vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Vorgehensweise bei der Vorschreibung der Kapitalertragsteuer (KESt) bei verdeckten Ausschüttungen - Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis

BMFBMF-010200/0015-VI/1/201530.3.20152015

Beachte:
Diese Info wird durch die Info des BMF vom 5. Oktober 2015, BMF-010203/0276-VI/1/2015, aufgehoben.

Für die Einbehaltung und Abfuhr der KESt haftet dem Bund gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 der Abzugsverpflichtete; Abzugsverpflichteter ist in Fällen von verdeckten Ausschüttungen die ausschüttende Körperschaft. § 95 Abs. 4 EStG 1988 sieht darüber hinaus ua. vor:
"Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat [...]"

Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 29.3.2012, 2008/15/0170, sind verdeckte Ausschüttungen "[...] ein klassischer Anwendungsfall dieser Gesetzesbestimmung, besteht das Wesen verdeckter Ausschüttungen doch gerade darin, die Zuwendung von Vorteilen an die Gesellschafter nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen und auch keine vorschriftsmäßige Kürzung der Kapitalerträge vorzunehmen."

Das BFG hat in seiner neueren Judikatur die Rechtsmeinung vertreten, dass bei verdeckten Ausschüttungen aufgrund von § 95 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 die KESt zwingend vorrangig dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben ist und sich daher eine Ermessensprüfung für dessen unmittelbare Inanspruchnahme erübrigt (vgl. BFG 3.10.2014, RV/5100083/2013).

Anlässlich der neueren BFG-Judikatur wird daher im Einvernehmen mit dem bundesweiten Fachbereich SVE und den zuständigen Fachabteilungen im BMF folgende Vorgangsweise für die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer bei verdeckten Ausschüttungen festgelegt:

Bei verdeckten Ausschüttungen ist die KESt gemäß § 95 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in der Regel direkt an den/die Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben, somit an den/die Anteilsinhaber, dem/denen die verdeckte Ausschüttung zuzurechnen ist. Da die Vorschreibung an den Anteilsinhaber nach der Judikatur des BFG nicht im Ermessen der Behörde liegt, ist eine darauf gerichtete (Ermessens-)Begründung nicht notwendig.

Ein Heranziehen der ausschüttenden Körperschaft zur Haftung für die KESt (per Haftungsbescheid) ist in der Regel nachrangig zur Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge, aber bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für einen Haftungsbescheid weiterhin zulässig (siehe unten). Auch den Erkenntnissen des BFG vom 16.6.2014, RV/2100820/2011, und vom 26.9.2014, RV/2100325/2013, ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

Hinsichtlich der Verjährung ist bei verdeckten Ausschüttungen zu berücksichtigen, dass die KESt eine Erhebungsform der Einkommensteuer ist und somit das Recht, die KESt gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 vorzuschreiben, von der Verjährung des Rechts auf Festsetzung der Jahreseinkommensteuer abhängt (siehe zB VwGH 12.12.2007, 2006/15/0004; UFS 21.02.2008, RV/0189-W/06).

Die Außenprüfung einer Körperschaft iSd §§ 147 ff BAO stellt unter der Voraussetzung, dass die KESt vom Prüfungsauftrag umfasst und somit Gegenstand der vorgenommenen Prüfung ist, eine Verlängerungshandlung iSd § 209 BAO für eine Vorschreibung der KESt aufgrund einer verdeckten Ausschüttung dar; dies gilt sowohl für die Vorschreibung der KESt an den Anteilsinhaber, als auch für die Haftungsinanspruchnahme der ausschüttenden Körperschaft.

Ist hinsichtlich eines KESt-Haftungsbescheides ein Verfahren beim BFG oder beim VwGH anhängig, gilt es zu beachten, dass es hinsichtlich einer möglichen KESt-Vorschreibung an den Anteilsinhaber während des laufenden Verfahrens zu einer Verjährung des Anspruchs kommen kann, da kein Anwendungsfall von § 209a BAO vorliegt.

Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich somit folgende Vorgehensweise:

Vorgehensweise bei "Altfällen", in denen die KESt nicht dem Eigenschuldner, sondern ausschließlich der ausschüttenden Körperschaft per Haftungsbescheid vorgeschrieben wurde und eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid anhängig ist:

Bundesministerium für Finanzen, 30. März 2015

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 95 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

KESt-Vorschreibung, verdeckte Ausschüttung

Verweise:

§§ 147 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 206 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VwGH 29.03.2012, 2008/15/0170
VwGH 12.12.2007, 2006/15/0004
UFS 21.02.2008, RV/0189-W/06
BMF 05.10.2015, BMF-010203/0276-VI/1/2015

Stichworte