6.3.1 Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung
Aus § 6 EStG 1988 ergibt sich, dass nur verwirklichte Gewinne der Besteuerung unterliegen. Die Gewinnverwirklichung tritt grundsätzlich bei der Veräußerung oder dem sonstigen Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen ein.Gewinnrealisierung tritt ein, wenn der Abnehmer das wirtschaftliche Eigentum erwirbt (VwGH 8.3.1994, 93/14/0179).
6.3.2 Schwebende Rechtsverhältnisse
Bei zweiseitig verbindlichen Verträgen, die noch von keiner Seite erfüllt wurden (schwebende Geschäfte), gilt der Grundsatz, dass sich die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten wechselseitig ausgleichen und daher buch- und bilanzmäßig nicht zu berücksichtigen sind (VwGH 6.11.1968, 1637/66; VwGH 28.4.1970, 1296/68). Die bilanzmäßige Erfassung der Anzahlungen hat keinen Einfluss auf den Schwebezustand (siehe Rz 2327 f).6.3.3 Dauerschuldverhältnisse
Im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen erfolgt die Gewinnrealisierung im Umfang der anteiligen Leistungserbringung. Es ist daher wesentlich, ob Leistungen zeitpunkt- oder zeitraumbezogen erbracht werden (VwGH 18.1.1994, 90/14/0124).Mieterträge sind unabhängig vom Abrechnungs- und Zahlungszeitpunkt zeitanteilig zu realisieren.
Wird das Entgelt leistungsabhängig berechnet (zB nach den gefahrenen Kilometern), sind bei der Bilanzierung Kenntnisse über das Ausmaß der Nutzung durch den Mieter zu verwerten.
Einzelfälle:
Abgrenzbare Teilleistungen
Die allgemeinen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung umfassen auch die Bewertungsgrundsätze, wozu auch das Realisationsprinzip zählt. Danach dürfen Gewinne erst ausgewiesen werden, wenn sie realisiert sind. Gewinnrealisierung darf erst angenommen werden, wenn der Gewinn durch einen Umsatz verwirklicht, also die Leistung erbracht ist. Bei Dauerschuldverhältnissen erfolgt sie pro rata temporis; die Gewinne werden bei solchen durch kontinuierliche Leistungserbringung gekennzeichneten Vertragsverhältnissen laufend nach Maßgabe der Leistungserbringung realisiert und sind daher jedenfalls zum jeweiligen Bilanzstichtag auszuweisen (VwGH 29.04.2003, 99/14/0112VwGH 06.07.2006, 2003/15/0123).Bei Erbringung abgrenzbarer Teilleistungen wird mit dem Abschluss jeder einzelnen Teilleistung der darauf entfallende Gewinnanteil verwirklicht.
Die von einem Wirtschaftstreuhänder besorgte laufende Führung von Büchern, die Lohnverrechnung und die Errechnung monatlich abzuführender Abgaben stellen abgrenzbare Teilleistungen dar; dies selbst dann, wenn sich an diese Tätigkeiten die Erstellung des Jahresabschlusses und die Ausfertigung der Abgabenerklärungen anschließen. Der auf die genannten Teilleistungen entfallende Gewinnanteil ist bei buchführenden Wirtschaftstreuhändern ungeachtet des Zeitpunktes der Ausstellung der Honorarnote jeweils am Ende des betreffenden Kalenderjahres zu aktivieren (VwGH 1.12.1981, 81/14/0017).
Dies gilt sinngemäß für abgrenzbare und abrechenbare Teilleistungen anderer buchführender Freiberufler (zB VwGH 16.2.1962, 0005/59).
Abgrenzbare und abrechenbare Teilleistungen sind auch bei Wiederkehrschuldverhältnissen, Sukzessivlieferungsverträgen und Dauerwartungsverträgen anzunehmen.
Bei Bauleistungen ist für die Gewinnrealisierung auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums in Form der Übertragung der faktischen Verfügungsmöglichkeit abzustellen. Der Zeitpunkt der Legung der Schlussrechnung ist nicht maßgeblich. Vielmehr ist aus dem Gesamtbild der Verhältnisse der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht zu ermitteln (VwGH 6.7.2006, 2003/15/0123).
Werden im Rahmen langfristiger Fertigungen (insbesondere Bauleistungen, die in mehrere Wirtschaftsjahre fallen) keine abgrenzbaren Teilleistungen erbracht, ist im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 eine Gewinnrealisierung erst im Zeitpunkt der Lieferung (Abnahme) vorzunehmen.
Eine abgrenzbare Teilleistung liegt bspw. bei der Fertigstellung eines von mehreren herzustellenden Reihenhäusern vor. Vor der Fertigstellung sind unvollendete, nicht abgerechnete Bauvorhaben mit den Herstellungskosten der teilfertigen Bauten anzusetzen. Von einer Fertigstellung kann nur ausgegangen werden, wenn im Gesamtgefüge des Geschäfts den ausstehenden Arbeiten eine zu vernachlässigende Bedeutung zukommt und der auf die ausstehenden Arbeiten entfallende Betrag eine zu vernachlässigende Höhe ausmacht (VwGH 15.2.1994, 93/14/0175). Der tatsächlichen Abrechnung kommt für die Realisation keine besondere Bedeutung zu (VwGH 19.9.1989, 89/14/0119).
Die ausständige Montageüberwachung über den Zeitpunkt des Eigentumsüberganges hinaus rechtfertigt ein Hinausschieben des Realisierungszeitpunkts nicht. Dafür ist durch eine Rückstellung vorzusorgen.