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2.1. Betriebliche Struktur (§ 2 Z 1 NeuFöG)

BMFBMF-010222/0044-VI/7/201325.6.2013

2.1.1. Betrieb

Rz 55
Der Begriff Betrieb iSd NeuFöG ist deckungsgleich mit dem des EStG 1988. Danach ist unter einem Betrieb die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Betriebsmittel in einer organisatorischen Einheit zu verstehen (EStR 2000 Rz 409 ff), welcher der Erzielung von betrieblichen Einkünften iSd § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb) dient. Gleichgültig ist dabei, in welcher Rechtsform der Betrieb geführt wird.

Rz 56
Ein Betrieb stellt eine selbständige organisatorische Einheit dar. Mehrere Tätigkeiten sind dann als einheitlicher Betrieb anzusehen, wenn sie nach der Verkehrsauffassung organisatorisch, wirtschaftlich oder technisch als Einheit anzusehen sind.

Rz 57
Für einen einheitlichen Betrieb sprechen insb. folgende Umstände:

Beispiel:

Wird zusätzlich zum Gewerbe eines Unternehmensberaters der Beruf eines Buchhalters angemeldet, so wird dann von einem einheitlichen Betrieb (und damit von keiner Neugründung iSd NeuFöG) auszugehen sein, wenn beide Tätigkeiten am selben Standort und ohne konsequente Trennung in der Ausübung und der Verrechnung sowie in Ergänzung zueinander (zB gleicher Kundenstock) ausgeübt werden (vgl. VwGH 22.11.1995, 94/15/0154 betreffend Unternehmensberatung und Werbeagentur). Lediglich dann, wenn neben der bloßen Einstellung einer eigenen Dienstnehmerin sowie der Anschaffung einer spezifischen Software auch eine konsequente interne und externe Trennung der beiden Betriebe besteht, kann der Beruf als Buchhalter eine Neugründung iSd NeuFöG darstellen.

Rz 58
Ein einheitlicher Betrieb kann bei Erfüllung der Voraussetzungen bspw. in folgenden Fällen vorliegen:

Rz 59
Gegen das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes sprechen insb. folgende Umstände:

Rz 60
Kein einheitlicher Betrieb, sondern mehrere Betriebe sind bspw. in folgenden Fällen anzunehmen:

2.1.2. Schaffung einer bisher nicht vorhandenen betrieblichen Struktur

Rz 61
Die Schaffung einer bisher nicht vorhandenen betrieblichen Struktur ist anzunehmen, wenn die wesentlichen Grundlagen zu einem bisher nicht vorhandenen Betrieb verdichtet werden. Unbeachtlich ist, durch welche Rechtsgeschäfte (zB Kauf, Tausch, Schenkung, Miete) die wesentlichen Grundlagen zu einem Betrieb zusammengefasst werden.

Rz 62
Alleine durch das Halten einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen, wird keine neue betriebliche Struktur geschaffen (UFS 04.06.2004, RV/1720-W/02). Die bloße Vornahme innerbetrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen sowie die Anschaffung neuer Drucksorten und Software reichen bei Verwendung des gleichen Personals, der gleichen Betriebseinrichtungen, derselben Standorte usw. nicht aus, um schon von der Schaffung einer neuen betrieblichen Struktur sprechen zu können.

Rz 63
Wenn durch den Übergang der wesentlichen Betriebsmittel der Erwerber in die Lage versetzt wurde, die Tätigkeit ohne weiteres fortzusetzen, kann von der Schaffung einer bisher nicht vorhandenen betrieblichen Struktur nicht mehr gesprochen werden (vgl. UFS 12.01.2010, RV/2898-W/07). In diesem Fall liegt keine Neugründung, möglicherweise jedoch eine begünstigte Betriebsübertragung vor.

Beispiel 1:

Es werden Geschäftsräumlichkeiten gemietet, in denen bisher ein Schnellimbiss betrieben wurde. Für die gänzliche kostenintensive Umgestaltung des Lokals werden Baugenehmigungen benötigt. Ob die durchgeführten Adaptierungsmaßnahmen jenes Ausmaß erreichen, welches die Annahme der Schaffung einer neuen Betriebsstruktur zulässt, hängt vom Gesamtbild der Verhältnisse ab. Dabei kommt insb. den Fragen, ob und wie massiv die Gasträumlichkeiten neu gestaltet werden bzw. ob die Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten originär erworben werden, besondere Bedeutung zu. Das Erfordernis der Durchführung eines baubehördlichen Verfahrens stellt jedoch ein Indiz für eine wesentliche Veränderung der baulichen Struktur dar und spricht somit für eine Neugründung.

Beispiel 2:

Mehrere Rechtsanwälte schließen sich nach der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte auf Dauer zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen. In diesem Fall stehen die Begünstigungen nach dem NeuFöG zu, wenn sich noch keiner in vergleichbarer Art betrieblich betätigt hat.

Beispiel 3:

Ein Rechtsanwalt erhält anlässlich der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte von seiner Mutter die Kanzlei übertragen. Die Begünstigungen für die Betriebsübertragung stehen zu, da sich der Sohn bisher nicht in vergleichbarer Art betrieblich betätigt hat und ein Wechsel der Person des Betriebsinhabers erfolgte.

Nach einem Jahr gründet er gemeinsam mit früheren Studienkollegen eine Rechtsanwalts-GmbH, an der er mit 20% beteiligt ist. Diese Beteiligung führt bei ihm zu keiner Stellung als Betriebsinhaber. Sofern die übrigen Gesellschafter die Voraussetzungen für die begünstigte Übertragung eines Betriebes erfüllen, stehen für die Gründung der Rechtsanwalts-GmbH die Begünstigungen für Betriebsübertragungen zu. Allerdings hat der Sohn durch die Einbringung seiner - von der Mutter übernommenen - Kanzlei diese innerhalb von 5 Jahren nach der Übergabe übertragen, wodurch der Eintritt der Wirkungen gemäß § 5a Abs. 2 Z 3 NeuFöG nachträglich entfällt und er hiermit die für die Betriebsübertragung von der Mutter in Anspruch genommenen Begünstigungen wieder verliert.

Rz 63a
Auch der Erwerb eines Betriebes aus der Insolvenzmasse oder vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt keine Neugründung dar (UFS 14.10.2009, RV/0615-G/07), allerdings kann - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - eine begünstigte Betriebsübertragung anzunehmen sein.

Wird hingegen der Betrieb im Zuge eines Insolvenzverfahrens zerschlagen, werden die einzelnen Wirtschaftsgüter veräußert und schafft ein Erwerber mit anders beschafften und einzelnen aus der Masse erworbenen Wirtschaftsgütern eine neue betriebliche Struktur, liegt eine Neugründung vor (vgl. UFS 22.4.2008, RV/0894-L/07).

2.1.3. Wesentliche Betriebsgrundlagen

Rz 64
Ein Betrieb wird neu eröffnet, wenn die für den konkreten Betrieb wesentlichen Grundlagen neu geschaffen werden (EStR 2000 Rz 5507 bis Rz 5563).

Je nach Art des Betriebes sind bspw. folgende Betriebsgrundlagen wesentlich:

Betriebliche Einkunftsquelle

Wesentliche Betriebsgrundlage

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

Betriebsgebäude, Maschinen, ausreichende landwirtschaftlich nutzbare Fläche, Waldbesitz

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

Kundenstock (Klienten- bzw. Patientenstock), eventuell auch besondere Geschäftsausstattung (zB Geräte eines Röntgenologen;
vgl. VwGH 28.05.1997, 94/13/0032).

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

  • bei ortsgebundenen Tätigkeiten (zB Hotels, Restaurants):
    Grundstück, Gebäude, Einrichtung
  • bei kundengebundenen Tätigkeiten (zB Großhandel, Handelsvertretungen, Telefonmarketing, Personalgestellung):
    Kundenstock, sonstige Geschäftsverbindungen
  • bei Produktionsunternehmen:
    Betriebsräumlichkeiten, Maschinen, Einrichtung, Produktionsgebäude
  • bei Einzelhandelsunternehmen:
    Geschäftsräume, Inventar, Warenlager
  • bei Transportunternehmen:
    Konzession, Fuhrpark, Einrichtungen
  • bei Dachdeckungsunternehmen:
    Standort, Fuhrpark, sonstige Anlagegüter, Lager

Rz 65
Arbeitskräfte gehören grundsätzlich nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Die Übernahme der Arbeitskräfte kann allerdings ein Indiz für die Weiterführung bzw. Übertragung eines existierenden (Teil-)Betriebes sein. Als wesentliche Betriebsgrundlage werden sie aber dann anzusehen sein, wenn die geschäftliche Tätigkeit gerade auf die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter aufbaut und diese nicht oder nur schwer ersetzbar sind.

Beispiel:

Wenn der Sohn keine anderen der bisher zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählenden Mittel vom väterlichen Betrieb übernommen hat, und er an einem anderen Ort durch bauliche Maßnahmen und Anschaffung eines Fuhrparks eine neue betriebliche Struktur schafft, so kann allein die Übernahme der Mitarbeiter des väterlichen Betriebes nicht gegen die Neugründung eines Betriebes sprechen.

Kundenstock

Rz 66
Ein Kundenstock stellt nur dann eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn es sich um gefestigte Kundenbeziehungen handelt, wie dies zB bei bestimmten freiberuflichen Betrieben (Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, Ärzte) der Fall ist. Derartige (zB vertraglich abgesicherte) Kundenbeziehungen sind im gastgewerblichen Bereich jedoch nicht gegeben.

Kraftfahrzeug

Rz 67
Ob ein Kraftfahrzeug zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes gehört, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ergibt sich einerseits aus der Art des Betriebes und andererseits nach der Funktion des Kraftfahrzeuges innerhalb des konkreten Betriebes. Nähere Ausführungen dazu enthalten die EStR 2000 Rz 5507 bis Rz 5563. Unbestritten stellt ein Kraftfahrzeug bei folgenden Betrieben eine wesentliche Betriebsgrundlage dar:

Rz 68
Die Zulassung eines Kfz für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit eines Arztes ist kein durch die Neugründung unmittelbar veranlasster Vorgang, sondern dient der Gründung bloß mittelbar, weil die Zulassung eines Kfz zwar zweckdienlich für die Ausübung des Berufes aber für die Gründung der Arztpraxis nicht erforderlich ist.

Wunschkennzeichen

Rz 69
Ein Wunschkennzeichen stellt niemals eine wesentliche Betriebsgrundlage dar.

Beispiele:

Rz 70

Beispiel 1:

Durch die Einmietung in ein Shopping Center oder einen Gewerbepark wird lediglich ein Teil der sachlichen Betriebsmittel übernommen und nicht wie bei der Übertragung eines vorhandenen Betriebes eine komplette betriebliche Struktur. Daher wird auch bei Einmietung in ein Shopping Center oder einen Gewerbepark idR eine bisher nicht vorhandene betriebliche Struktur erst durch die Zusammenfassung mit anderen Betriebsmitteln bzw. Arbeitskräften neu geschaffen. Eine Neugründung ist dann - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des NeuFöG - gegeben.

Beispiel 2:

Die wesentliche Betriebsgrundlage bei einem Finanzdienstleister ist der Kundenstock. Ist daher die betriebliche Betätigung des Finanzdienstleisters auf die Schaffung eines neuen Kundenstockes gerichtet, liegt grundsätzlich eine Neugründung vor. Auf den Umfang der neu geschaffenen Betriebsgrundlagen kommt es nicht an, sondern ob die Betätigung nach dem Gesamtbild der Erzielung von betrieblichen Einkünften (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) oder der Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988) dient (vgl. Rz 121 ff).

Beispiel 3:

Bei Einzelhandelsbetrieben zählen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen die Geschäftsräume, das Inventar und das Warenlager (VwGH 13.03.1991, 87/13/0190). Werden nur Teile davon übernommen, dann sind diese Umstände bezogen auf den konkreten Betrieb zu bewerten und allfällige weitere Indizien in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Beispiel 4:

Werden von früher ebenfalls als Verkaufslokal (Boutique) verwendeten Geschäftsräumen nur die Geschäftsräume übernommen und wieder eine Boutique neu eröffnet, Inventar und Warenlager hingegen neu dazugekauft, liegt ein neu gegründeter Betrieb vor.
Werden neben den Geschäftsräumen auch Teile des Inventars übernommen, nicht hingegen das Warenlager, ist für die Beurteilung allenfalls die Frage nach der Übernahme von Arbeitnehmern mitentscheidend. Erfolgt also in diesem Fall auch die Übernahme der Arbeitnehmer, liegt keine Neugründung vor.

Beispiel 5:

Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Restaurants zählen (vgl. EStR 2000 Rz 5528) die Betriebsräumlichkeiten, das Betriebsgrundstück und die komplette Einrichtung (Investitionsablösen) sowie die Mietrechte am Geschäftslokal; nicht wesentlich sind hingegen das Warenlager, das Personal, Kundenstock, Forderungen und Verbindlichkeiten.

Werden die Betriebsräumlichkeiten gepachtet und die Einrichtung inkl. Geschirr und Geräte erworben, dann werden bereits bestehende Betriebsgrundlagen übernommen bzw. weitergeführt und somit die Voraussetzungen einer Betriebsneugründung nicht erfüllt (vgl. VwGH 19.09.1995, 95/14/0038). Eine begünstigte Betriebsübertragung kann jedoch vorliegen.

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