 Euro und im Umlaufvermögen 30.000 Euro stille Reserven. Unter Berücksichtigung der Kosten müsste sich ein Abwicklungsgewinn von 80.000 Euro ergeben.

Abwicklungsendvermögen nach Versilberung:

Anlagevermögen

320.000 Euro

 

Umlaufvermögen

330.000 Euro

 

Kosten

- 20.000 Euro

 

Gewinnausschüttung

- 30.000 Euro

 

Verbindlichkeiten

- 240.000 Euro

 
  

360.000 Euro

Abwicklungsanfangsvermögen:

Stammkapital

100.000 Euro

 

Freie Rücklagen

160.000 Euro

 

Gesetzliche Rücklagen

20.000 Euro

 

Gewinne 1999/2000

30.000 Euro

 
  

310.000 Euro

Abwicklungsgewinn

 

50.000 Euro

Vergleicht man die stillen Reserven mit dem buchmäßigen Abwicklungsgewinn, so ergibt sich, dass dieser genau in Höhe der Gewinnausschüttung zu gering ist. Kürzt man nun das Abwicklungsanfangsvermögen um diesen Betrag und stellt das gekürzte Anfangsvermögen von 280.000 Euro dem Endvermögen gegenüber, beträgt der Unterschiedsbetrag wiederum 80.000 Euro.

Rz 1448
Neben Einkommensverwendungstatbeständen sind, wie schon erwähnt, auch Verlustvorträge zu berücksichtigen. Da für den gesamten Abwicklungszeitraum ein einheitliches Einkommen zu ermitteln ist, sind ungeachtet der Länge dieses Zeitraumes jene Verluste vortragsfähig, die in den vor Beginn des Abwicklungszeitraumes gelegenen Jahren entstanden sind.

Rz 1449
Zur Mindestkörperschaftsteuerpflicht im Abwicklungszeitraum siehe Rz 1557.

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