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Vorgehensweise hinsichtlich der Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten bei einer Liquidation nach § 19 KStG 1988

BMFBMF-010200/0013-VI/6/20162.6.20162016

Beachte:
Die Information des BMF zur Vorgehensweise hinsichtlich der Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten bei einer Liquidation nach § 19 KStG 1988 vom 13. Jänner 2016, BMF-010203/0002-VI/6/2016, wird um Aussagen betreffend die Behandlung der zusätzlichen Körperschaftsteuer als Insolvenzforderung ergänzt.

Im Salzburger Steuerdialog 2014 wurde im Zusammenhang mit der Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten bei Berechnung des Liquidationsergebnisses folgendes vertreten:

§ 19 KStG 1988 sieht für den Fall der Auflösung und tatsächlichen Abwicklung von unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften (Kapitalgesellschaften, rechnungslegungspflichtige Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Sparkassen etc.) einen speziellen steuerlichen Betriebsvermögensvergleich vor. Die Bestimmung des § 19 KStG 1988 stellt eine (zwingende) steuerrechtliche Spezialvorschrift für die Ermittlung des Liquidationsgewinnes von unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften dar und lässt für die Anwendung der sonst für die Gewinnermittlung geltenden Vorschriften nur insofern Raum als § 19 KStG 1988 keine abweichende Regelung enthält. § 19 KStG 1988 ist sowohl für außergerichtliche, als auch im Rahmen eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens erfolgende Abwicklungen anzuwenden.

Nach § 19 Abs. 2 KStG 1988 ist steuerlicher Liquidationsgewinn der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn, der sich aus der Gegenüberstellung des Abwicklungs-Endvermögens und des Abwicklungs-Anfangsvermögens ergibt. Das steuerliche Abwicklungs-Anfangsvermögen ist nach § 19 Abs. 5 KStG 1988 "das Betriebsvermögen, das am Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen war". Das steuerliche Abwicklungs-Endvermögen wird von § 19 Abs. 4 KStG 1988 als das "zur Verteilung kommende Vermögen" definiert. Mit "Verteilung" ist die am Ende der Abwicklung erfolgende Verteilung des nach der Verwertung der Aktiva, dem Eingang der Forderungen und der Tilgung der Verbindlichkeiten noch vorhandenen Vermögens an die Anteilsinhaber gemeint. Vermögen, das am Ende der Abwicklung nicht an die Anteilsinhaber verteilt wird, ist daher nach dem Gesetzeswortlaut kein Bestandteil des Abwicklungs-Endvermögens.

Offene Verbindlichkeiten einer in Liquidation befindlichen Körperschaft, die bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgt werden, gehen in der Regel nicht auf die Anteilsinhaber über und kommen deshalb auch nicht zur Verteilung; etwas anderes gilt für Fälle eines Schuldbeitritts des Gesellschafters. Aus dem klaren Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 4 KStG 1988 ergibt sich somit, dass am Ende der Abwicklung noch offene Verbindlichkeiten nicht Bestandteil des Abwicklungs-Endvermögens sind.

Da sich der steuerliche Liquidationsgewinn gemäß § 19 Abs. 2 KStG 1988 aus der Gegenüberstellung von Abwicklungs-Endvermögen und Abwicklungs-Anfangsvermögen ergibt, erhöhen nicht getilgte Verbindlichkeiten das steuerliche Liquidationsergebnis somit um jenen Wert, mit dem sie im Abwicklungs-Anfangsvermögen enthalten waren. Reichen bei der Liquidation einer unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaft daher die Aktiva der Körperschaft nicht aus, um bis zum Ende der Abwicklung sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen, erhöht sich dadurch die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer um den Wert, mit dem die nicht getilgten Verbindlichkeiten in der letzten (Steuer-)Bilanz vor Auflösung der Körperschaft (und somit im steuerlichen Abwicklungs-Anfangsvermögen) enthalten waren.

Im Folgenden sollen die körperschaftsteuerlichen Konsequenzen der im Salzburger Steuerdialog 2014 vertretenen Ansicht und die Vorgehensweise bei Insolvenzen dargestellt werden:

Liquidation einer Körperschaft, die Teil einer Unternehmensgruppe nach § 9 KStG 1988 ist

Liquidation eines Gruppenmitglieds

Das steuerliche Liquidationsergebnis des Gruppenmitglieds, in dem die Auflösung nicht getilgter Verbindlichkeiten enthalten ist, ist der finanziell beteiligten Körperschaft (Gruppenträger oder Gruppenmitglied) zuzurechnen. Soweit im zusammengefassten Gruppenergebnis Liquidationsgewinne des Gruppenmitglieds enthalten sind, ist die 75%-Vortragsgrenze gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. b vierter Teilstrich KStG 1988 nicht anzuwenden (siehe KStR 2013 Rz 1103). Auf das so ermittelte Gruppeneinkommen ist die Körperschaftsteuer festzusetzen.

Liquidation des Gruppenträgers

Der Eintritt eines Gruppenträgers in die Liquidationsbesteuerung führt zur Beendigung einer bereits bestehenden Unternehmensgruppe, weil nach der aktuellen VwGH-Judikatur (VwGH 26.11.2014, 2011/13/0008) eine nach § 19 KStG 1988 in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft nicht als Gruppenträger im Sinne des § 9 KStG 1988 in Betracht kommt (siehe BMF-Info vom 25.08.2015, BMF-010216/0009-VI/6/2015). Es ist bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer wie bei der Liquidation von nicht einer Unternehmensgruppe zugehörigen Körperschaften vorzugehen (siehe unten).

Liquidation einer Körperschaft, die NICHT Teil einer Unternehmensgruppe nach § 9 KStG 1988 ist

Liquidation einer Körperschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens

Das steuerliche Liquidationsergebnis der Körperschaft, in dem die Auflösung nicht getilgter Verbindlichkeiten enthalten ist, ist um vorhandene Verlustvorträge zu kürzen. Auf das so ermittelte Einkommen des Liquidationszeitraumes ist die Körperschaftsteuer festzusetzen.

Liquidation einer Körperschaft im Rahmen eines Insolvenzverfahrens

Die Berechnung des steuerlichen Liquidationsergebnisses hat grundsätzlich wie in Fällen außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu erfolgen. Ob es sich bei der Körperschaftsteuer, die durch die Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten zusätzlich entsteht, um eine Masseforderung, eine Insolvenzforderung oder eine Forderung gegen das konkursfreie Vermögen handelt, ist von den ordentlichen Gerichten zu beurteilen. Handelt es sich bei der durch die nicht getilgten Verbindlichkeiten entstehenden Körperschaftsteuer um eine Masseforderung, gilt Folgendes:

Bei Abwicklungen im Rahmen von gerichtlichen Insolvenzverfahren würde in Fällen, in denen die Körperschaft über keine ausreichend hohen steuerlichen Verlustvorträge verfügt, die aufgrund der nicht getilgten Verbindlichkeiten (zusätzlich) anfallende Körperschaftsteuer, regelmäßig zu Masseunzulänglichkeit führen. Dies würde auch dazu führen, dass mangels Eintritt in die Liquidationsbesteuerung des § 19 KStG 1988 eine Besteuerung im Sinne dieser Information unterbleiben müsste. Insbesondere Insolvenzverfahren, bei denen die Verteilungsquote bis zu 20% beträgt, wären davon betroffen.

Um in diesen Fällen zu verhindern, dass durch die Festsetzung Masseunzulänglichkeit vorliegen könnte, ist daher im Sinne des § 206 BAO von der Festsetzung der aufgrund der nicht getilgten Verbindlichkeiten zusätzlich entstehenden Körperschaftsteuer - nach Verrechnung mit vorhandenen Verlustvorträgen - Abstand zu nehmen, wenn die Verteilungsquote für die Insolvenzmasse bis zu 20% beträgt.

Es kann davon ausgegangen werden, dass bis zu einer Verteilungsquote von bis zu 20% aufgrund von Verlust(vorträgen) aus Vorjahren keine zusätzliche Körperschaftsteuer aufgrund nicht getilgter Verbindlichkeiten entstehen wird. Im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung bestehen keine Bedenken, gemäß § 206 BAO von der Festsetzung der aufgrund der nicht getilgten Verbindlichkeiten zusätzlich entstehenden Körperschaftsteuer - nach Verrechnung mit vorhandenen Verlustvorträgen und etwaigen Vorauszahlungen - auch dann Abstand zu nehmen, wenn es sich bei der zusätzlichen Körperschaftsteuer um eine Insolvenzforderung handeln würde und die Verteilungsquote für die Insolvenzmasse bis zu 20% beträgt.

Der Abgabepflichtige kann vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sowie der Masseverwalter während des Insolvenzverfahrens das Finanzamt um eine Treu und Glauben-Auskunft hinsichtlich der Frage ersuchen, ob aufgrund der - vom Abgabepflichtigen bzw. vom Masseverwalter bekanntzugebenden - voraussichtlichen Verteilungsquote von einer Festsetzung der aufgrund der nicht getilgten Verbindlichkeiten zusätzlich entstehenden Körperschaftsteuer - nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und etwaigen Vorauszahlungen - im Rahmen der Veranlagung der Körperschaftsteuer für den Insolvenzzeitraum abgesehen werden wird. Das Finanzamt hat dem Masseverwalter eine derartige Treu und Glauben-Auskunft zu erteilen. Diese Treu und Glauben Auskunft ist nur dann wirksam, wenn die tatsächliche endgültige Verteilungsquote maximal 20% beträgt.

Bundesministerium für Finanzen, 2. Juni 2016

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 19 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 7 Abs. 3 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 19 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 19 Abs. 5 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 19 Abs. 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 9 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 8 Abs. 4 Z 2 lit. b vierter Teilstrich KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 206 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Berücksichtigung nicht getilgter Verbindlichkeiten, Liquidationsergebnisse, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Sparkassen, Gewinnermittlung geltende Vorschriften, abweichende Regelung, Liquidationsgewinn, Betriebsvermögen, Abwicklungs-Endvermögen, Tilgung der Verbindlichkeiten, Körperschaften, Anteilsinhaber, Schuldbeitritt des Gesellschafters, Abwicklungs-Anfangsvermögen

Verweise:

BMF 13.01.2016, BMF-010203/0002-VI/6/2016
BMF 03.10.2014, BMF-010200/0018-VI/1/2014
KStR 2013, Körperschaftsteuerrichtlinien 2013 Rz 1103
VwGH 26.11.2014, 2011/13/0008
BMF 25.08.2015, BMF-010216/0009-VI/6/2015

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