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Anrechnungsvortrag im Wege des § 48 BAO

BMFBMF-010221/1201-IV/4/200922.5.20092009

EAS 3065

Vergibt eine österreichische Muttergesellschaft Darlehen an ihre belgische Tochtergesellschaft und erzielt sie daraus in den Jahren 2000 bis 2004 Zinsenerträge (=Zinseneinkünfte) in Höhe von 9 Mio. EUR, von denen in Belgien in Übereinstimmung mit dem DBA-Belgien eine Abzugssteuer von 15% sonach 1.350.000 EUR erhoben worden sind, wobei infolge einer Verlustentwicklung bei der österreichischen Muttergesellschaft in diesen Jahren nur 340.000 EUR abkommenskonform in Österreich angerechnet werden konnten, dann verbleibt damit ein nicht angerechneter Rest an belgischer Quellensteuer von 1.010.000 EUR (1.350.000 - 340.000). Die Anrechnung konnte in Österreich deshalb nur mit 340.000 EUR erfolgen, weil die Zinseneinkünfte nur im Ausmaß von 1 Mio. EUR die Verluste überstiegen haben und daher angesichts der damaligen 34-prozentigen Körperschaftsteuerbelastung zu einer österreichischen Körperschaftsteuer und damit zu einem Anrechnungshöchstbetrag von nur 340.000 EUR geführt haben. Die belgischen Zinseneinkünfte von 9 Mio. EUR haben damit aber gleichzeitig die Verlustvorträge um 8 Mio. EUR gekürzt (bzw. das Entstehen eines Verlustvortragsanspruches überhaupt verhindert).

Ergab sich im Jahr 2005 neben belgischen Zinseneinkünften von 1.000.000 (inkl. der belgischen Abzugssteuer von 150.000) erstmals wieder ein Gewinn von 2.000.000 für die Muttergesellschaft (steuerpflichtiges Einkommen 2005 sonach 3.000.000), dann löste dies bei einem Steuersatz von 25% österreichische Körperschaftsteuer in Höhe von 750.000 aus. Diese Körperschaftsteuer entfällt mit 250.000 auf die belgischen Zinsen des Jahres 2005; auf diesen Körperschaftsteuerteil ist die belgische Quellensteuer mit 150.000 voll anrechenbar. Mit 500.000 entfällt sie auf den Restgewinn. Die Körperschaftsteuer ist daher mit 600.000 (750.000 - 150.000) vorzuschreiben.

Hätten allerdings die belgischen Zinsen in den Vorjahren den Verlustvortrag nicht gekürzt, dann stünden noch 8 Mio. EUR an Verlustvorträgen zur Verfügung und es wäre daher im Veranlagungsjahr 2005 - unter Berücksichtigung der Verlustvortragsgrenze - nur 25% des Einkommens, sonach 750.000, steuerpflichtig, was zu einer Steuerleistung von 187.500 (25% von 750.000) führte, auf die die belgische Steuer von 150.000 anzurechnen ist, sodass eine vorzuschreibende Steuer von 37.500 verbliebe. Hätten die belgischen Zinsen nicht das Entstehen des Verlustvortrages unterdrückt, dann hätte bei der Veranlagung 2005 sonach ein Verlust in Höhe von 2.250.000 (75% von 3.000.000 unter Berücksichtigung der Verlustvortragsgrenze) vorgetragen werden können (ohne bei diesen Beispielsangaben hierbei den Anrechnungshöchstbetrag für die belgische Quellensteuer des Jahres 2005 zu kürzen). Im Ergebnis belastet daher in dem beschriebenen Beispielsfall die österreichische Körperschaftsteuer des Jahres 2005 in Höhe von 562.500 (600.000 abzüglich 37.500) die im Zeitraum 2000 bis 2004 zugeflossenen belgischen Zinsen, weil diese Zinsen - infolge der Unterdrückung des Verlustvortrages - das Einkommen des Jahres 2005 erhöht haben. In diesem Ausmaß liegt daher eine "wirtschaftliche Doppelbesteuerung" der belgischen Zinsen vor.

Da eine solche wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht eingetreten wäre, wenn die Darlehensvergabe an eine österreichische Tochtergesellschaft erfolgt wäre, wird nicht nur aus wirtschaftlichen und standortpolitischen Gründen, sondern auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine Beseitigung dieser Doppelbesteuerung anzustreben sein.

Das BM für Finanzen ist daher bereit, auf Grund eines ausreichend begründeten Antrages ein auf § 48 BAO gestütztes Entlastungsverfahren zum Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung einzuleiten, wenn das Vorliegen einer ausgleichsbedürftigen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der anrechnungsbegünstigten Auslandseinkünfte ausreichend dokumentiert wird. Dazu zählt auch eine ausreichend nachvollziehbare Dokumentation über die Ermittlung der Auslandseinkünfte. Im beschriebenen Fall belgischer Zinsen wäre daher auch die Herkunft der Darlehensmittel zu belegen und es wären alle Kosten, insb. eventuelle Refinanzierungskosten, einkünftekürzend anzusetzen. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht müsste darüber hinaus ein sachgerechtes Aufzeichnungssystem entwickelt werden, das auch bei komplizierten Sachverhaltsentwicklungen eine verlässliche Prüfung der Umsetzung des Anrechnungsvortrages zulässt.

Bundesministerium für Finanzen, 22. Mai 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 48 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
DBA B (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Belgien (Einkommen-, Vermögens-, Gewerbe- u. Grundsteuer), BGBl. Nr. 415/1973

Schlagworte:

Anrechnungsvortrag, Anrechnungshöchstbetrag, Verlustvortrag, Vortragsgrenze, wirtschaftliche Doppelbesteuerung

Stichworte