Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 27 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | KESt-Erlass, KESt-neu-Erlass, Kapitalvermögen |
Verweise: | EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 |
1.2.2.5. Wegzug
1.2.2.5.1. Allgemeines
Der Tatbestand des Wegzugs hat Vorrang gegenüber dem Tatbestand der Depotentnahme.
Als Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 gelten auch Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des Abs. 3 oder eines Derivates im Sinne des Abs. 4 führen (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988). Anders als bei der Vorgängerbestimmung des § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 sind nicht nur wesentliche Beteiligungen (mindestens 1%) an Körperschaften erfasst, sondern sämtliche Wirtschaftsgüter und Rechtspositionen, die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG 1988 geeignet sind. Dem Grunde nach gehören dazu insbesondere Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an Kapitalanlage- und Immobilienfonds, Optionen, Termingeschäfte, stille Beteiligungen, Darlehen und Schuldverschreibungen.
Die Veräußerungsfiktion greift daher immer dann, wenn durch Umstände, welcher Art auch immer, irgendeine Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes oder Derivates iSd § 27 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 verloren geht. Maßgeblich sind somit nicht nur die Veräußerung selbst, sondern jegliche von den Grundtatbeständen erfassten Realisierungsvorgänge, wie etwa die Liquidation, der Differenzausgleich oder die sonstige Abschichtung. Geht somit hinsichtlich eines der steuerpflichtigen Realisierungsvorgänge das Besteuerungsrecht der Republik Österreich verloren, gelten die Umstände, die zum Verlust geführt haben, als Veräußerung und lösen somit die Steuerpflicht aus. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn hinsichtlich eines einzelnen Wirtschaftsgutes oder Derivates iSd § 27 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 für bestimmte Realisierungsvorgänge das Besteuerungsrecht nicht verloren geht, für andere Realisierungsvorgänge hingegen schon.
Ein Verlust des Besteuerungsrechtes tritt auch dann ein, wenn das Besteuerungsrecht zwar dem Grunde nach aufrecht vorhanden ist, allerdings der Höhe nach eingeschränkt wird.
Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes führen können, sind u.a. die Wohnsitzverlegung in das Ausland, die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern und Derivaten an einen Steuerausländer oder die Übertragung auf eine ausländische Stiftung, wenn in allen diesen Fällen das Besteuerungsrecht Österreichs auf Grund des EStG 1988 oder durch ein DBA an zukünftigen Realisierungsüberschüssen verloren geht.
Im Folgenden wird der Ausdruck "Wegzug" stellvertretend für alle möglichen Umstände, in denen das Besteuerungsrecht der Republik Österreich verloren geht, verwendet. Eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich. Auch der Tod des Steuerpflichtigen oder der Abschluss bzw. die Änderung eines DBA kann einen Umstand iSd § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 darstellen.
Die Steuerpflicht tritt auch dann ein, wenn zwar der inländische Wohnsitz und demzufolge auch die unbeschränkte Steuerpflicht beibehalten wird, aber wegen der Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in einen anderen Staat der ausschließliche Besteuerungsanspruch an späteren Wertsteigerungen durch das Abkommen dem anderen Staat übertragen wird.
Bei Wegzug in einen Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ist vorgesehen, dass die anlässlich des Wegzugs entstandene Steuerschuld auf Antrag nicht festzusetzen ist.
Art. 13 Abs. 4 des DBA-Schweiz (Revisionsprotokoll) sieht hinsichtlich in- und ausländischer Gesellschaftsbeteiligungen im Fall des tatsächlichen Wegzugs (Wohnsitzverlegung) in den anderen Vertragsstaat zeitlich unbeschränkt die Beibehaltung des Besteuerungsrechtes des bisherigen Ansässigkeitsstaates im Fall der Veräußerung vor, wobei sichergestellt wird, dass die bis zum Wegzug angewachsenen stillen Reserven im Wegzugsstaat steuerhängig bleiben. Art. 13 Abs. 4 des revidierten Abkommens enthält das abkommensrechtliche Verbot einer Besteuerung lediglich aus Anlass des Wegzuges; dieses Verbot steht einer bloßen Ermittlung der Steuerschuld aus Anlass des Wegzugs nicht entgegen. Das bedeutet für die Anwendbarkeit von § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988:
Bei einer Beteiligung von mindestens 1% an einer österreichischen Körperschaft kommt § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 nicht zur Anwendung, da gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 nach dem Wegzug beschränkte Steuerpflicht besteht und diese durch das DBA-Schweiz nicht eingeschränkt wird.
Bei einer Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft kommt § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung, da bereits nach innerstaatlichem Recht nach dem Wegzug keine Steuerpflicht mehr besteht. Das im DBA-Schweiz enthaltene Verbot einer Besteuerung lediglich aus Anlass des Wegzugs hindert Österreich aber daran, die Steuerschuld im Jahr des Wegzugs festzusetzen; es kommt damit faktisch zu einem Besteuerungsaufschub, der § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b 2. Satz EStG 1988 entspricht. Es bestehen daher keine Bedenken, die in Abschnitt 1.2.2.5.9. vorgesehenen Regelungen auf diesen Fall entsprechend anzuwenden.
Auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 und auf andere Umstände (andere als der Ansässigkeitswechsel), die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zur Schweiz führen können (zB eine unentgeltliche Übertragung an eine in der Schweiz ansässige Person), kommen die speziellen abkommensrechtlichen Bestimmungen hingegen nicht zur Anwendung.
1.2.2.5.2. Inländische und ausländische Beteiligungen
Im Falle des Wegzugs werden Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften erfasst, wenn das Besteuerungsrecht Österreichs (§ 98 Abs. 1 Z 5 lit. e bzw. § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) verloren geht.
Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften werden hingegen stets erfasst. In den letztgenannten Fällen führt der Wegzug immer zum Entstehen einer Steuerschuld nach § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988, denn in diesen Fällen geht mit dem Eintritt der beschränkten Steuerpflicht bereits nach inländischem Recht das Besteuerungsrecht an den Wertsteigerungen verloren, weil solche Beteiligungen nicht von § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 erfasst sind.
Zum Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld bei Wegzug in einen Staat der Europäischen Union oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts-und Vollstreckungshilfe besteht, siehe Abschnitt 1.2.2.5.9.
1.2.2.5.3. Sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate
Ebenso wie bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, führt der Wegzug in Bezug auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 stets zum Entstehen der Steuerpflicht gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988. Mit Eintritt der beschränkten Steuerpflicht geht nämlich auch bezüglich sonstiger Wirtschaftsgüter und Derivate nach inländischem Recht das Besteuerungsrecht an den Wertsteigerungen verloren, weil § 98 Abs. 1 abgesehen von Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften keine sonstigen Wirtschaftsgüter und Derivate erfasst. Als sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate kommen insbesondere Anteilscheine an Investmentfonds, Anleihen, stille Beteiligungen, Index- und sonstige Zertifikate sowie Optionen in Betracht.
1.2.2.5.4. Stückzinsen
Durch die Neuordnung der Besteuerung von Kapitalvermögen werden anteilige Einkünfte aus der Überlassung von Kapital ("Stückzinsen") nicht mehr als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern als Teil des Kapitalstamms behandelt: Gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 sind sie beim Veräußerer Teil des Veräußerungserlöses, beim Erwerber Teil der Anschaffungskosten. Entsprechendes gilt, wenn die Veräußerung lediglich fingiert wird, wie es auch beim Wegzug im Sinne des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 der Fall ist. Hier sind die Stückzinsen ein Bestandteil des gemeinen Werts im Sinne des § 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988 (siehe dazu Abschnitt 1.1.1.2.). Dies gilt auch im Falle des Zuzugs sowie bei einer steuerpflichtigen Depotentnahme bzw. -übertragung.
1.2.2.5.5. Privatvermögen
Unter die in § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 normierte Wegzugsbesteuerung fallen nur im Privatvermögen gehaltene Wirtschaftsgüter und Derivate.
1.2.2.5.6. Wertzuwachs als Bemessungsgrundlage
Der Steuerpflicht unterliegt der Wertzuwachs der Wirtschaftsgüter und Derivate während der Dauer der inländischen Ansässigkeit (inklusive allfälliger Stückzinsen). Es ist dies der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Wegzugs (inklusive allfälliger Stückzinsen) und den Anschaffungskosten (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988).
Im Fall eines vorhergehenden Zuzuges nach Österreich oder eines sonstigen vorhergehenden Eintrittes in die unbeschränkte Steuerpflicht hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes oder Derivates im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 (zB Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft im Erbweg) soll der vor dem Zuzug angefallene Wertzuwachs nicht in die Steuerpflicht einbezogen werden. Dies wird gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 durch Ansatz des gemeinen Wertes anlässlich des Zuzuges als Anschaffungskosten erreicht (siehe aber Abschnitt 1.2.2.5.9. bei vorhergehendem Wegzug mit Unterbleiben der Steuerfestsetzung).
Findet vor dem Eintritt in die inländische unbeschränkte Steuerpflicht im Ausland eine Wegzugsbesteuerung statt, besteht - sofern sich nicht aus einem Doppelbesteuerungsabkommen anderes ergibt - keine Bindung an den im Ausland als fiktiven Wegzugsgewinn angesetzten Wert.
1.2.2.5.7. Verlustausgleich
Die Bestimmungen über den Verlustausgleich bei Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 8 EStG 1988) kommen grundsätzlich auch im Rahmen der Wegzugsbesteuerung zur Anwendung.
Wird anlässlich eines Wegzugs die Besteuerung sofort vorgenommen (es findet keine Nichtfestsetzung der Steuerschuld statt), können die wegzugsbedingten Verluste oder Gewinne im Rahmen des Verlustausgleichs entsprechend behandelt werden.
Beispiel 1:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige A schenkt ein Aktienpaket seinem in Kroatien ansässigen Neffen. Im Jahr der Schenkung ist der Wert des Aktienpakets um 100 höher als bei der Anschaffung, zusätzlich hat A Verluste von 30 aus dem Verkauf einer Anleihe. Die Übertragung des Aktienpakets unterliegt der Wegzugsbesteuerung; A kann den Wegzugsgewinn von 100 um die erlittenen Verluste von 30 reduzieren, womit insgesamt 70 steuerpflichtig sind.
Beispiel 2:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige B legt seine im Privatvermögen gehaltenen Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds in eine in Deutschland gelegene Betriebsstätte seines Betriebes. Im Jahr der Einlage ist der Wert der Anteilscheine um 50 niedriger als bei der Anschaffung, zusätzlich hat B Gewinne von 120 aus dem Verkauf eines Aktienpakets. Die Einlage der Anteilscheine unterliegt der Wegzugsbesteuerung; B kann den Wegzugsverlust von 50 mit dem Veräußerungsgewinn von 120 ausgleichen, womit insgesamt 70 steuerpflichtig sind.
Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen die Steuerschuld nicht festgesetzt, ist hingegen ein sofortiger Ausgleich des Wegzugsgewinns mit sonstigen realisierten Verlusten nicht möglich.
Beispiel 3:
Der in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige A zieht nach Deutschland. Im Jahr des Wegzugs ist der Wert seines Aktienpakets um 100 höher als bei der Anschaffung, zusätzlich hat A Verluste von 30 aus dem Verkauf einer Anleihe. Die Wohnsitzverlegung unterliegt der Wegzugsbesteuerung. A kann dabei entweder:
- die Nichtfestsetzung der durch den Wegzug entstandenen Steuerschuld beantragen; diesfalls wird die ESt iHv 25 (25% von 100) nicht festgesetzt, wohingegen die Verluste von 30 mangels Ausgleichsmöglichkeit (zunächst) nicht verwertet werden können;
- oder auf die Beantragung der Nichtfestsetzung der durch den Wegzug entstandenen Steuerschuld verzichten; diesfalls wird der Wegzugsgewinn von 100 um die erlittenen Verluste von 30 reduziert, womit die ESt 17,5 (25% von 70) beträgt.
Kommt es aufgrund eines dem Wegzug zeitlich nachgelagerten Realisierungsvorgangs (zB Veräußerung oder Weiterzug in einen Drittstaat) zu einer Festsetzung der Steuer, sind im Rahmen der Abänderung des Bescheides des Wegzugsjahres die zunächst nicht verwertbaren Verluste nachträglich zu berücksichtigen (siehe Beispiel 4). Ein Ausgleich mit späteren (zB im Jahr des Realisierungsvorganges eingetretenen) Verlusten ist dagegen nicht möglich.
1.2.2.5.8. KESt-Abzug oder Sondersteuersatz in der Veranlagung
Die Besteuerung anlässlich des Wegzugs findet - sofern § 27a Abs. 1 EStG 1988 zur Anwendung kommt - bei auf einem inländischen Depot verwahrten Wirtschaftsgütern und Derivaten grundsätzlich durch Kapitalertragsteuerabzug statt (siehe dazu Abschnitt 2.4.).
Sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate werden im Rahmen der Veranlagung erfasst, wobei grundsätzlich der reguläre 25-prozentige Sondersteuersatz des § 27a Abs. 1 EStG 1988 zur Anwendung kommt. Handelt es sich bei den Wirtschaftsgütern und Derivaten hingegen um solche im Sinne des § 27a Abs. 2 EStG 1988, ist der Tarifsteuersatz anzuwenden (zB bei Anteilscheinen an Immobilienfonds, die bei ihrer Begebung entweder in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht nicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten worden sind). Auch das Optieren auf die Regelbesteuerung gemäß § 27a Abs. 5 EStG 1988 ist möglich, wobei hier auch im Fall der nachträglichen Festsetzung nach § 295a BAO stets der Steuertarif des Wegzugsjahres zur Anwendung kommt. Der Antrag auf Anwendung des allgemeinen Steuertarifs kann nur im Wegzugsjahr gestellt werden.
1.2.2.5.9. Nichtfestsetzung der entstandenen Steuerschuld
Bei Wegzug in einen Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Steuerschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung der Beteiligung nicht festzusetzen (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b 2. Satz EStG 1988). Das Antragsrecht steht dabei für jedes im Zeitpunkt des Wegzugs vorhandene Wirtschaftsgut oder Derivat gesondert zu.
Als Wegzug gelten alle Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten führen (Abschnitt 1.2.2.5.1. , zB auch Übertragung auf ausländische Stiftung, Schenkung an einen Steuerausländer, Einlage in einen Betrieb bzw. Betriebsstätte, hinsichtlich derer Österreich kein Besteuerungsrecht hat, oder Tod des Steuerpflichtigen mit Übergang der Wirtschaftsgüter oder Derivate auf einen Steuerausländer unter Entfall des österreichischen Besteuerungsrechtes). Die Nichtfestsetzung der Steuerschuld gilt im Verhältnis zu einem Staat
- der Europäischen Union oder
- des Europäischen Wirtschaftsraumes, sofern eine mit dem EU-Bereich vergleichbare umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht. Dies ist gegenüber Norwegen der Fall, nicht jedoch gegenüber Liechtenstein und Island. Zur Schweiz siehe oben Abschnitt 1.2.2.5.1.
Da mit dem Wegzug die Steuerschuld zwar entsteht, aber nicht festgesetzt wird, steht der späteren Erhebung der Steuer kein DBA entgegen.
Der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld kann nur in der das Wegzugsjahr betreffenden Steuererklärung gestellt werden, die vor Ergehen des Einkommensteuerbescheides eingebracht wurde. Wurde in dieser Steuererklärung kein Antrag gestellt, kann ein solcher in einer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides (zB in einem Berufungsverfahren oder einem wieder aufgenommenen Verfahren) eingereichten Steuererklärung nicht nachgeholt werden. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Einkommensteuerbescheid nicht auf Grundlage einer vom Steuerpflichtigen eingereichten Steuererklärung erging; denn wird im Zuge einer Berufung gegen einen derartigen Einkommensteuerbescheid erstmalig eine Steuererklärung mit Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld eingebracht, wurde der Antrag im Berufungsverfahren und nicht in der Steuererklärung gestellt.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung der Steuerschuld (Wegzug in einen Staat der Europäischen Union oder des EWR, sofern eine mit dem EU-Bereich vergleichbare umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht) ist durch eine Ansässigkeitsbescheinigung nachzuweisen.
Eine nach dem Wegzug erfolgte tatsächliche Realisierung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 oder der nachfolgende Wegzug in einen Drittstaat gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO, das die Festsetzung der Steuer im Wege der Abänderung des Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht. Der Eintritt des rückwirkenden Ereignisses ist dem zuständigen Finanzamt vom Steuerpflichtigen anzuzeigen, wenn das rückwirkende Ereignis in der Begründung des Bescheides angeführt ist (§ 120 Abs. 3 BAO).
Die Neufestsetzung der Steuer im Bescheid des Wegzugsjahres wird daher ausgelöst durch:
- Eine tatsächliche Veräußerung oder eines sonstigen Realisierungsvorgangs der Wirtschaftsgüter und Derivate durch den Steuerpflichtigen selbst oder seinen unentgeltlich erwerbenden Rechtsnachfolger.
Beispiel 4:
A schenkt 2013 seine Anteile an der XY-AG seinem Sohn B mit Wohnsitz in München. Dieser Vorgang unterliegt der Wegzugsbesteuerung; A macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2014 verkauft B die Beteiligung. Der Verkauf durch B gilt als rückwirkendes Ereignis, das die Abänderung des an A gerichteten Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht.
Beispiel 5:
B überträgt 2013 seine Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds an die D-Stiftung in Budapest. Dieser Vorgang unterliegt der Wegzugsbesteuerung; B macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Anteilscheinen enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2015 verkauft die D-Stiftung die Anteilscheine. Der Verkauf durch die D-Stiftung gilt als rückwirkendes Ereignis, das die Abänderung des an B gerichteten Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht.
- Einen Wegzug in einen Staat, der nicht der Europäischen Union angehört oder einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem keine mit dem EU-Bereich vergleichbare umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht (fiktive Veräußerung).
Um zu verhindern, dass durch einen Wegzug in einen EU-Staat/EWR-Staat mit anschließendem Wegzug in einen Drittstaat die Wegzugsbesteuerung umgangen wird, gilt ein weiterer Wegzug in einen Drittstaat (Staat, der nicht der Europäischen Union angehört oder Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem keine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe der Republik Österreich besteht) als Veräußerung, die die Festsetzung der Steuer im Wege der Abänderung des Bescheides des Wegzugsjahres nach sich zieht.
Beispiel 6:
A mit Wohnsitz in Wien ist an der deutschen X-AG beteiligt. 2012 übersiedelt A nach München unter Aufgabe seines Wohnsitzes in Wien. Die durch den Wegzug entstehende Steuerschuld wird bei der Veranlagung 2012 antragsgemäß nicht festgesetzt. 2014 übersiedelt A unter Aufgabe seines Wohnsitzes in München nach
a) Oslo,
b) Istanbul.
Im Fall a) gilt der Wegzug nicht als Veräußerung, da mit dem EWR-Staat Norwegen gemäß Art. 27 und 28 des Doppelbesteuerungsabkommens eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht.
Im Fall b) gilt der Wegzug als Veräußerung, da die Türkei ein Drittstaat iSd § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 ist.
Für rückwirkende Ereignisse iSd § 295a BAO richtet sich der Verjährungsbeginn nach § 208 Abs. 1 lit. e BAO. Nach § 208 Abs. 1 lit. e BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 295a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist. Abänderungen gemäß § 295a BAO sind daher auch dann zulässig, wenn die vom Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches abgeleitete (fünfjährige) Bemessungsverjährungsfrist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO) bereits abgelaufen ist, sofern die "absolute Verjährung" nach § 209 Abs. 3 BAO (zehn Jahre ab Entstehen des Abgabenanspruches) noch nicht eingetreten ist.
Sollte es zwischen dem Wegzug und der tatsächlichen Veräußerung zu einer Wertminderung der Beteiligung gekommen sein, reduziert diese die Bemessungsgrundlage bis auf Null, soweit die Wertminderung nicht im Zuzugstaat berücksichtigt wird (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988). Zwischen Wegzug und Veräußerung eingetretene Wertminderungen sind daher höchstens im Umfang des bei Wegzug nicht festgesetzten Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Damit wird sichergestellt, dass nur tatsächlich realisierte Wertsteigerungen der Besteuerung unterliegen. Für den KESt-Abzug ist dagegen der Veräußerungserlös maßgeblich (siehe Abschnitt 2.4.2.3.).
Beispiel 7:
Fall 1 | Fall 2 | Fall 3 | |
Anschaffungskosten im Jahr 2013 | 500 | 500 | 500 |
Gemeiner Wert bei Wegzug im Jahr 2014 | 800 | 800 | 800 |
Erlös aus Veräußerung nach Wegzug im Jahr 2015 | 700 | 900 | 400 |
Einkünfte (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b) des Jahres 2014 (§ 295a BAO) bei Inanspruchnahme der Steuernichtfestsetzung im Jahr 2014 | 200 | 300 | 0 |
Einkünfte (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b) des Jahres 2014 bei Versteuerung im Jahr 2014 (kein Antrag auf Steuernichtfestsetzung gestellt) | 300 | 300 | 300 |
Beispiel 8:
A besitzt Aktien der finnischen X-AG (Anschaffungskosten 10.000 Euro). Im Jahr 2013 verlegt A seinen Wohnsitz von Österreich nach Deutschland. Der gemeine Wert der X-Aktien beträgt zum Wegzugszeitpunkt 27.000 Euro. A erzielt im Jahr 2013 folgende Einkünfte:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | -1.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 15.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 14.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b | 17.000 Euro |
1. A beantragt die Nichtfestsetzung der auf die Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 entfallenden Einkommensteuer.
Vereinfachte ESt Berechnung (Durchschnittssteuersatz bei 14.000 Euro = 7,82%):
14.000 Euro mit 7,82% | 1.095 Euro |
17.000 Euro mit 25% | 4.250 Euro |
ESt-Gesamt | 5.345 Euro |
Der Nichtfestsetzungsbetrag beträgt 25% von 17.000 Euro somit 4.250 Euro.
2. Im Jahr 2015 verkauft A seine Beteiligung um 26.000 Euro (Anschaffungskosten 10.000 Euro). Die Veräußerung löst die Neufestsetzung der Einkommensteuer 2013 aus:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | -1.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 15.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 14.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b | 16.000 Euro |
Vereinfachte ESt Berechnung (Durchschnittssteuersatz bei 14.000 Euro = 7,82%):
14.000 Euro mit 7,82% | 1.095 Euro |
16.000 Euro mit 25% | 4.000 Euro |
ESt-Gesamt | 5.095 Euro |
ESt vor § 295a BAO | 1.095 Euro |
ESt nach § 295a BAO | 5.095 Euro |
Nachforderung | 4.000 Euro |
Beispiel 9:
B besitzt eine Nullkuponanleihe (Anschaffungskosten 10.000 Euro). Im Jahr 2013 verlegt B seinen Wohnsitz von Österreich nach Deutschland. Der gemeine Wert der Anleihe beträgt zum Wegzugszeitpunkt 19.000 Euro. B erzielt im Jahr 2013 folgende Einkünfte:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | -3.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 18.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 15.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b | 9.000 Euro |
1. B beantragt unter Geltendmachung der Regelbesteuerungsoption ( § 27a Abs. 5 EStG 1988 ) die Nichtfestsetzung der auf die Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 entfallenden Einkommensteuer.
Vereinfachte ESt Berechnung:
Durchschnittssteuersatz bei 24.000 Euro = 19,77%
Durchschnittssteuersatz bei 15.000 Euro = 9,73%
24.000 Euro mit 19,77% | 4.745 Euro |
ESt-Gesamt | 4.745 Euro |
ESt ohne § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b (15.000 Euro mit 9,73%) | 1.460 Euro |
Nichtfestsetzungsbetrag | 3.285 Euro |
2. Im Jahr 2015 verkauft B seine Nullkuponanleihe um 17.000 Euro. Die Veräußerung löst die Neufestsetzung der Einkommensteuer 2013 aus:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | -3.000 Euro |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 18.000 Euro |
Einkünfte gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b | 7.000 Euro |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 22.000 Euro |
Vereinfachte ESt Berechnung (Durchschnittssteuersatz bei 22.000 Euro = 18,25%):
22.000 Euro mit 18,25% | 4.015 Euro |
ESt-Gesamt | 4.015 Euro |
ESt vor § 295a BAO | 1.460 Euro |
ESt nach § 295a BAO | 4.015 Euro |
Nachforderung | 2.555 Euro |
Eine Doppelberücksichtigung von Wertminderungen ist aber nicht zulässig. Wird die nach dem Wegzug eingetretene Wertminderung im Zuzugstaat berücksichtigt, kann diese Wertminderung in Österreich nicht berücksichtigt werden (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988). Die Steuer ist daher in Höhe des seinerzeitigen Nichtfestsetzungsbetrages festzusetzen.
Auf die mit Wegzug entstandene, aber zunächst nicht festgesetzte Steuerschuld sind im Fall der nachträglichen Festsetzung keine Anspruchszinsen (§ 205 BAO) zu entrichten.
Erfolgt in den Fällen nicht festgesetzter Steuerschuld im Sinne des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 oder auf Grund einer Umgründung im Sinne des Umgründungssteuergesetzes ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich, sind die Anschaffungskosten vor Wegzug maßgeblich. Es bestehen keine Bedenken, wenn für Zwecke des KESt-Abzuges vom gemeinen Wert zum Zuzugszeitpunkt unter Fortführung des Merkpostens (für den Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Wegzugs und den Anschaffungskosten; siehe Abschnitt 2.4.2.3.) ausgegangen wird. Die spätere Veräußerung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. Weist der Steuerpflichtige nach, dass Wertsteigerungen im EU/EWR-Raum außerhalb der Republik Österreich eingetreten sind, sind diese vom Veräußerungserlös abzuziehen (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b letzter Satz EStG 1988).
Beispiel 10:
Nach (unter Verlust des Besteuerungsrechtes Österreichs) erfolgtem Wegzug in einen Staat der Europäischen Union oder in einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, erfolgt:
a) Ein Zuzug nach Österreich oder
b) ein Weiterzug in einen Staat, mit dem Österreich ein DBA mit Anrechnungsmethode hinsichtlich von Einkünften aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern und Derivaten iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 abgeschlossen hat, oder
c) ein Weiterzug in einen Staat, mit dem Österreich kein DBA abgeschlossen hat.
d) ein Weiterzug in einen Staat, mit dem Österreich ein DBA geschlossen hat, das Österreich die Besteuerung der stillen Reserven in den betreffenden Wirtschaftsgütern und Derivaten iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 erlaubt.
In Bezug auf Beteiligungen iSd § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 (Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, an denen der Steuerpflichtige bzw. sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Kalenderjahre zu mindestens 1% beteiligt war) erfolgt in den Fällen a, c und d ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich. In diesen Fällen kommen die letzten drei Sätze des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung.
In Bezug auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 liegt nur im Fall a) ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich vor. In allen anderen Fällen zieht der Weiterzug die Nachfestsetzung der Steuer nach sich, wenn es sich um Drittstaaten iSd § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 handelt (Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören oder Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit denen keine umfassende Amts-und Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich bestehen).
Beispiel 11:
Eine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung iSd § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 wird in eine in Deutschland gelegene Betriebsstätte eines Betriebes desselben Steuerpflichtigen eingelegt. Da dadurch das Besteuerungsrecht Österreichs nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 hinsichtlich der Beteiligung, die durch die Einlage zum ausländischen, dem Besteuerungszugriff Österreichs entzogenen Betriebsvermögen wird, verloren geht, unterbleibt auf Antrag die Steuerfestsetzung gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988. In der Folge wird:
a) die Beteiligung in eine italienische Betriebsstätte desselben Betriebes übertragen,
b) die Betriebsstätte von Deutschland nach Italien verlegt.
Da in beiden Fällen abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht Österreichs hinsichtlich der in der italienischen Betriebsstätte befindlichen Beteiligung wieder auflebt, hat eine (wegzugsbedingte) Steuerfestsetzung zu unterbleiben. Es ist der Wertansatz vor Wegzug als Ausgangswert maßgeblich, wobei sich im Realisierungsfall in Deutschland eingetretene nachgewiesene Wertsteigerungen gewinnmindernd auswirken, weil sie zu entsprechend höheren Buchwerten im steuerlichen Betriebsvermögen der italienischen Betriebsstätte führen.
Beispiel 12:
Ein zunächst in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger, der Anteile an einer italienischen AG im Privatvermögen hält, verlegt seinen Wohnsitz nach Italien. Da dadurch das Besteuerungsrecht Österreichs nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 hinsichtlich der Beteiligung verloren geht, unterbleibt auf Antrag die Steuerfestsetzung gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988. In der Folge wird die italienische AG auf eine Europäische Gesellschaft (SE) mit Sitz in Österreich verschmolzen. Durch die grenzüberschreitende Verschmelzung lebt der Besteuerungsanspruch Österreichs hinsichtlich der Beteiligung wieder auf; eine (wegzugsbedingte) Steuerfestsetzung hat zu unterbleiben und es ist der Wertansatz vor Wegzug als Ausgangswert maßgeblich, wobei sich im Realisierungsfall in Italien eingetretene nachgewiesene Wertsteigerungen gewinnmindernd auswirken, weil sie zu entsprechend höheren Buchwerten im steuerlichen Betriebsvermögen der italienischen Betriebsstätte führen.
Beispiel 13:
E mit Wohnsitz in Wien legt 2013 privat gehaltene Anteile an einem Indexzertifikat in die in München gelegene Betriebsstätte seines Gewerbebetriebes ein. Dieser Vorgang unterliegt der Wegzugsbesteuerung; E macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Zertifikatanteilen enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2015 entnimmt E die Zertifikatanteile wieder aus dem Betriebsvermögen der Betriebsstätte in München in sein Privatvermögen. Da durch diesen Vorgang der Besteuerungsanspruch Österreichs hinsichtlich der Zertifikatanteile wieder auflebt, hat eine (wegzugsbedingte) Steuerfestsetzung zu unterbleiben und es ist der Wertansatz vor Wegzug maßgeblich, wobei im Realisierungsfall in Deutschland eingetretene nachgewiesene Wertsteigerungen abzugsfähig sind.
Beispiel 14:
F mit Wohnsitz in Graz legt 2013 privat gehaltene Anteilscheine an einem Kapitalanlagefonds in die in Berlin gelegene Betriebsstätte seines Gewerbebetriebes ein. Dieser Vorgang unterliegt der Wegzugsbesteuerung; F macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Anteilscheinen enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2014 schenkt F die Anteilscheine seinem in Heidelberg wohnhaften Sohn. Der Schenkung ist gedanklich eine Entnahme ins Privatvermögen vorgelagert, durch die der Besteuerungsanspruch Österreichs hinsichtlich der Anteilscheine wieder auflebt, sodass die (wegzugsbedingte) Steuerfestsetzung zu unterbleiben hat. Die Schenkung an den in Deutschland wohnhaften Sohn stellt einen neuerlichen Wegzugsfall dar, für den erneut die Möglichkeit eines Antrags auf Nichtfestsetzung besteht.
Beispiel 15:
G mit Wohnsitz in Linz legt 2013 privat gehaltene Aktien in die in Köln gelegene Betriebsstätte seines Gewerbebetriebes ein. Dieser Vorgang unterliegt der Wegzugsbesteuerung; G macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Steuerschuld hinsichtlich der in den Aktien enthaltenen stillen Reserven nicht festsetzen zu lassen. 2014 verlegt G seinen Wohnsitz nach München. 2015 entnimmt G die Aktien aus dem Betriebsvermögen. Die Entnahme aus dem Betriebsvermögen lässt die Steuer-Nichtfestsetzung unberührt. Erst wenn G (oder dessen Rechtsnachfolger, der die Beteiligung unentgeltlich erworben hat) die Aktien verkauft oder seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt, hat die Steuerfestsetzung zu erfolgen.
1.2.2.5.10. Übergangsbestimmungen
Nach den Inkrafttretensbestimmungen des BBG 2011 werden Beteiligungen iSd § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 grundsätzlich in das neue Kapitalvermögensbesteuerungsregime überführt (§ 124b Z 185 lit. a und b EStG 1988; siehe Abschnitt 1.1.1.3.). Werden solche Beteiligungen:
- vor dem 1.4.2011 veräußert, kommt § 31 EStG 1988 (und allenfalls § 37 Abs. 4 Z 2 lit. b EStG 1988) noch zur Anwendung;
- nach dem 31.3.2011 veräußert, kommt bereits der 25-prozentige Sondersteuersatz zur Anwendung, wobei zu unterscheiden ist:
- Steuerverstrickte Beteiligungen unter 1% (aktuell unter 1%, aber innerhalb der letzten 5 Jahre mindestens 1%) iSd § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011, die vor dem 1.1.2011 erworben worden sind, werden nur innerhalb der fünfjährigen "Wartefrist" besteuert;
- Steuerverstrickte Beteiligungen über 1% (aktuell mindestens 1%) iSd § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 sind zukünftig stets steuerpflichtig.
Da das Wegzugsbesteuerungskonzept des § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 in § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 dem Grunde nach übernommen worden ist, findet in Bezug auf Beteiligungen iSd § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 ein nahtloser Übergang statt.
Folgende Fälle sind zu unterscheiden:
- Wird eine Beteiligung iSd § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011, bei der anlässlich eines Wegzugsfalls die Steuerschuld nicht festgesetzt worden ist, in Zukunft veräußert (bzw. findet ein die Steuerpflicht auslösender Weiterzug statt), ist sowohl nach der bisherigen als auch nach der neuen Rechtslage die Steuer nachträglich festzusetzen. Hat der Wegzug vor dem 1.4.2012 stattgefunden, steht für Anteile an inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaften noch der ermäßigte Steuersatz gemäß § 37 Abs. 4 Z 2 lit. b EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 zu.
- Findet in Bezug auf eine Beteiligung iSd § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011, bei der anlässlich eines Wegzugsfalls die Steuerschuld nicht festgesetzt worden ist, ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich statt, ist für die weitere steuerliche Behandlung zu differenzieren:
- Findet der Wiedereintritt vor dem 1.4.2012 statt, kommt es auf die Beteiligungshöhe zum 1.4.2012 an (siehe oben Abschnitt 1.1.1.3.).
- Findet der Wiedereintritt nach dem 31.3.2012 statt, ist weiter zu differenzieren:
- Kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass es sich um Altvermögen handelt, kommt es wiederum auf die Beteiligungshöhe zum 1.4.2012 an (siehe oben Abschnitt 1.1.1.3.):
- Kann der Steuerpflichtige nicht nachweisen, dass es sich um Altvermögen handelt, ist die Beteiligung zukünftig stets steuerhängig.
Wertsteigerungen, die im EU/EWR-Raum eingetreten sind, im Realisierungsfall erlösmindernd zu berücksichtigen sind (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b letzter Satz EStG 1988). Sonstige, auch in der Vergangenheit eingetretene, Wertsteigerungen werden bereits mit dem 25-prozentigen Sondersteuersatz erfasst.
Für sonstige Anteile an Körperschaften (die keine Beteiligung iSd § 31 EStG 1988 darstellen) und Anteilscheine an Kapitalanlage- und Immobilienfonds kommen die Bestimmungen über die Wegzugsbesteuerung des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 hinsichtlich des Neubestands (entgeltlicher Erwerb nach dem 31.12.2010) für Wegzugsfälle nach dem 31.3.2012 zur Anwendung.
Für alle anderen Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 kommen die Bestimmungen über die Wegzugsbesteuerung des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 hinsichtlich des Neuvermögens (entgeltlicher Erwerb nach dem 31.3.2012) für Wegzugsfälle nach dem 31.3.2012 zur Anwendung.
Beim Entstehen des Besteuerungsanspruchs der Republik Österreich (Zuzug) ist hinsichtlich der erfassten Wirtschaftsgüter und Derivate ebenfalls auf die oben genannten Fristen abzustellen: Vor dem 1.1.2011 entgeltlich erworbene Anteile an Körperschaften und Anteilscheine an Kapitalanlage- und Immobilienfonds und vor dem 1.10.2011 entgeltlich erworbene sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate sind im Zuzugsfall bei späteren Realisierungsvorgängen stets steuerfrei (soweit sie nicht unter § 31 EStG 1988 fallen). Findet der entgeltliche Erwerb nach dem jeweiligen Stichtag statt, kommt im Zuzugsfall die Aufwertungsbestimmung des § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 (Aufwertung auf den gemeinen Wert) zur Anwendung. Es bestehen keine Bedenken, wenn im Zuge der Veranlagung auch bei Zuzügen zwischen 1.1.2011 und 31.3.2012 von einer Aufwertung auf den gemeinen Wert ausgegangen wird.
Anmerkungen:
In EStR 2000 eingearbeitet.
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 27 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | KESt-Erlass, KESt-neu-Erlass, Kapitalvermögen |
Verweise: | EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 |