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Wegzugsbesteuerung – Nichtfestsetzungskonzept im Zusammenhang mit der Schweiz

BMFBMF-010221/0683-VI/8/20163.4.20172017

EAS 3378

In EAS 3242 wurde vertreten, dass nach § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 idF vor dem AbgÄG 2015 die Wegzugsbesteuerung durch "Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten führen" ausgelöst und daher der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung erst bei einem unbedingten Verlust des österreichischen Besteuerungsrechts verwirklicht werde. Darüber hinaus wurde in EAS 3242 dargelegt, dass bei einem Wegzug nach Großbritannien auf Grund von Art. 13 Abs. 3 DBA-Großbritannien sowie der "Remittance-Klausel" des Art. 3 Abs. 2 dieses Abkommens das Besteuerungsrecht hinsichtlich eines eingetretenen Wertzuwachses nur bedingt verloren gehe.

Mit dem AbgÄG 2015 erfolgte jedoch eine Änderung des Konzepts der Wegzugsbesteuerung, sodass der Wegzugsbesteuerungstatbestand nunmehr nicht erst bei einem "Verlust", sondern bereits bei einer "Einschränkung" des Besteuerungsrechts verwirklicht wird (vgl. EAS 3372). Diese Bestimmung findet jedoch auf Wegzüge, die vor dem 1. Jänner 2016 stattfanden, keine Anwendung.

Erfolgte daher im Jahr 2014 ein Wegzug einer in Österreich steuerpflichtigen natürlichen Person, die Gesellschafter einer österreichischen GmbH mit Anschaffungskosten iHv 1.000 ist, nach Großbritannien (gemeiner Wert dieses Gesellschaftsanteils zum Zeitpunkt des Wegzugs bei 1.800) und wird diese Person in Großbritannien als "resident but not domiciled" iSd Art. 3 Abs. 2 DBA-Großbritannien eingestuft, liegt in diesem Jahr kein Fall einer Wegzugsbesteuerung vor.

Zieht dieselbe Person in die Schweiz weiter, löst dieser Ansässigkeitswechsel die Wegzugsbesteuerung aus, da im Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels in die Schweiz Art. 13 Abs. 3 DBA-Schweiz zum Tragen kommt. Nach dieser Bestimmung dürfen Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist. Im vorliegenden Fall wäre das die Schweiz, was zu einem Verlust des österreichischen Besteuerungsrechts führt.

Art. 13 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz sieht zwar vor, dass bei einer natürlichen Person, die in einem Vertragsstaat ansässig war und die im anderen Vertragsstaat ansässig geworden ist, Art. 13 Abs. 3 DBA-Schweiz nicht das Recht des erstgenannten Staates berührt, bei Anteilen an Gesellschaften nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei der Person einen Vermögenszuwachs bis zu ihrem Ansässigkeitswechsel zu besteuern, wenn diese Anteile veräußert werden oder wenn Maßnahmen dieser Person zum Verlust des Besteuerungsrechtes des erstgenannten Staates führen. Allerdings wird in Satz 2 dieser Bestimmung ausdrücklich auf einen einzigen Ansässigkeitswechsel Bezug genommen ("Eine Besteuerung ausschließlich auf Grund des vorgenannten Ansässigkeitswechsels findet nicht statt"), sodass im Falle von zwei Ansässigkeitswechseln davon auszugehen ist, dass die Bestimmung nicht Anwendung findet.

Dafür spricht auch der in Art. 13 Abs. 4 DBA-Schweiz enthaltene Verweis auf Abs. 3, der im Hinblick auf den dort verwendeten Begriff der Ansässigkeit unter Berücksichtigung von Art. 1 des Abkommens nur auf die beiden Vertragsstaaten Bezug nehmen kann und nicht auf einen zwischengeschalteten Drittstaat.

Liegt der gemeine Wert des Gesellschaftsanteils zum Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels in die Schweiz bei 3.000, ist als Bemessungsgrundlage für die Wegzugsbesteuerung die Differenz zwischen dem gemeinen Wert zu diesem Zeitpunkt und den Anschaffungskosten - somit ein Wert iHv 2.000 - heranzuziehen. Sollte daher bis zum Zeitpunkt des Wegzuges in die Schweiz der Veräußerungsgewinn aufgrund des DBA-Großbritannien weiterhin steuerhängig sein, da die Person als "resident but not domiciled" eingestuft und daher in Großbritannien nur mit Einkünften steuerpflichtig wird, die nach Großbritannien überwiesen oder dort in Empfang genommen werden, steht das DBA-Großbritannien aufgrund von Art. 3 Abs. 2 einer Erfassung auch der während der Ansässigkeit in Großbritannien entstandenen stillen Reserven im Rahmen der österreichischen Wegzugsbesteuerung nicht entgegen. Wie der gemeine Wert zu ermitteln ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Bundesministerium für Finanzen, 3. April 2017

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 13 Abs. 3 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland (Einkommensteuer), BGBl. Nr. 390/1970
Art. 3 Abs. 2 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland (Einkommensteuer), BGBl. Nr. 390/1970
Art. 13 Abs. 3 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 13 Abs. 4 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975

Schlagworte:

Wegzugsbesteuerung, Remittance-Klausel

Verweise:

EAS 3242
EAS 3372

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