Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Landwirte, Unternehmer, Unternehmereigenschaft, elektronische Dienstleistung, Sachbezug, Entgeltlichkeit, Vermietung eines Beförderungsmittels, gewöhnlicher Aufenthalt, Gutschein, Bemessungsgrundlage, Vorsteuerabzug, Umsatzsteuerbefreiung, Steuerschuld kraft Rechnungslegung, UID-Nummer, Kleinunternehmer, pauschalierter Land- und Forstwirt, Pauschalbesteuerung, Schenkung, Fruchtgenuss, Vorsteuerberichtigung, Eigenverbrauch, Dreiecksgeschäft, Einfuhrumsatzsteuer, innergemeinschaftliche Lieferung, innergemeinschaftlicher Erwerb, Zusammenfassende Meldung, Reihengeschäft, ruhende Lieferung, UID-Bestätigungsverfahren |
Verweise: | UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 181 |
1. Gemeinsamer Kauf einer Rübenerntemaschine durch mehrere Landwirte
1.1. Bezughabende Norm
§ 2 und § 12 UStG 1994, UStR 2000 Rz 181 und Rz 1804
1.2. Sachverhalt
Drei Landwirte A, B und C gründen eine GesbR und kaufen gemeinsam eine Rübenerntemaschine. Die Anschaffungskosten betragen 50.000 Euro (zuzüglich 20% USt) und werden von jedem Landwirt zu je 1/3 getragen. Die Landwirte bewirtschaften jeweils eigene landwirtschaftliche Betriebe, Landwirt A und B sind gemäß § 22 UStG 1994 pauschaliert, Landwirt C hat zur allgemeinen Steuerpflicht optiert. Die Rübenerntemaschine wird nur von den drei Landwirten genutzt, die dafür von der GesbR die tatsächlichen Kosten pro gefahrener Stunde (ohne AfA- Komponente) verrechnet bekommen.
Variante: Die Rübenerntemaschine wird sowohl an Dritte als auch an die drei Landwirte vermietet, die dafür ein Entgelt (tatsächliche Kosten/Stunde, mit AfA-Komponente plus 10% Gewinnaufschlag) an die GesbR zu entrichten haben. Entsprechende Inserate werden in lokalen Fachzeitungen geschaltet.
1.3. Fragestellung
1. Ist die GesbR Unternehmer iSd § 2 UStG 1994?
2. An wen ist die Eingangsrechnung zu fakturieren?
3. Wer ist aus der Eingangsrechnung zum Vorsteuerabzug berechtigt?
1.4. Lösung zu 1
Eine Personenvereinigung, die nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig ist, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 UStG 1994 Unternehmer sein (UStR 2000 Rz 181).
Die Unternehmereigenschaft (wirtschaftliche Tätigkeit) ist laut EuGH jedoch zu verneinen, wenn die Tätigkeit nicht zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird. Dazu ist die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu betrachten. Als zu prüfende Kriterien stellt der EuGH u.a. einen Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Steuerpflichtige den Gegenstand tatsächlich nutzt, verglichen mit jenen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (Fremdvergleich) auf, aber auch die Zahl der Kunden sowie die Höhe der Einnahmen sind neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung zu berücksichtigen (vgl. EuGH 26.9.1996, Rs C-230/94, Enkler). Auch das Verhalten des Leistenden, ob es zB von der Absicht der Unentgeltlichkeit, der Gefälligkeit, der familiären oder besonderen Nahebeziehung zum Kunden geprägt ist, ist für die Beurteilung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, von Bedeutung (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 2 Tz 58).
Da die GesbR für die Nutzung der Rübenerntemaschine kein fremdübliches Entgelt verlangt und dies außerdem in der besonderen Nahebeziehung zum Kunden (Gesellschafter) begründet ist, ist im konkreten Fall mangels Einnahmenerzielungsabsicht die Unternehmereigenschaft der GesbR zu verneinen.
Variante:
Einnahmenerzielung und in weiterer Folge die Unternehmereigenschaft ist hingegen zu bejahen, wenn die Überlassung - wie in der Variante - zu fremdüblichen Konditionen erfolgt.
1.5. Lösung zu 2 und 3
Kommt der GesbR keine Unternehmereigenschaft zu, ist nicht die GesbR, sondern sind die einzelnen Gesellschafter (Landwirte) Empfänger der Leistung. Die Umsatzsteuer aus dem Ankauf des Investitionsgutes ist im Verhältnis zum Anteil jedes einzelnen Gesellschafters aufzuteilen und der Vorsteuerabzug gemäß den allgemeinen Regeln für jeden einzelnen Gesellschafter zu gewähren (vgl. EuGH 21.4.2005, Rs C-25/03 , HE, sowie Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 12 Tz 81).
Da C zur Steuerpflicht optiert hat, hat er das Recht, einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil (1/3 von 10.000 €) als Vorsteuer abzuziehen, wobei es unschädlich ist, wenn die Rechnung nicht auf seinen Namen, sondern auf die GesbR ausgestellt ist und wenn in der Rechnung der auf C entfallende Teilbetrag des Preises und der Umsatzsteuer nicht ausgewiesen sind (vgl. EuGH 21.4.2005, Rs C-25/03 , HE ). Bei den Landwirten A und B ist der Vorsteuerabzug gemäß § 22 UStG 1994 abpauschaliert.
Variante:
Ist die GesbR Unternehmer und tritt sie beim Leistungsbezug als solcher auf - wie in der Variante - dann ist die GesbR Leistungsempfängerin (und nicht die einzelnen Landwirte). Die Rechnung muss auf die GesbR ausgestellt werden und diese ist auch zum Vorsteuerabzug aus dem Kauf der Rübenerntemaschine berechtigt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 12 Tz 82).
2. Leistungen eines Softwareentwicklers
2.1. Bezughabende Norm
§ 3a UStG 1994
2.2. Sachverhalt
Das amerikanische Unternehmen X betreibt einen Online-Software-Marktplatz, der es Benutzern von Smartphones und Tablets weltweit erlaubt, kostenpflichtige und kostenlose "Apps"(englische Kurzform für Application = Computerprogramm) auf ihre Geräte zu laden.
Der österreichische Softwareentwickler Ö schloss mit X einen Vertrag, aufgrund dessen X den Vertrieb, die Bereitstellung der Anwendung, das Marketing, die Durchführung der Zahlungsabwicklung sowie die Rechnungslegung an die Endkunden hinsichtlich der von Ö entwickelten Apps als Vermittler für Ö übernimmt. Ö übermittelt die von ihm entwickelte App elektronisch an X, der diese prüft und in weitere Folge über seinen App Store (= digitale Vertriebsplattform von Anwendungssoftware) auf digitalem Weg (über Internet) zu einem von Ö festgelegten Preisniveau an Endkunden vertreibt.
In seinen AGBs gegenüber dem Endkunden weist X darauf hin, dass er als Vermittler tätig ist und es zu einem direkten Leistungsaustausch zwischen Ö und dem Endkunden kommt. Auf der Vertriebsplattform findet sich diesbezüglich kein ausdrücklicher Hinweis. Die Rechnungslegung an den Endkunden geschieht durch X. In diesen Rechnungen scheint der Name des Ö als Entwickler der App auf, es fehlt jedoch ein ausdrücklicher Hinweis, dass Ö der Leistende ist.
2.3. Fragestellung
X bezahlt 70% der mit den Apps erzielten Erlöse an Ö und behält 30% ein.
Wer erbringt dem Endkunden gegenüber die Leistung?
Wie sind die verschiedenen Leistungsbeziehungen umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen?
2.4. Lösung
Leistungen sind demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringt (vgl. Melhardt/Tumpel, UStG, § 1 Anm. 80; Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 1 Tz 258). Wer bei einem Umsatz als Leistender angesehen wird, ergibt sich aus dem Außenverhältnis (VwGH 31.1.2001, 97/13/0066 ). Auch bei über das Internet bezogenen kostenpflichtigen Leistungen ist das Außenverhältnis wesentlich, dh. das Auftreten des Betreibers einer Internetseite dem Nutzer gegenüber. Der Betreiber einer Internetseite, der kostenpflichtige Leistungen anbietet, ist grundsätzlich als derjenige zu behandeln, der die dort angebotenen Leistungen erbracht hat. Der Nutzer, der über das Internet eine kostenpflichtige Leistung abruft, will grundsätzlich nur mit dem Betreiber in Geschäftsbeziehungen treten. Ihm sind etwaige Vereinbarungen zwischen dem Betreiber und einem Dritten weder bekannt noch von Interesse (vgl. BFH vom 15.5.2012, XI R 16/10 ).
Nur wenn der Betreiber einer Internetseite in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also im fremden Namen und für fremde Rechnung handelt, kann dessen Vermittlereigenschaft umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden (vgl. BFH vom 15.5.2012, XI R 16/10 ).
Mangels solcher ausdrücklichen Hinweise ist X als Betreiber der Internetseite, über die die Endkunden die entsprechenden Apps erwerben und somit als Leistender anzusehen. X erbringt daher an die Endkunden eine elektronische Dienstleistung iSd § 3a Abs. 14 Z 14 UStG 1994 , deren Leistungsort sich nach dem Empfängerort bestimmt ( § 3a Abs. 6 UStG 1994 bei Unternehmern, § 3a Abs. 13 lit. a UStG 1994 bei Nichtunternehmern mit Wohnsitz im Drittland oder § 3a Abs. 13 lit. b UStG 1994 bei Nichtunternehmern mit Wohnsitz in der EU).
Der Softwarehersteller Ö erbringt ebenfalls eine elektronische Dienstleistung an X, die gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 am Empfängerort des X steuerbar ist.
3. Sachbezug PKW über die Grenze
3.1. Bezughabende Norm
§ 3a Abs. 2 und Abs. 12 Z 2 UStG 1994, UStR 2000 Rz 489
3.2. Sachverhalt
Ein deutscher Arbeitgeber beschäftigt einen Dienstnehmer mit Hauptwohnsitz in Österreich und stellt ihm ein Firmenfahrzeug (PKW, angeschafft in Deutschland mit Vorsteuerabzug) zur Verfügung. Dieses darf der Dienstnehmer auch für private Fahrten benützen (Sachbezug).
Der Dienstnehmer kehrt täglich nach Österreich zurück (zB Grenzgänger).
Variante: Der Dienstnehmer übernachtet fallweise bzw. von Montag bis Freitag in Deutschland.
3.3. Fragestellung
Muss sich der deutsche Arbeitgeber beim Finanzamt Graz-Stadt registrieren lassen und die monatliche Umsatzsteuer für den Sachbezug abführen?
3.4. Lösung
Sachzuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer, für die dieser einen Teil seiner Arbeitsleistung aufwendet, stellen einen tauschähnlichen Umsatz dar (siehe UStR 2000 Rz 489 sowie Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 1 Tz 119 ff und § 3 Tz 185).
Von einer Entgeltlichkeit (tauschähnlichem Umsatz) kann ausgegangen werden, wenn das Fahrzeug dem Arbeitnehmer für eine gewisse Dauer und nicht nur gelegentlich zur Privatnutzung (zB aus besonderem Anlass) überlassen wird (vgl. dt. BMF-Schreiben vom 27. August 2004, GZ IV B 7-S7300-70/04).
Die Überlassung des Fahrzeuges stellt eine langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels dar und richtet sich ab 1.1.2013 nach § 3a Abs. 12 Z 2 UStG 1994 .
Für die Feststellung des Ortes der sonstigen Leistung ist gemäß § 3a Abs. 12 Z 2 erster Unterabsatz UStG 1994 der Wohnsitz bzw. der gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitnehmers ausschlaggebend. Hierbei werden die Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt nach Art. 12 bzw. Art. 13 DVO 282/2011 /EU definiert.
Gemäß Art. 13 der DVO 282/2011 /EU bestimmt sich der gewöhnliche Aufenthaltsort nach den persönlichen Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der natürlichen Person und einem Wohnort erkennen lassen. Der gewöhnliche Aufenthaltsort liegt daher im konkreten Fall (und auch bei der Variante) in Österreich.
Sofern der Arbeitgeber in Österreich keine Betriebsstätte hat und keine Umsätze aus der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes erzielt, ist für die Erhebung der Umsatzsteuer gemäß § 17 AVOG 2010 das Finanzamt Graz-Stadt zuständig. Der deutsche Unternehmer hat sich dort erfassen zu lassen und die Umsatzsteuer abzuführen.
4. Gutschein
4.1. Bezughabende Norm
§ 4 und § 16 UStG 1994, UStR 2000 Rz 652 und Rz 2394
4.2. Sachverhalt
Die Kunden eines österreichischen Unternehmers A erhalten beim Kauf eines bestimmten Produkts einen Gutschein für den Erwerb von näher bezeichneten Waren ihrer Wahl bei Vertragshändlern. Die Waren wurden von Dritten an die Vertragshändler verkauft. Die Ausstellung des Gutscheines erfolgt nach Abschluss des Kaufvertrags. Der Gutschein ist nummeriert und lautet auf einen bestimmten Betrag. Der Kunde kauft dann beim Vertragshändler einen Gegenstand, löst den Gutschein ein und zahlt nur den um den Gutschein verminderten Betrag. Der Vertragshändler meldet die Gutscheineinlösung an den österreichischen Unternehmer A und erhält dafür eine Gutschrift über den Gutschein-Nennwert.
Beispiel: Der Kunde kauft beim Vertragshändler einen Gegenstand um € 800 + € 160 USt. Der Kunde löst einen Gutschein lautend auf € 50 ein und bezahlt die restlichen € 910 bar. Der Vertragshändler meldet die Einlösung des Gutscheines an den österreichischen Unternehmer A und erhält eine sog. "Provisionsgutschrift".
4.3. Fragestellung
Wie ist dieser Sachverhalt umsatzsteuerlich beim Vertragshändler bzw. beim österreichischen Unternehmer A zu beurteilen?
4.4. Lösung
Bei Lieferungen und sonstigen Leistungen ( § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 ) wird der Umsatz nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (Solleinnahme). Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage ( § 4 Abs. 1 und Abs. 10 UStG 1994 ).
Die Kunden des österreichischen Unternehmers A wenden für den Kauf eines bestimmten Produkts den vereinbarten Kaufpreis auf. Soweit sie zusätzlich zur Ware noch einen Gutschein erhalten, haben sie weder zusätzlich zur Ware auch noch den Gutschein (zu einem Gesamtkaufpreis) gekauft noch einen Teil des in der Rechnung ausgewiesenen Kaufpreises für die Ware in Form des Gutscheins zurückerstattet bekommen (vgl. BFH 11.5.2006, V R 33/03 , BStBl. II 2006, S 699).
Legt der Unternehmer der verkauften Ware ein Werbegeschenk oder einen sonstigen Gegenstand von geringem Wert bei, so berührt dies den vereinbarten Kaufpreis regelmäßig nicht; vielmehr ist das Werbegeschenk eine zusätzliche unentgeltliche Leistung. Eine Minderung des Entgelts für den Warenbezug liegt insoweit nicht vor. Dasselbe gilt, wenn der Ware im allgemeinen Werbeinteresse ein Gutschein beigelegt wird, der für Leistungen eines Dritten eingelöst werden kann (vgl. BFH 11.5.2006, V R 33/03 , BStBl. II 2006, S 699 uVa EuGH 27.4.1999, Rs C-48/97 , Kuwait Petroleum ).
Die Ausgabe eines Gutscheins im Rahmen einer Werbemaßnahme, der einen Endabnehmer in die Lage versetzt, eine Leistung um den Nennwert des Gutscheins verbilligt zu erwerben, kann zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage führen ( UStR 2000 Rz 2394 uVa EuGH 24.10.1996, Rs C-317/94 , Elida Gibbs , sowie EuGH 15.10.2002, Rs C-427/98 , Kom/Deutschland ). Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt nicht in Betracht, wenn der mit dem eingelösten Gutschein verbundene finanzielle Aufwand vom Unternehmer aus allgemeinem Werbeinteresse getragen wird und nicht einem nachfolgenden Umsatz in der Leistungskette (Hersteller - Endabnehmer) zugeordnet werden kann ( UStR 2000 Rz 2394 mit Beispielen).
Letzteres ist im vorliegenden Sachverhalt der Fall, da die Gutscheine nur den Kunden des österreichischen Unternehmers A berechtigen, näher bezeichnete Waren ihrer Wahl bei Vertragshändlern (außerhalb der Leistungskette) um den laut Gutschein verminderten Betrag zu erwerben. Die Zahlung des (Teil)Entgelts durch den österreichischen Unternehmer A an die Vertragshändler nach Einlösung der Gutscheine durch die Kunden führt beim österreichischen Unternehmer A nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage für die an die Kunden ausgeführten Leistungen.
Was die Lieferung des Vertragshändlers betrifft (Verkauf eines Gegenstands an den Kunden des österreichischen Unternehmers A unter Einlösung des Gutscheins), ist davon auszugehen, dass der Vertragshändler die Lieferung an den Kunden erbringt. Die Zahlungen des österreichischen Unternehmers A an die Vertragshändler sind aus der Sicht des Vertragshändlers als Entgelt von dritter Seite (für die an den Kunden ausgeführte Lieferung) zu betrachten. Ist der Kunde ein Unternehmer im Sinne des § 2 UStG 1994 und wird die Lieferung für sein Unternehmen ausgeführt, kann der Kunde bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen den Vorsteuerabzug hinsichtlich des Gesamtentgelts vornehmen. Voraussetzung hierbei ist, dass der Vertragshändler in der Rechnung das Gesamtentgelt und die darauf entfallende Umsatzsteuer (unter Einbeziehung des Entgelts von dritter Seite) ausweist (vgl. UStR 2000 Rz 1513 ). Der österreichische Unternehmer A ist hinsichtlich der Lieferung des Vertragshändlers an den Kunden hingegen nicht (auch nicht im Umfang des Entgelts von dritter Seite) zum Vorsteuerabzug berechtigt (vgl. EuGH 7.10.2010, Rs C-53/09 und C-55/09 , Loyalty Management UK Ltd und Baxi Group Ltd ).
5. Ausbildungslehrgänge für Sozial- und Lebensberater
5.1. Bezughabende Norm
§ 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994, UStR 2000 Rz 876
5.2. Sachverhalt
Private Bildungsinstitute bieten u.a. auch zwei- bis sechssemestrige Ausbildungslehrgänge für Lebens- und Sozialberater an (ca. 360 Unterrichtseinheiten). Die erfolgreiche Absolvierung des Lehrganges ist eine der Voraussetzungen für die Erlangung des Befähigungsnachweises für das gemäß § 94 Z 46 in Verbindung mit § 119 GewO 1994 reglementierte Gewerbe der "Lebens- und Sozialberatung" (Berufsbezeichnung: "Diplom-Lebensberater/Diplom-Lebensberaterin").
Ab 1.1.2013 gibt es in allen Bundesländern erstmals Listen der anerkannten Erwachsenenbildungsträger für berufsbezogene Weiterbildung. In diesen Listen sind auch Bildungsträger enthalten, die Ausbildungslehrgänge für Lebens- und Sozialberater anbieten. Solche Lehrgänge werden aber auch von nicht in der Liste registrierten Bildungseinrichtungen durchgeführt.
5.3. Fragestellung
Steht für Umsätze aus Ausbildungslehrgängen zum Lebens- und Sozialberater die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 zu?
Kann die Erfassung in einer Liste der anerkannten Bildungsträger für die berufsbezogene Weiterbildung als Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Vergleichbarkeit mit öffentlichen Schulen herangezogen werden?
5.4. Lösung
Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemein bildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienender Fähigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen bzw. Universitäten oder Fachhochschulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird.
Nach Ansicht des VwGH ist es für die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 nicht erforderlich, dass die zu beurteilende Ausbildung tatsächlich auch von einer öffentlichen Schule bzw. Universität angeboten wird, zumal es - vor dem Hintergrund des Unionsrechts (vgl. Art. 132 Abs. 1 lit. i MwSt-RL 2006/112/EG ) - gerechtfertigt ist, diese Befreiungsvorschrift im Hinblick auf ihren Zweck nicht eng auszulegen (vgl. VwGH 29.2.2012, 2009/13/0016 , zu einer mehrsemestrigen, beruflichen Zusatzausbildung in der Theorie und Methodik der Sensorischen Integrationstherapie, einer Zusatzqualifikation im Rahmen des Berufsfeldes der Ergotherapie). Nach UStR 2000 Rz 876 kann von einer Vergleichbarkeit mit öffentlichen Schulen ausgegangen werden, wenn eine aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung behördlich anerkannte und öffentlich kundgemachte Ausbildungseinrichtung privaten Rechts eine gesetzlich oder mittels Verordnung geregelte mehrsemestrige Berufsausbildung in vollem Umfang anbietet, wie zB Ausbildungseinrichtungen iSd § 23 Zivilrechts-Mediations-Gesetz , BGBl. I Nr. 29/2003 idgF, mit der Ausbildung zum eingetragenen Mediator (vgl. § 3 der Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung , BGBl. II Nr. 47/2004 idgF). Dies gilt unabhängig davon, ob eine entsprechende Ausbildung tatsächlich von einer öffentlichen Schule bzw. Hochschule angeboten wird. Der beruflichen Fort- oder Weiterbildung dienende Bildungsleistungen derartiger Einrichtungen sind jedoch von der Steuerbefreiung ausgenommen (vgl. UStR 2000 Rz 876 ).
Gesetzliche Regelungen zum gemäß § 94 Z 46 GewO 1994 reglementierten Gewerbe "Sozial- und Lebensberater" finden sich in § 119 GewO 1994 . Der Nachweis der fachlichen Qualifikation zum Antritt des Gewerbes der Lebens- und Sozialberatung ist in § 1 der Lebens- und Sozialberatungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 140/2003 , zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 112/2006 , umfassend geregelt. Dazu gehört u.a. auch das Zeugnis über den erfolgreichen Abschluss des Lehrganges für Lebens- und Sozialberatung. Dieser Lehrgang muss gemäß § 5 Abs. 1 der VO an einer Ausbildungseinrichtung absolviert worden sein, deren Lehrgangsveranstaltung durch die beim Allgemeinen Fachverband des Gewerbes eingerichtete Zertifizierungsstelle ( § 119 Abs. 5 GewO 1994 ) genehmigt wurde. Diese Genehmigung ist auf Antrag bei Erfüllung aller im Gesetz taxativ aufgezählten Voraussetzungen (zB Nachweis der erforderlichen fachlichen Eignung der für die Lehrgangsveranstaltung verantwortlichen Personen und Vortragenden; Nachweis der Verfügbarkeit der zur Ausbildung erforderlichen Einrichtung und Ausstattung) zu erteilen. Zeugnisse über nicht genehmigte Lehrgänge sind bei der Anmeldung des Gewerbes nicht zu berücksichtigen.
Im Anhang zur Lebens- und Sozialberatungs-VO werden die Gegenstände des Lehrganges einschließlich der im betreffenden Gegenstand zu behandelnden Themen und die für den jeweiligen Gegenstand maßgebende Mindestanzahl von Stunden festgelegt. Demnach hat der Lehrgang insgesamt mindestens 584 Stunden in mindestens fünf Semestern zu umfassen. Die Ausbildungseinrichtung hat den Lernerfolg nachprüfbar schriftlich und mündlich zu prüfen.
Bei der Durchführung von Lehrgängen für Lebens- und Sozialberatung, die in vollem Umfang den Vorgaben der Lebens- und Sozialberatungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 140/2003 idF BGBl. II Nr. 112/2006 entsprechen, durch eine gemäß § 119 Abs. 5 GewO 1994 zertifizierte Ausbildungseinrichtung kann davon ausgegangen werden, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. UStR 2000 Rz 876 ). Die daraus erzielten Umsätze fallen daher unter die Steuerbefreiungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994 .
Die WKÖ veröffentlicht auf ihrer Homepage im Rahmen ihrer Informationen zur Berufsgruppe der Lebens- und Sozialberater eine Liste der gemäß § 119 Abs. 5 GewO 1994 zertifizierten und zur Abhaltung von Lehrgängen für Lebens- und Sozialberatung berechtigten Ausbildungseinrichtungen. Die in dieser Liste erfassten Lehrgangsanbieter können die Steuerbefreiung anwenden, wenn die für die Zertifizierung maßgeblichen Voraussetzungen (zB Ausbildungscurriculum mit den vorgeschriebenen Lehrinhalten) tatsächlich erfüllt werden.
Die Erfassung in anderen (allgemeineren) Listen über anerkannte Erwachsenenbildungsträger (zB ÖCert-Verzeichnis der Qualitätsanbieter) kann im Einzelfall zwar ein Anhaltspunkt für die Vergleichbarkeit mit öffentlichen Schulen sein (zB Akkreditierung bestimmter Qualitätsstandards bei den durchgeführten Bildungsveranstaltungen), ersetzt aber nicht die lehrgangsbezogene Beurteilung anhand der dargelegten Kriterien.
6. Steuerschuld kraft Rechnungslegung
6.1. Bezughabende Norm
§ 6 Abs. 1 Z 27 und § 11 Abs. 12 UStG 1994
6.2. Sachverhalt
Ein unecht steuerbefreiter Kleinunternehmer stellt Umsatzsteuer in Rechnung. Da dem Kleinunternehmer vom Finanzamt keine UID-Nummer erteilt wurde, enthält die Rechnung keine UID-Nummer. Für den betreffenden Veranlagungszeitraum wurde bzw. wird vom Kleinunternehmer keine Optionserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 abgegeben.
6.3. Fragestellung
Schuldet der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung oder liegt eine mangelhafte Rechnung vor, die eine Steuerschuld verhindert?
6.4. Lösung
Der Unternehmer schuldet für einen Umsatz grundsätzlich jenen Steuerbetrag, der sich bei Heranziehung des Entgeltes unter Anwendung des entsprechenden Steuersatzes ergibt. Hat der Unternehmer jedoch in einer Rechnung für eine tatsächlich ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag aufgrund der Rechnung gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 (vgl. UStR 2000 Rz 1733 ).
Nach § 11 Abs. 1 Z 3 lit. i UStG 1994 idF AbgÄG 2012 hat eine Rechnung, soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu enthalten. Da der Kleinunternehmer keine Leistungen im Inland erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, ist die Angabe einer UID in einem solchen Fall auch kein notwendiges Rechnungsmerkmal. Die vom Kleinunternehmer ausgestellte Rechnung erfüllt somit alle Anforderungen des § 11 Abs. 1 UStG 1994 und weist unrichtig einen Umsatzsteuerbetrag aus, der aufgrund der erbrachten Leistung nicht geschuldet wird. Es kommt somit § 11 Abs. 12 UStG 1994 zur Anwendung. Der Kleinunternehmer schuldet den ausgewiesenen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt.
7. Rückwechsel eines Land- und Forstwirts zur Pauschalbesteuerung bei aufrechtem Verzicht auf die Kleinunternehmerbefreiung
7.1. Bezughabende Norm
§ 6 Abs. 3 UStG 1994 und § 22 Abs. 6 UStG 1994
7.2. Sachverhalt
Ein pauschalierter Land- und Forstwirt optiert gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 mit Wirkung ab 1.1.2008 zur Regelbesteuerung. Da seine Umsätze in den Jahren 2010 und 2011 die Kleinunternehmergrenze von € 30.000 unterschreiten, verzichtet er gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 mit Wirkung ab 1.1.2010 auch auf die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung. Nach Ablauf der fünfjährigen Bindung gibt der Landwirt im Jänner 2013 beim Finanzamt eine schriftliche Widerrufserklärung iSd § 22 Abs. 6 UStG 1994 ab, aus der hervorgeht, dass er ab 1.1.2013 wieder in die Pauschalbesteuerung gemäß § 22 Abs. 1 bis Abs. 5 UStG 1994 wechseln möchte.
7.3. Fragestellung
Ist dieser Rückwechsel zur Durchschnittssatzbesteuerung trotz der noch nicht abgelaufenen fünfjährigen Bindung des Unternehmers an den Verzicht auf die Kleinunternehmerbefreiung zulässig?
7.4. Lösung
§ 22 UStG 1994 hat als Spezialregelung für nichtbuchführungspflichtige land- und forstwirtschaftliche Betriebe Vorrang vor der Kleinunternehmerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 (vgl. Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 22 Tz 39/1). Auch wenn die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bewirkten Umsätze unter der Kleinunternehmergrenze liegen, kommt für sie daher die Pauschalbesteuerung nach § 22 Abs. 1 UStG 1994 zur Anwendung und der Landwirt darf Rechnungen mit Steuerausweis (Pauschalsteuersatz) ausstellen.
Hat der Unternehmer während der Regelbesteuerung auf die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung verzichtet und wechselt er in der Folge nach Ablauf der fünfjährigen Bindung gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 fristgerecht wieder in die Pauschalbesteuerung zurück, entfaltet die aufgrund des Verzichtes auf die Kleinunternehmerbefreiung ausgelöste und im Zeitpunkt des Rückwechsels noch nicht abgelaufene fünfjährige Bindung ( § 6 Abs. 3 UStG 1994 ) somit hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Umsätze für die Zeiträume der Pauschalbesteuerung keine rechtliche Wirkung. Der entsprechend den Bestimmungen des § 22 Abs. 6 UStG 1994 erfolgende Widerruf der Optionserklärung mit Wirkung ab 1.1.2013 ist daher zulässig, obwohl die fünfjährige Bindung an den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerbefreiung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist.
Wechselt der Unternehmer innerhalb dieser fünfjährigen Frist wiederum zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften (zB mit Wirkung ab 1.1.2014), entfaltet jedoch die Bindung an die - ab dem Veranlagungszeitraum 2010 rechtswirksame - Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 auch hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Umsätze wieder Wirksamkeit und gilt bis zum schriftlichen Widerruf durch den Unternehmer (im Beispiel frühestens mit Wirkung ab 1.1.2015 möglich) oder einem neuerlichen Wechsel zur Pauschalbesteuerung (im Beispiel frühestens mit Wirkung ab 1.1.2019 möglich).
Erzielt der Land- und Forstwirt auch Umsätze außerhalb seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, die nach den allgemeinen Bestimmungen des UStG 1994 zu besteuern sind (zB Vermietung einer Eigentumswohnung), bleiben die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 3 UStG 1994 für diese Umsätze - auch nach Rückkehr in die Pauschalierung nach § 22 UStG 1994 - uneingeschränkt aufrecht.
8. Schenkung und Einräumung des Fruchtgenusses
8.1. Bezughabende Norm
§ 11, § 12 Abs. 10 und Abs. 15 UStG 1994
8.2. Sachverhalt
Ein Alleineigentümer hat per 1.1.2013 eine Immobilie, die sowohl für die Erzielung von Vermietungsumsätzen als auch für private Wohnzwecke genutzt wird, an seine Kinder übertragen. Diese räumen ihrer Mutter (Ehegattin des vormaligen Alleineigentümers) hinsichtlich der vermieteten Liegenschaftsanteile ein lebenslängliches Fruchtgenussrecht ein. Sämtliche Aufwendungen und Ausgaben (insb. Instandsetzungen) iZm der Vermietung sind von der Fruchtgenussberechtigten zu tragen.
Die Vermietungen erfolgen einerseits für Wohnzwecke und anderseits für unternehmerische Zwecke an eine Psychologin, die selbst unecht befreite Umsätze ausführt, sowie an einen Verein (Kindergarten und Krabbelstube) mit steuerpflichtigen Umsätzen. Hinsichtlich der Vermietungsumsätze, die grundsätzlich gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 steuerbefreit wären, wurde vom bisherigen Alleineigentümer zur Umsatzsteuerpflicht optiert.
Dem Alleineigentümer wurde das Haus vor Jahren im Erbweg und durch Schenkung zugewendet.
8.3. Fragestellung
1. Ist eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 12 Abs. 10 UStG 1994 für eventuell geltend gemachte Vorsteuern aus Herstellungs- und Anschaffungskosten oder Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten vorzunehmen?
2. Wenn ja, kann man diese Korrektur an die Schenkungsnehmer (Kinder) weiter verrechnen oder muss man diese an die Fruchtgenussberechtigte verrechnen?
3. Liegen im Hinblick auf das 1. StabG 2012 neue Mietverhältnisse vor?
4. Wie sind die Dauerrechnungen für die Mieter, die Betriebskostenabrechnungen und die Aufwandsrechnungen für Instandhaltung, Reparaturen, Müllgebühren, Hausverwaltung etc. formell richtig auszustellen?
8.4. Lösung zu 1
Nach § 3 Abs. 2 UStG 1994 wird die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Die Schenkung der Liegenschaft ist daher grundsätzlich ein steuerbarer Vorgang (vgl. UStR 2000 Rz 790 ). Dieser ist jedoch nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 unecht von der Umsatzsteuer befreit. Soweit Vorsteuerbeträge auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen und abziehbar waren, ist innerhalb des Vorsteuerberichtigungszeitraumes des § 12 Abs. 10 ff UStG 1994 eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen.
8.5. Lösung zu 2
Eine Vorsteuerberichtigung, die wegen steuerfreiem Eigenverbrauch bzw. ab 1. Mai 2004 wegen einem nicht steuerbaren Eigenverbrauch eines vorher zur Ausführung nicht unecht befreiter Umsätze verwendeten Grundstückes vorzunehmen ist, darf nicht nach § 12 Abs. 15 UStG 1994 in Rechnung gestellt werden, weil diese nicht für, sondern nur mittelbar wegen des Eigenverbrauches geschuldet wird ( UStR 2000 Rz 2152 ).
Zwar ist auch bei einem gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 steuerfreien Entnahmeeigenverbrauch nach § 3 Abs. 2 UStG 1994 eine Option nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 zur Steuerpflicht möglich (siehe UStR 2000 Rz 797 ), doch wäre auch in diesem Fall eine Weiterleitung der aufgrund der steuerpflichtigen Entnahme geschuldeten Umsatzsteuer nicht zulässig. Nach § 12 Abs. 15 UStG 1994 ist ein Unternehmer berechtigt, dem Empfänger einen für eine Entnahme gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 geschuldeten Steuerbetrag gesondert in Rechnung zu stellen, wenn er diese an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbringt. Im vorliegenden Fall erfolgt die Entnahme jedoch für die Kinder, die das Gebäude selbst nicht unternehmerisch nutzen und die Schenkung daher jedenfalls nicht im Rahmen ihres Unternehmens beziehen. Eine Steuerweiterleitung an die Entnahmebegünstigten ist daher beim vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen.
8.6. Lösung zu 3
Nach UStR 2000 Rz 899c ist die Neuregelung auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem 31. August 2012 beginnen. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern die faktische Begründung des Miet- bzw. Pachtverhältnisses, somit die tatsächliche Innutzungnahme des Gebäudes bzw. Gebäudeteiles. Ein Wechsel auf Mieter- oder Vermieterseite begründet für Umsatzsteuerzwecke ein neues Miet- bzw. Pachtverhältnis. Dies gilt mangels Unternehmeridentität auch dann, wenn der Wechsel im Zuge einer nicht steuerbaren Rechtsnachfolge (zB Erbfolge, Umgründung) erfolgt.
§ 6 Abs. 2 UStG 1994 idF 1. StabG 2012 ist daher anzuwenden. Die Fruchtgenussberechtigte kann als nunmehrige Vermieterin hinsichtlich des Mietverhältnisses mit der Psychologin nur dann zur Steuerpflicht optieren, wenn diese den angemieteten Gebäudeteil nahezu ausschließlich (zu mindestens 95 %) für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
8.7. Lösung zu 4
Vermieterin ist die Fruchtgenussberechtigte. Diese hat die Rechnungen im eigenen Namen nach den allgemeinen Bestimmungen auszustellen. Hinsichtlich allfälliger Dauerrechnungen ist auf UStR 2000 Rz 1524a zu verweisen. Demnach kann der Vorsteuerabzug abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass nach der Leistungserbringung begrifflich keine Anzahlungen mehr möglich sind, entsprechend den geleisteten Zahlungen in sinngemäßer Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 1 zweiter Satz UStG 1994 vorgenommen werden, wenn bei Miet-, Pacht-, Wartungs- oder ähnlichen Leistungen Entgelte und die darauf entfallenden Steuerbeträge für zukünftige Leistungen in Rechnung gestellt werden.
Ein Vorsteuerabzug ohne Zahlung auf Grund einer solchen Rechnung ist in diesen Fällen nicht zulässig. Weiters kann bei Anzahlungsrechnungen betreffend die genannten Leistungen die Angabe des Leistungszeitraumes auch in der Weise erfolgen, dass der Beginn des Leistungszeitraumes mit dem Zusatz angeführt wird, dass die Vorschreibung (= Anzahlungsrechnung) bis zum Ergehen einer neuen Vorschreibung gilt.
9. Dreiecksgeschäft nach Einfuhr aus Drittland
9.1. Bezughabende Norm
§ 3 Abs. 7, § 3 Abs. 8, § 3 Abs. 9, Art. 1, Art. 3 und Art. 25 UStG 1994
9.2. Sachverhalt
Der russische Produzent (RUS) vereinbart mit dem niederländischen Großhändler NL die Lieferung einer Ware unter der Lieferkondition "verzollt und versteuert".
NL hat seinerseits noch vor Beginn des Warentransports mit seinem Abnehmer, dem Einzelhändler D in Deutschland, die Weiterlieferung dieser Ware vereinbart.
Die Ware wird im Auftrag des russischen Herstellers RUS direkt an den letzten Abnehmer D nach Deutschland versendet.
Der russische Unternehmer RUS erteilt den Auftrag zur zollrechtlichen Abfertigung der Ware für den freien Verkehr in Österreich. RUS ist beim FA Graz Stadt umsatzsteuerlich erfasst und verfügt über eine österreichische UID.
Variante 1:
Der russische Produzent (RUS) vereinbart mit dem österreichischen Großhändler Ö die Lieferung einer Ware unter der Lieferkondition "verzollt und versteuert".
Ö hat seinerseits noch vor Beginn des Warentransports mit seinem Abnehmer, dem Einzelhändler NL in den Niederlanden, die Weiterlieferung dieser Ware vereinbart.
Die Ware wird im Auftrag des russischen Herstellers RUS direkt an den letzten Abnehmer NL in die Niederlande versendet.
Der russische Unternehmer RUS erteilt den Auftrag zur zollrechtlichen Abfertigung der Ware für den freien Verkehr in Deutschland. RUS ist in Deutschland umsatzsteuerlich erfasst und verfügt über eine deutsche UID.
Variante 2:
Der russische Produzent (RUS) vereinbart mit dem niederländischen Großhändler NL die Lieferung einer Ware unter der Lieferkondition "verzollt und versteuert".
NL hat seinerseits noch vor Beginn des Warentransports mit seinem Abnehmer, dem Einzelhändler Ö in Österreich, die Weiterlieferung dieser Ware vereinbart.
Die Ware wird im Auftrag des russischen Herstellers RUS direkt an den letzten Abnehmer Ö nach Österreich versendet.
Der russische Unternehmer RUS erteilt den Auftrag zur zollrechtlichen Abfertigung der Ware für den freien Verkehr in Deutschland. RUS ist in Deutschland umsatzsteuerlich erfasst und verfügt über eine deutsche UID.
9.3. Fragestellung
Wie sind der Ausgangssachverhalt und die beiden Varianten zu beurteilen?
Kann gegebenenfalls bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die Dreiecksgeschäftsregelung iSd Art. 25 UStG 1994 für Ö
- als Erwerber
- als Empfänger
zur Anwendung gelangen?
9.4. Lösung
Im Ausgangssachverhalt sowie den Varianten liegen Reihengeschäfte vor, da mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über jeweils denselben Liefergegenstand abschließen und dabei der Liefergegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt. Dabei ist zu beachten, dass die Versendung oder Beförderung (Warenbewegung) nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann (zu Reihengeschäften siehe auch EuGH 06.04.2006, Rs C-245/04 , EMAG Handel Eder , sowie UStR 2000 Rz 450 ).
Da RUS den Versendungsauftrag erteilt hat, kann die Warenbewegung der ersten Lieferung (RUS -> NL) zugeordnet werden. Damit ist die zweite Lieferung (NL -> D) eine ruhende Lieferung, bei der sich der Lieferort dort befindet, wo dem letzten Abnehmer D tatsächlich die Verfügungsmacht über die Waren verschafft wird (iSd § 3 Abs. 7 UStG 1994 ).
Die Lieferkondition "verzollt und versteuert" ist ein Indiz dafür, dass sich der Lieferort für die Lieferung des RUS an NL iSd § 3 Abs. 9 UStG 1994 nach Österreich verlagert, maßgeblich hierfür ist jedoch - unabhängig von den Lieferkonditionen - wer nach den zollrechtlichen Vorschriften Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist (siehe UStR 2000 Rz 466 ).
Zufolge UStR 2000 Rz 466 letzter Absatz kann weiters in den Fällen des Reihengeschäftes eine Verlagerung des Lieferortes nach § 3 Abs. 9 UStG 1994 nur für die Beförderungs- oder Versendungslieferung ( § 3 Abs. 8 UStG 1994 ) in Betracht kommen. Diese Voraussetzung ist im gegenständlichen Fall für die Lieferung des RUS an NL erfüllt.
Wird RUS Schuldner der EUSt, befindet sich der Ort seiner Lieferung gemäß § 3 Abs. 9 UStG 1994 in Österreich. Diese Lieferung des RUS ist gleichzeitig eine innergemeinschaftliche Lieferung, da die Warenbewegung in einem anderen Mitgliedstaat endet; dass der Lieferort gemäß § 3 Abs. 9 UStG 1994 nach Österreich verlagert wurde, steht dem nicht entgegen (siehe auch UStR 2000 Rz 3982 ). Die innergemeinschaftliche Lieferung des RUS kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 UStG 1994 steuerfrei sein. Der innergemeinschaftlichen Lieferung des RUS steht ein innergemeinschaftlicher Erwerb des NL in Deutschland gegenüber, da dort die Warenbewegung an ihn endet ( Art. 40 MwSt-RL 2006/112/EG , bzw. für den österreichischen Rechtsbereich Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 ).
Da die zweite Lieferung in diesem Reihengeschäft die so genannte "ruhende Lieferung" ist, liefert NL mit Verschaffung der Verfügungsmacht an D in Deutschland.
Für NL wären mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb und der in Deutschland steuerbaren ruhenden Lieferung grundsätzlich Registrierungs- und Meldepflichten verbunden. Für solche Reihengeschäfte mit drei Unternehmern in drei verschiedenen Mitgliedstaaten erlaubt die so genannte "Dreiecksgeschäftsregelung" Vereinfachungen. Unionsrechtliche Rechtsgrundlage ist die RL 92/111/EWG des Rates vom 14. 12. 1992 (1. Vereinfachungs-RL), die Vereinfachungsregelung sieht für den mittleren und den letzten an einem solchen Reihengeschäft beteiligten Unternehmer besondere Erklärungs-, Melde- und Rechnungslegungspflichten vor, um dem mittleren Unternehmer eine Registrierung im Bestimmungsland der Waren zu ersparen.
Die entsprechende Regelung für den österreichischen Rechtsbereich befindet sich in Art. 25 UStG 1994 . Diese Vorschrift enthält im Wesentlichen neben einer Definition des Dreiecksgeschäfts Sondervorschriften für den mittleren Unternehmer (den Erwerber) sowie die Bestimmung, dass der letzte Unternehmer in der Reihe (der Empfänger) Steuerschuldner für die zweite Lieferung wird.
Im gegenständlichen Reihengeschäft ist Österreich der Abgangsstaat der Waren, der in Österreich steuerbare Umsatz ist die innergemeinschaftliche Lieferung des ersten Lieferers (RUS). Maßgeblich für die Beurteilung dieser innergemeinschaftlichen Lieferung und einer allfälligen Steuerbefreiung ist insbesondere Art. 7 UStG 1994 , da Art. 25 UStG 1994 keine Sonderbestimmung für den ersten Lieferer eines Dreiecksgeschäfts enthält.
Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer allfälligen Steuerbefreiung ergeben sich somit lediglich aus Art. 7 UStG 1994 . Wie bereits zuvor ausgeführt, ist der Umstand, dass die Waren zuvor aus dem Drittland eingeführt worden sind, nicht schädlich für die Steuerbefreiung. Auch der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen generell hinsichtlich der Zusammenfassenden Meldungen zu beachtende Art. 21 UStG 1994 sieht keine Sonderbestimmungen für den ersten Lieferer in einem solchen Reihengeschäft vor.
Die Beurteilung der weiteren Umsätze in diesem Reihengeschäft fällt in die Zuständigkeit der ebenfalls beteiligten Mitgliedstaaten, somit jedenfalls in die Zuständigkeit der deutschen Finanzverwaltung und - sofern NL mit seiner niederländischen UID auftritt und dadurch einen innergemeinschaftlichen Erwerb iSd Art. 41 Abs. 1 MwSt-RL 2006/112/EG (in Österreich: Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 ) bewirkt - der niederländischen Finanzverwaltung.
Variante 1:
Da RUS den Versendungsauftrag erteilt hat, kann die Warenbewegung der ersten Lieferung (RUS -> Ö) zugeordnet werden. Damit ist die zweite Lieferung (Ö -> NL) eine ruhende Lieferung, bei der sich der Lieferort dort befindet, wo dem letzten Abnehmer NL tatsächlich die Verfügungsmacht über die Waren verschafft wird (iSd § 3 Abs. 7 UStG 1994 ).
Die Lieferkondition "verzollt und versteuert" ist hier ein Indiz dafür, dass sich bei der Lieferung des RUS an Ö der Lieferort nach Deutschland verlagert; zufolge § 3 Abs. 8 des deutschen UStG, einer inhaltlich mit § 3 Abs. 9 UStG 1994 vergleichbaren Bestimmung, ist dies grundsätzlich möglich. Für die weitere Beurteilung wird daher unterstellt, dass die Lieferung des RUS an Ö tatsächlich in Deutschland steuerbar ist.
Wie im Ausgangssachverhalt ist die Lieferung des RUS gleichzeitig eine innergemeinschaftliche Lieferung, da die Warenbewegung in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich den Niederlanden, endet; die innergemeinschaftliche Lieferung des RUS an Ö kann bei Vorliegen der nach dem deutschen UStG hierfür vorgesehenen Voraussetzungen steuerfrei sein. Der innergemeinschaftlichen Lieferung des RUS steht ein innergemeinschaftlicher Erwerb des Ö in den Niederlanden gegenüber, da hier die Warenbewegung an ihn endet ( Art. 40 MwSt-RL 2006/112/EG ; bzw. aus österreichischer Sicht iSd Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 ).
Da die zweite Lieferung in diesem Reihengeschäft die so genannte "ruhende Lieferung" ist, liefert weiters Ö mit Verschaffung der Verfügungsmacht an NL in den Niederlanden.
Für Ö - als mittlerem Unternehmer in diesem Reihengeschäft - wären mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb und der in den Niederlanden steuerbaren ruhenden Lieferung grundsätzlich Registrierungs- und Meldepflichten verbunden (siehe oben).
Tritt Ö außerdem unter seiner österreichischen UID auf, bewirkt er zufolge Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 auch in Österreich einen innergemeinschaftlichen Erwerb.
Weist Ö jedoch iSd Art. 25 Abs. 2 und Abs. 6 UStG 1994 das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes iSd Art. 25 UStG 1994 nach und dass er seinen dort geregelten Erklärungspflichten nachgekommen ist, gilt dieser innergemeinschaftliche Erwerb in Österreich als besteuert. Weiters sieht die (unionsrechtliche) Vereinfachungsregelung vor, dass bei entsprechender Vorgangsweise eine Registrierung im Bestimmungsmitgliedstaat vermieden wird (siehe oben bzw. UStR 2000 Rz 4292 ).
Aus Art. 25 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 6 UStG 1994 , die die Voraussetzungen für die Vereinfachung für den Fall regeln, dass ein Unternehmer mit österreichischer UID der mittlere Unternehmer (Erwerber) in einem Dreiecksgeschäft ist, ergeben sich keine Einschränkungen dahingehend, dass die in Deutschland steuerbar gelieferten Waren nicht zuvor aus einem Drittland eingeführt worden sein durften. Die für den österreichischen Erwerber in diesem Reihengeschäft maßgeblichen Vorschriften iSd Art. 25 UStG 1994 können daher beim Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen zur Anwendung gelangen.
Variante 2:
Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung entspricht Variante 1 mit dem Unterschied, dass aufgrund der in Österreich endenden Warenbewegung sowohl der innergemeinschaftliche Erwerb iSd Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 als auch die anschließende ruhende Lieferung in Österreich bewirkt werden. Sofern NL unter einer niederländischen UID auftritt, ergibt sich für ihn ein innergemeinschaftlicher Erwerb iSd Art. 41 Abs. 1 MwSt-RL 2006/112/EG (in Österreich: Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 ), für dessen Beurteilung die niederländische Finanzverwaltung zuständig ist. Es kann aber grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Niederlande die nach dem Unionsrecht vorgesehenen Vereinfachungsregelungen für Dreiecksgeschäfte ebenfalls umgesetzt haben.
Liegt der Lieferort der zweiten, ruhenden Lieferung in einem Reihengeschäft mit drei verschiedenen Unternehmern in drei verschiedenen Mitgliedstaaten in Österreich und sind auch sonst alle Voraussetzungen für die vereinfachende Dreiecksgeschäftsregelung erfüllt (insbesondere Erklärungs-, Melde- und Rechnungslegungspflichten des mittleren Unternehmers), geht zufolge Art. 25 Abs. 5 UStG 1994 die Steuerschuld für diese Lieferung auf den letzten Abnehmer Ö über. Weiters muss Ö diese Umsätze, für die er die Steuer schuldet, in seiner Umsatzsteuererklärung bekanntgeben ( Art. 25 Abs. 7 UStG 1994 ).
Da sich auch aus diesen Regelungen keine Einschränkungen dahingehend ergeben, dass die gelieferten Gegenstände nicht zuvor aus einem Drittland eingeführt worden sein durften, steht der Anwendung der Dreiecksgeschäftsregelung iSd Art. 25 UStG 1994 für den österreichischen Letztabnehmer (Empfänger) beim Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen nichts entgegen.
10. UID von Briefkastenfirmen
10.1. Bezughabende Norm
Art. 28 UStG 1994 (UStR 2000 Rz 4344)
10.2. Sachverhalt
Im Zuge einer Betriebsprüfung wird festgestellt, dass ein Unternehmer, der in der Mitte einer Fakturenkette von Reihengeschäften oder sonstigen Leistungen tätig wird, an der beim Finanzamt angegebenen Sitz-Adresse keine Tätigkeit ausübt.
Konkret ergeben die Ermittlungen, dass diese Adresse von dutzenden Gesellschaften, die dort über keine eigenen Büroräume, über keine geeigneten Telefon- und Telefaxanschlüsse, über kein eigenes Personal und keinen Geschäftsbetrieb verfügen, als Sitz-Adresse bekannt gegeben wird (Briefkastenfirmen).
Bei der in Prüfung befindlichen Gesellschaft handelt es sich jedenfalls nicht um eine Scheinfirma. Allerdings konnte nicht ermittelt werden, wo die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird.
Die Abrechnung über die erbrachten Leistungen (steuerfreie ig Lieferungen bzw. am Empfängerort steuerbare sonstige Leistungen) erfolgt ohne Ausweis der österreichischen Umsatzsteuer.
10.3. Fragestellung
Kann die Feststellung der Betriebsprüfung, dass es sich bei der angegebenen Adresse nur um eine "Briefkastenadresse" handelt, zu einer Aberkennung der UID führen?
10.4. Lösung
Nach Art. 28 UStG 1994 ist der Bescheid über die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zurückzunehmen, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer maßgebend gewesen sind oder wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse zu Unrecht angenommen worden ist. Der Unternehmer ist verpflichtet, jede Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die für die Erteilung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer maßgebend gewesen sind, insbesondere die Aufgabe seiner unternehmerischen Tätigkeit, dem Finanzamt binnen eines Kalendermonats anzuzeigen.
Voraussetzung für die Erteilung einer UID ist eine - etwa für das UID-Bestätigungsverfahren notwendige - Anschrift (vgl. etwa Art. 31 Abs. 2 VO 904/2010 /EU; Art. 18 Abs. 1 lit. a DVO 282/2011 /EU; Art. 28 UStG 1994 ).
Der Gesetzgeber verwendet sowohl in der Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 als auch in Art. 28 UStG 1994 den Begriff Anschrift, sodass davon ausgegangen werden kann, dass diesem Begriff derselbe Inhalt beizumessen ist. In Anlehnung an die ständige Judikatur zu den Rechnungsmerkmalen des § 11 UStG 1994 kann eine angegebene existierende Adresse, an der keine Geschäftstätigkeit entfaltet wird, keine wirksame Anschrift des Unternehmers darstellen (vgl. VwGH 1.6.2006, 2002/15/0147 ; VwGH 1.6.2006, 2004/15/0069 ; VwGH 24.2.2010, 2005/13/0006 jeweils zum Rechnungsmerkmal "Anschrift des leistenden Unternehmers"). Diese Interpretation entspricht auch dem Sinn und Zweck der unionsrechtlichen Vorgaben (so ist etwa gemäß Titel XI Kapitel 2 der MwSt-RL 2006/112/EG die Identifikation des Steuerpflichtigen erforderlich; weiters ist gemäß Kapitel V Abschnitt 4 Unterabschnitt 3 DVO 282/2011 /EU die UID in bestimmten Fällen Indiz für den Leistungsort). Auch laut UFS 29.1.2007, RV/2180-W/05 handelt es sich bei einer bloßen Zustelladresse um keine Anschrift iSd § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 .
Aus all dem ergibt sich somit, dass die Feststellung, dass es sich bei der angegebenen Adresse nur um eine "Briefkastenadresse" handelt, dazu führt, dass die tatsächlichen Verhältnisse von Anfang an gegen die Vergabe einer UID sprechen bzw. dies zu einer Aberkennung der UID führen kann, weil das Vorhandensein dieser Verhältnisse entsprechend der gesetzlichen Regelung des Art. 28 Abs. 1 letzter Unterabsatz UStG 1994 zu Unrecht angenommen worden ist.
Bundesministerium für Finanzen, 7. Oktober 2013
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Landwirte, Unternehmer, Unternehmereigenschaft, elektronische Dienstleistung, Sachbezug, Entgeltlichkeit, Vermietung eines Beförderungsmittels, gewöhnlicher Aufenthalt, Gutschein, Bemessungsgrundlage, Vorsteuerabzug, Umsatzsteuerbefreiung, Steuerschuld kraft Rechnungslegung, UID-Nummer, Kleinunternehmer, pauschalierter Land- und Forstwirt, Pauschalbesteuerung, Schenkung, Fruchtgenuss, Vorsteuerberichtigung, Eigenverbrauch, Dreiecksgeschäft, Einfuhrumsatzsteuer, innergemeinschaftliche Lieferung, innergemeinschaftlicher Erwerb, Zusammenfassende Meldung, Reihengeschäft, ruhende Lieferung, UID-Bestätigungsverfahren |
Verweise: | UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 181 |