vorheriges Dokument
nächstes Dokument

1.1.1.11. Leistungsaustausch bei Gesellschaftsverhältnissen

BMFBMF-010219/0288-VI/4/201219.12.2012

1.1.1.11.1. Allgemeines

Rz 35
Es gilt das Trennungsprinzip: Die Umsätze der Gesellschaft (vorausgesetzt diese ist Unternehmer) sind der Gesellschaft, die Umsätze der Gesellschafter den Gesellschaftern zuzurechen. Der Gesellschafter kann auch Unternehmer sein. Ein Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist möglich.

1.1.1.11.2. Gründung von Gesellschaften

Rz 36
Bei der Gesellschaftsgründung leistet der Gesellschafter eine Einlage, die Gesellschaft gewährt Anteilsrechte. Eine Personen- oder Kapitalgesellschaft erbringt bei der der Gründung oder der Aufnahme eines weiteren Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage keine steuerbare Leistung (EuGH 26.6.2003, Rs C-442/01 , "KapHag Renditefonds 35"; EuGH 26.5.2005, Rs C-465/03 , "Kretztechnik AG"). Auch bei der Ausgabe von (atypisch) stillen Beteiligungen einer Kapitalgesellschaft ist von nicht steuerbaren Umsätzen auszugehen (BFH 18.11.2004, BStBl II 2005, 503). Zum Vorsteuerabzug siehe Rz 1992.

Rz 37
Beim Einbringen von Vermögenswerten in eine Gesellschaft kann es sich um nicht steuerbare, um steuerfreie oder um steuerpflichtige Vorgänge handeln.

Die Leistung des Gesellschafters ist nur steuerbar, wenn es sich um eine Sacheinlage handelt, die im Rahmen seines Unternehmens erfolgt. Sacheinlagen des Gesellschafters aus dem Privatbereich sowie sämtliche Geldeinlagen sind nicht steuerbar.

Beispiel 1:

Der Nichtunternehmer A leistet im Zuge der Gründung einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht eine Sacheinlage und erhält dafür 50% der Gesellschaftsanteile.

Die Sacheinlage des A ist nicht steuerbar.

Die Einräumung der Gesellschaftsanteile durch die Gesellschaft ist nicht steuerbar.

Beispiel 2:

Der Unternehmer A leistet im Zuge der Gründung einer GesBR eine Geldeinlage von 20.000 Euro im Rahmen seines Unternehmens und erhält dafür 50% der Gesellschaftsanteile.

Die Geldeinlage des A ist (unabhängig davon, dass sie durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens erfolgt) nicht steuerbar.

Die Einräumung der Gesellschaftsanteile durch die Gesellschaft ist nicht steuerbar.

Beispiel 3:

Der Unternehmer A leistet im Zuge der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Rahmen seines Unternehmens eine Sacheinlage (zB Maschinen) und erhält dafür 50% der Gesellschaftsanteile.

Die Sacheinlage des A ist, da sie im Rahmen seines Unternehmens erfolgt steuerbar und (in der Regel) steuerpflichtig.

Die Einräumung der Gesellschaftsanteile durch die Gesellschaft ist nicht steuerbar.

1.1.1.11.3. Eintritt, Ausscheiden, Wechsel von Gesellschaftern

1.1.1.11.3.1. Eintritt

Rz 38
Zum Eintritt eines neuen Gesellschafters siehe Rz 35 bis Rz 37.

1.1.1.11.3.2. Wechsel von Gesellschaftern

Rz 39
Tritt ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil (ganz oder teilweise) an einen neu eintretenden Gesellschafter ab, dann kommt es zu einem Leistungsaustausch zwischen dem neu eintretenden und dem ausscheidenden Gesellschafter (Geld- oder Sachleistung gegen Gesellschaftsrechte). Die erbrachten Leistungen sind, soweit sie von den Beteiligten im Rahmen ihres Unternehmens bewirkt werden, steuerbar, aber gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. f oder g UStG 1994 steuerfrei. Nicht steuerbar ist die Leistung des neu eintretenden Gesellschafters, falls es sich um eine Geldleistung handelt.

Beispiel:

Der Gesellschafter A (Nichtunternehmer) veräußert seinen Kommanditanteil an der X-Kommanditgesellschaft um 100.000 Euro an den B, der den Anteil im Rahmen seines Unternehmens erwirbt.

Die Leistung des A ist nicht steuerbar, da A nicht Unternehmer ist. Die Gegenleistung des B ist nicht steuerbar, da es sich um die bloße Hingabe von Geld handelt.

Rz 40
Der Übergang des Gesellschaftsanteils vom Erblasser an den Erben stellt keinen steuerbaren Vorgang dar. Es fehlt diesbezüglich am Vorliegen eines Leistungsaustausches.

1.1.1.11.3.3. Gleichzeitiger Wechsel sämtlicher Gesellschafter

Rz 41
Juristische Personen

Bei juristischen Personen, wie zB Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ist im gleichzeitigen Wechsel sämtlicher Gesellschafter kein Untergang des bisherigen und Entstehen eines neuen umsatzsteuerlichen Zurechnungssubjekts zu sehen. Der Träger der Unternehmereigenschaft, nämlich die juristische Person bleibt unverändert.

Rz 42
Personengesellschaften

Auch wenn bei einer Personengesellschaft sämtliche Gesellschafter gleichzeitig wechseln, ist darin kein Unternehmerwechsel (im Sinne eines Untergehens der alten und Entstehens einer neuen Personengesellschaft) zu sehen. Es kommt mithin nicht zu einer Geschäftsveräußerung im Ganzen.

1.1.1.11.3.4. Ausscheiden von Gesellschaftern bei Personengesellschaften

Rz 43
Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus und bleiben zumindest zwei Gesellschafter übrig, so bleibt die Gesellschaft bestehen. In der Rückgabe des Gesellschaftsanteils durch den Gesellschafter anlässlich des Ausscheidens aus der Gesellschaft ist ein Leistungsaustausch zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und der Gesellschaft zu sehen (Aufgabe der Gesellschaftsrechte gegen Abfindung). Die Leistung des ausscheidenden Gesellschafters ist, wenn sie im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt erfolgt, steuerbar und gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. f oder g UStG 1994 unecht steuerbefreit (siehe Rz 766 bis Rz 772). Die Gegenleistung der Gesellschaft ist, wenn die Abfindung in Sachwerten besteht, steuerbar, wenn sie in Geld erfolgt, nicht steuerbar.

Rz 44
Bei den verbleibenden Gesellschaftern kommt es zu einem Anwachsen der zurückgegebenen Anteile. Darin ist kein steuerbarer Vorgang zu sehen.

Beispiel:

Der Gesellschafter A gibt seinen im Rahmen seines Einzelunternehmens gehaltenen Komplementäranteil an die X-Kommanditgesellschaft gegen Abfindung in Sachwerten zurück.

Die Rückgabe der Gesellschaftsrechte durch A stellt einen steuerbaren und gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. g UStG 1994 unecht steuerbefreiten Umsatz dar.

Die Abfindung durch die X-Kommanditgesellschaft stellt einen steuerbaren und (in der Regel) steuerpflichtigen Umsatz dar.

Das Anwachsen der zurückgegebenen Gesellschaftsanteile bei den verbliebenen Gesellschaftern, die nunmehr über einen entsprechend größeren Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügen, ist kein steuerbarer Vorgang.

1.1.1.11.3.5. Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters

Rz 45
Das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft führt zur Beendigung der Personengesellschaft und zum Erlöschen der Unternehmereigenschaft. Die Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter stellt einen steuerbaren Vorgang, nämlich einen Leistungsaustausch zwischen der Gesellschaft (Leistung der Abfindung) und dem Gesellschafter (Aufgabe der Gesellschaftsrechte) dar.

Rz 46
Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, erlischt gemäß § 142 UGB bei einer offenen Gesellschaft § 161 Abs. 2 UGB für eine Kommanditgesellschaft) . Das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. Diesfalls bleibt die Unternehmerkontinuität gewahrt. Das Anwachsen der Gesellschaftsanteile beim verbleibenden Gesellschafter stellt umsatzsteuerlich keine Auflösung der Gesellschaft, somit auch keinen steuerbaren Vorgang zwischen ihm und der Gesellschaft dar.

Voraussetzung für ein nicht steuerbares Anwachsen ist, dass der verbleibende Gesellschafter das Unternehmen im Wesentlichen unverändert fortführt.

Die Leistung des ausscheidenden Gesellschafters ist, wenn sie im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt erfolgt, steuerbar und gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. f oder g UStG 1994 unecht steuerbefreit (siehe Rz 766 bis Rz 772). Die Gegenleistung der Gesellschaft (Abfindung) ist, wenn die Abfindung in Sachwerten besteht, steuerbar und (in der Regel) steuerpflichtig, wenn sie in Geld erfolgt, nicht steuerbar.

Rz 47
Auch bei einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht kann vereinbart werden, dass bei Ausscheiden der übrigen Gesellschafter die Übernahme des Unternehmens durch den verbleibenden Gesellschafter ohne weiteren Übertragungsakt erfolgt. Auch hier bleibt also die Unternehmerkontinuität bestehen.

Gleiches gilt für land- und forstwirtschaftliche Besitzgemeinschaften, wenn einer der beiden Miteigentümer (zB Ehegatten) seine Besitzanteile in das Eigentum des anderen Miteigentümers überträgt. Voraussetzung ist aber, dass der land- und fortwirtschaftliche Betrieb nach der Übertragung der Besitzanteile im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird.

Wenn - ohne Eigentumsübertragung - die Bewirtschaftung aufgrund einer Bewirtschaftungsvereinbarung auf einen Miteigentümer übergeht, der nach außen als alleiniger Betriebsführer auftritt, gilt das umsatzsteuerlich in der Regel als Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, der als nicht steuerbarer Vorgang angesehen werden kann.

1.1.1.11.4. Auflösung von Gesellschaften

Rz 48
Die Auflösung einer Gesellschaft führt nicht zum Verlust der Unternehmereigenschaft, diese bleibt vielmehr bis zum Ende der Liquidation erhalten. In der Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Zuge der Liquidation ist ein Leistungsaustausch zwischen den Gesellschaftern (Aufgabe der Gesellschaftsrechte) und der Gesellschaft (Leistung der Abfindung) zu sehen.

Beispiel:

Die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft vereinbaren die Auflösung der Gesellschaft und die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens untereinander.

Die Aufgabe der Gesellschaftsrechte durch die Gesellschafter ist, wenn sie im Rahmen ihres jeweiligen Unternehmens erfolgt, steuerbar und gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. g UStG 1994 unecht steuerfrei. Die Abfindung durch die Gesellschaft ist, soweit sie in Sachwerten besteht, steuerbar und (in der Regel) steuerpflichtig, soweit sie in Geld besteht, nicht steuerbar.

Stichworte