Definition
Die Abgabenbehörden haben auf die steuerliche Erfassung, gleichmäßige Behandlung der Abgabepflichtigen und Vermeidung von Abgabenverkürzungen zu achten. Weiters haben diese die für die Abgabenbemessung bedeutsamen Umstände zu erheben, zu sammeln und darüber Kontrollmitteilungen zu erstellen.
Abgabenbehörden können zur Gewinnung von für die Abgabenerhebung maßgeblichen Informationen allgemeine Aufsichtsmaßnahmen wie Erhebungen und Nachschauen (§§ 143 und 144 BAO) und Erhebungen sowie Beweisaufnahmen nach §§ 161, 164, 165, 169 ff und 182 BAO durchführen, sowie mit allen Dienststellen der Körperschaften des öffentlichen Rechtes unmittelbares Einvernehmen durch Ersuchschreiben pflegen (§ 158 f BAO).
Die BAO gilt in diesem Bereich uneingeschränkt.
Standard
Die Durchführung von Steueraufsichtsmaßnahmen zählt zu den Kernaufgaben der Finanzpolizei. Sämtliche Standards und Erlässe zur BAO sind daher zu beachten.
Die Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten der FinPol gliedern sich in folgende Bereiche:
Ermittlung der Grundlagen für die Abgabenerhebung, insbesondere
- Feststellung steuerlich nicht erfasster Unternehmen
- Feststellung steuerlich relevanter Sachverhalte (bspw. Tageslosungen, Grundlagen für lohnabhängige Abgaben usw.)
- Feststellung von Arbeitnehmer/innenbeschäftigung ohne Lohnabgabenabfuhr
- Feststellung der abgabenrechtlichen Grundlagen im Zusammenhang mit Glücksspiel
- Aufdeckung von Scheinselbständigkeit
- Aufdeckung von Verkürzungen an Selbstbemessungsabgaben
- Entdeckung steuerlich nicht erfasster Sachverhalte
Mitwirkung bei der Abgabenfestsetzung durch das zuständige Finanzamt, insbesondere
- Durchführung von Nachschauen (bspw. betr. Umsatzsteuer, Lohnabgaben, Vorauszahlungen an Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer)
- Ermittlung bzw. Grundlagenerhebung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
Mitwirkung bei der Einhebung und Einbringung, insbesondere
- Erhebungen zum Zwecke von Einbringungsmaßnahmen
- Ermittlung von Grundlagen für und Erstellung von Sicherstellungsaufträgen
- Vollziehung von Sicherstellungsaufträgen
- Ermittlungen zur Durchführung von Forderungspfändungen
- Durchführung von Inkassotätigkeit und Fahrnispfändungen
9.4.1. Befugnisausübung nach der Bundesabgabenordnung (BAO)
Definition
Die FinPol-Organe haben im Zuge einer Betriebskontrolle allgemeine Ermittlungen über abgabenrechtlich bedeutsame Umstände einer/eines Abgabepflichtigen zu tätigen und es sind sämtliche Bestimmungen der BAO uneingeschränkt zu beachten.
Auch im Zuge der Nachschau besteht für die zu Kontrollierenden die Möglichkeit der Selbstanzeige. Nicht rechtsfreundlich vertretene Personen sind über Ersuchen anzuleiten.
In diesem Fall ist die niederschriftliche Festhaltung ohne unnötigen Verzug der zuständigen Strafsachenstelle zu übermitteln.
Belehrungspflicht Auskunftspersonen
Auskunftspersonen sind über das Recht der Verweigerung der Aussage (§ 171 BAO) zu belehren. Zu beachten ist ferner, dass Personen, die nicht als Zeuginnen/Zeugen einvernommen werden dürfen (§ 170 BAO), auch nicht als Auskunftspersonen in Anspruch zu nehmen sind.
Örtliche Zuständigkeit
Für jeden Amtsbereich eines Finanzamtes ist ein Finanzpolizei-Team eingerichtet. Unbeschadet der dienstrechtlichen Zuordnung zur bundesweiten Organisationseinheit Finanzpolizei agiert dieses Team als Organ dieses Finanzamtes (Dienststellen-Finanzamt im Sinne des § 9 Abs. 4 AVOG 2010).
Erhebungs- und Nachschautätigkeiten können unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit durchgeführt werden. Bei diesen Amtshandlungen sind die Organe als Organe des jeweils zuständigen Finanzamtes tätig.
Die Erstmaßnahmen (einschließlich der Abfassung der Niederschrift) erfolgen grundsätzlich namens des Dienststellen-Finanzamtes. Sollte bereits vor der Amtshandlung (aufgrund der Risikoanalyse und Datenbankabfrage) eine abweichende örtliche Zuständigkeit feststehen, erfolgt die Amtshandlung namens des örtlich zuständigen Finanzamtes. Allfällige weitere Maßnahmen wie bspw. die Androhung/Festsetzung von Zwangsstrafen erfolgen jedenfalls namens des örtlich zuständigen Finanzamtes.
9.4.1.1. Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen
Die in der BAO definierten Zwangs- und Ordnungsstrafen können grundsätzlich bei jeder Aufgabenstellung der FinPol zur Durchsetzung der Amtsgewalt in abgabenrechtlichen Angelegenheiten Anwendung finden.
9.4.1.1.1. Zwangsstrafen (§ 111 BAO)
Definition
Die Zwangsstrafe bis zu 5.000 Euro soll die Partei oder die/der Abgabepflichtige bzw. die Auskunftsperson zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten anhalten. Eine mündliche Aufforderung und Androhung der Zwangsstrafe ist nur bei Gefahr im Verzug zulässig.
Gefahr im Verzug ist bpsw. gegeben, wenn zu befürchten ist, dass für den gegenständlichen Fall relevante Unterlagen später nicht mehr vorhanden sein werden bzw. nachträglich abgeändert werden.
Sobald der begründete Verdacht gegen die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber, die Beschäftigerin/den Beschäftiger, den Abgabepflichtigen/die Abgabepflichtig bzw. die Auskunftsperson hinsichtlich eines gerichtlich strafbaren Sozialbetrugstatbestandes oder eines Finanzvergehens entsteht, ist jedenfalls das Verbot des Zwangs zur Selbstbeschuldigung zu beachten und gegen die betreffende Person darf ab diesem Zeitpunkt eine Zwangsstrafe weder angedroht noch verhängt werden.
Standard
Bei FinPol-Kontrollen im Anwendungsbereich der BAO können insbesondere die Vorlage von Unterlagen, die Duldung einer Nachschau sowie das damit verbundene Betretungsrecht, die Einholung einer Zeugenaussage und die Hilfeleistung bei Amtshandlungen mittels Androhung einer Zwangsstrafe erzwungen werden. Das Vorliegen einer Situation, die Gefahr im Verzug darstellt, ist mittels Aktenvermerk zu dokumentieren. Bei Gefahr im Verzug erfolgt durch die Leiterin/den Leiter der Amtshandlung eine mündliche Androhung der Zwangsstrafe unter Angabe deren konkreter Höhe und Setzung einer situationsadäquaten Frist. Nach Ablauf der Frist ist die Zwangsstrafe bescheidmäßig schriftlich festzusetzen.
9.4.1.1.2. Ordnungsstrafen (§ 112 BAO)
Definition
Die Ordnungsstrafe bis zu 700 Euro dient der Wahrung der Ordnung und der sachlichen Durchführung von Amtshandlungen.
Standard
Die Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen Personen, die die Amtshandlung stören, setzt eine erfolglose Mahnung und die Androhung der Ordnungsstrafe voraus. Die jeweilige Ordnungsstörung sowie die Mahnung und Androhung der Ordnungsstrafe sind, so dies nicht bereits im Wege einer Niederschrift erfolgte, mittels Aktenvermerk genau zu dokumentieren. Verharrt die störende Person trotz Androhung der Ordnungsstrafe in ihrem Verhalten, so ist durch die Leiterin/den Leiter der Amtshandlung eine Ordnungsstrafe bescheidmäßig schriftlich festzusetzen (Zustellvollmacht ist zu beachten).
Personen, die die Amtshandlung stören, können nach erfolgter Ermahnung und Androhung ihre Entfernung zu verfügen auch tatsächlich von der Amtshandlung ausgeschlossen werden. Zur Durchsetzung dieser Maßnahme können Organe der öffentlichen Sicherheit herangezogen werden.
Gegen öffentliche Organe, die in Ausübung ihres Amtes als Vertreter/in einschreiten, und gegen Bevollmächtigte, die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind, ist, wenn sie einem Disziplinarrecht unterstehen, keine Ordnungsstrafe zu verhängen, sondern Anzeige an die Disziplinarbehörde zu erstatten (§ 112 Abs. 4 BAO).
9.4.1.1.3. Mutwillensstrafen (§ 112a BAO)
Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Abgabenbehörde eine Mutwillensstrafe bis 700 Euro verhängen.