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Qualifikationskonflikt bei deutscher Betriebsaufspaltung

BMFBMF-010221/0963-IV/4/201111.5.20112011

EAS 3209

Veräußern zwei in Österreich ansässige Steuerpflichtige ihre je 50-prozentigen Anteile an einer deutschen Maschinenfabriks-GmbH an eine ihnen gehörige österreichische GmbH, unterliegt der hierbei anfallende Veräußerungsgewinn nach Artikel 13 Abs. 5 DBA-D der ausschließlichen österreichischen Besteuerung. Gemäß Artikel 13 Abs. 3 würde im gegebenen Zusammenhang ein deutsches Besteuerungsrecht daran nur dann gegeben sein, wenn die veräußerten Gesellschaftsanteile zum Betriebsvermögen einer Betriebstätte gehören, die die beiden österreichischen Steuerpflichtigen in Deutschland unterhalten.

Hat die deutsche Maschinenfabriks-GmbH die Betriebsliegenschaften von einer deutschen KG gemietet, deren zu je 50% beteiligte Kommanditisten die beiden in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen sind, und beschränkte sich die Funktion der deutschen Personengesellschaft auf die bloße Vermietung der Betriebsliegenschaft an die nahestehende deutsche Fabriks-GmbH, liegt nach österreichischem Steuerrecht keine betriebliche, sondern nur eine vermögensverwaltende Tätigkeit vor, die nicht geeignet ist, eine deutsche Personengesellschaftsbetriebstätte der beiden österreichischen Kommanditisten zu begründen.

Wird demgegenüber aber im Rahmen einer deutschen Betriebsprüfung festgestellt, dass auf Grund der Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen und des Bestandes identischer Beteiligungsverhältnisse der Fall einer Betriebsaufspaltung vorliegt, der die Vermietungseinkünfte zu betrieblichen Einkünften werden lässt, wobei die Beteiligung an der Maschinenfabriks-GmbH als Sonderbetriebsvermögen der deutschen Personengesellschaft qualifiziert wird, dann tritt hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung dieser Beteiligung an der deutschen Maschinenfabriks-GmbH durch die beiden österreichischen Steuerpflichtigen ein Qualifikationskonflikt ein. Österreich hat - wie oben begründend ausgeführt - das Besteuerungsrecht auf Grund von Artikel 13 Abs. 5 DBA-D beansprucht, während die deutsche Betriebsprüfung nunmehr nachträglich deutsche Steuerpflicht gemäß Artikel 13 Abs. 3 DBA-D geltend macht.

Mit Qualifikationskonflikten dieser und ähnlicher Art, die sich aus einem nach Art. 3 Abs. 2 vorgesehenen Rückgriff auf nationales Steuerrecht ergeben, haben sich bereits mehrere EAS-Auskünfte befasst. Dies mit dem Ergebnis, dass dann, wenn Deutschland in Übereinstimmung mit dem Abkommen ein Besteuerungsrecht in Anspruch nimmt, sich für Österreich die Verpflichtung zur Steuerfreistellung gemäß Artikel 23 Abs. 2 des Abkommens ergibt (EAS 2185 unter Hinweis auf EAS 1441 und EAS 2062; ähnlich auch EAS 1668).

Wichtigste Voraussetzung für die Steuerfreistellung im Fall eines durch Art. 3 Abs. 2 DBA verursachten Qualifikationskonfliktes ist allerdings, dass innerstaatliches Recht nicht in einer dem DBA zuwiderlaufenden Art angewendet wird. Die vorgenannten EAS stammen durchwegs aus Zeitperioden vor dem OECD-Update 2008, mit dem die Grundsätze des AOA Eingang in die DBA-Auslegung gefunden haben. Für die Beurteilung, ob Vermögenswerte (hier: die Anteile an der deutschen Maschinenfabriks-GmbH) einer deutschen Betriebstätte zurechenbar sind, ist eine Funktions- und Risikoanalyse erforderlich, wobei "Funktionen" grundsätzlich nur solche sein können, die von Unternehmensmitarbeitern ausgeübt werden ("significant people functions", siehe VPR 2010 Rz 183). Für die Frage, ob sich aus dem DBA eine Steuerfreistellungsverpflichtung für Österreich ergibt, wird daher zunächst zu klären sein, welche Räumlichkeiten auf deutscher Seite als Betriebstätte im Sinn von Artikel 5 DBA-Deutschland gewertet werden und welche Funktionen von Mitarbeitern in diesen Räumlichkeiten tatsächlich ausgeübt wurden. Davon wird abhängen, ob auf der Grundlage einer AOA-konformen DBA-Auslegung belegbar ist, dass diese Funktionsausübung die wirtschaftliche Zuordnung der gegenständlichen Beteiligungen erforderte. Aus den hier vorliegenden Informationen über das Ergebnis der deutschen Betriebsprüfung ist nicht erkennbar, ob den Grundsätzen des AOA ausreichend Rechnung getragen worden ist.

Bundesministerium für Finanzen, 11. Mai 2011

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 13 Abs. 5 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 13 Abs. 3 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 3 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 5 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

Betriebsaufspaltung, Qualifikationskonflikt, AOA, Betriebstättenzuordnung von Kapitalanteilen

Verweise:

VPR 2010, Verrechnungspreisrichtlinien 2010 Rz 183
EAS 2185
EAS 1441
EAS 2062
EAS 1668

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