VwGH 82/14/0243

VwGH82/14/02433.5.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Sperlich, über die Beschwerde des JL in S, vertreten durch Dr. Dieter Beimrohr, Rechtsanwalt in Lienz, Rosengasse 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat, vom 5. Juli 1982, Zl. 20.885-3/81, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1976, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §6 Z4;
EStG 1972 §6 Z9;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982140243.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Eigentümer eines geschlossenen Tiroler Hofes in S samt dem darauf geführten "Fremdenheim" (Konzession für das Gast- und Schankgewerbe zur Beherbergung und Frühstücksabgabe an die im Hause wohnenden Gäste, beschränkt auf die Zeit vom 1. Juni bis 30. September jeden Jahres). Das Finanzamt veranlagte den Beschwerdeführer, der schon in der Gewerbesteuererklärung angegeben hatte, die Gewerbesteuerpflicht habe nur bis 30. September 1976 bestanden, für 1976 mit einem Umsatz aus dem "Fremdenheim" von S 114.980,-- und einem (geschätzten) Gewinn von S 39.819,--. Der Gewinn aus der Landwirtschaft wurde auf Grund von Durchschnittssätzen mit S 1.146,-- errechnet.

Bei einer abgabenbehördlichen Prüfung im Mai 1980 ermittelte das Prüfungsorgan den Teilwert des (offenbar dem "Fremdenheim" und eigenen Wohnzwecken dienenden) Gebäudes mit S 216.217,--. Nach Ausscheiden eines "privat genutzten Anteiles" von 53 % verblieben S 101.622,--, um welchen Betrag der Prüfer den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit der Begründung erhöhte, die unentgeltliche Übertragung eines Betriebes stelle keine Betriebsaufgabe dar, auch wenn dabei ein Wirtschaftsgut (hier das Betriebsgebäude) zurückbehalten werde, "hinsichtlich eines solchen Wirtschaftsgutes liegt eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme vor".

Das Finanzamt schloß sich dem Prüfer an und erließ dementsprechend den berichtigten Einkommensteuerbescheid 1976 und den berichtigten Gewerbesteuerbescheid 1976.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und verwies darauf, er habe bereits zum 1. Oktober 1976 seinem Sohn die Landwirtschaft samt dem Betriebsgebäude ins Eigentum übertragen. Seither habe der Sohn "die Herrschaft über das gesamte Betriebsvermögen gleich einem Eigentümer" ausgeübt. Der Berufung angeschlossen war der notariell beglaubigte Übergabsvertrag vom 10. Juli 1980, in dem vorweg festgehalten ist, der Beschwerdeführer habe mit 1. Oktober 1976 seinem Sohn den gegenständlichen "Gewerbe- und Landwirtschaftsbetrieb mit dem ausgewiesenen Liegenschaftsvermögen" bereits zu Eigentum übergeben. Die Ausfertigung einer eigenen Urkunde hierüber sei bis jetzt unterblieben. Im übrigen hat der Übergabsvertrag den üblichen Inhalt bäuerlicher Übergabsverträge (Naturalleistungen an den Beschwerdeführer und seine Frau, Einmalzahlung von S 100.000,-- auf Abruf, Rechte weichender Geschwister), enthält die Verpflichtung des Sohnes, den Beschwerdeführer für alle seit dem 1. Oktober 1976 herrührenden und allenfalls noch hervorkommenden Verbindlichkeiten schad- und klaglos zu halten, und ist in einer für seine Verbücherung geeigneten Form ausgefertigt.

In den Akten befindet sich eine mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift vom 27. Mai 1980, in der der Beschwerdeführer angibt, sein Sohn sei "nur Konzessionsinhaber und kann lediglich das gesamte Grundstück benützen. Als Gegenleistung wurde nur eine Naturalleistung von Milch und Butter vereinbart".

Auf Grund einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In dem diesbezüglichen Schriftsatz führte er aus, sein Sohn habe 1976 bis 1978 keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt. Das sei zwar unrichtig; der Sohn sei dabei aber nicht anders vorgegangen, wie der Beschwerdeführer in den Vorjahren. Dasselbe gelte für die Absetzung für Abnutzung von dem gegenständlichen Gebäude.

Über Vorhalt der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer neuerlich aus, sein Sohn habe bereits ab 1. Oktober 1976 die Herrschaft über das gesamte Betriebsvermögen gleich einem Eigentümer ausgeübt und seit diesem Zeitpunkt "das Geschäft" auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung geführt. Der Beschwerdeführer habe sich vollständig zurückgezogen und den Gewerbe- und Landwirtschaftsbetrieb samt Anlage- und Liegenschaftsvermögen seinem Sohn zu Eigentum übergeben.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Einkommensteuerbescheid insofern, als sie die nach Durchschnittssätzen ermittelten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft statt mit S 1.146,-- mit S 1.440,-- ansetzte. Dieser Punkt ist vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittig. Im übrigen wies die belangte Behörde die Berufung ab. In dem angefochtenen Bescheid bezeichnet es die belangte Behörde als unbestritten, daß der Beschwerdeführer am 1. Oktober 1976 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb "sowie den Beherbergungsbetrieb an seinen Sohn unentgeltlich übergeben"

habe. Da eine "Betriebsübergabe ... sowohl mit, als auch ohne

das Gebäude denkbar und durchaus auch im Zuge von landwirtschaftlichen Übergabsverträgen üblich gewesen wäre", sei im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer am 27. Mai 1980 "noch grundbücherlicher

Eigentümer des ... Gebäudes" gewesen sei. Dies und die Überlassung

der gesamten Liegenschaft lediglich zur Nutzung gegen die Naturalleistung von Milch und Butter lasse "allein schon den Schluß zu, daß die Betriebsübergabe nur hinsichtlich der Gewerbekonzession und der sonstigen Betriebsvorrichtung erfolgt"

sei, der Beschwerdeführer "aber das Betriebsgebäude ... zum

damaligen Zeitpunkt zurückbehalten" habe. Der Einwand, der Sohn des Beschwerdeführers habe Investitionen und Reparaturen vorgenommen, spreche nicht für wirtschaftliches oder zivilrechtliches Eigentum, da derartige Aufwendungen auch bei in fremden Gebäuden untergebrachten Betrieben getätigt würden. Solche Maßnahmen seien umso verständlicher, wenn der Betriebsinhaber mit dem Erwerb des Gebäudes im Erbschafts- oder Schenkungsweg rechnen könne. Der Mitteilung des Sohnes des Beschwerdeführers an das Finanzamt vom 26. März 1977, daß dieser das "Fremdenheim mit dazugeh. Besitz" übernommen habe, könne keine entscheidende Bedeutung im Sinne des Beschwerdeführers zukommen, weil diese derart unklar abgefaßt sei, daß sie "Deutungsmöglichkeiten in die verschiedensten Richtungen" offen lasse (so werde z. B. darin über den landwirtschaftlichen Betrieb, insbesondere über die landwirtschaftlich genutzten Gebäudeteile überhaupt nichts ausgesagt), und zudem, sollte man ihr den vom Beschwerdeführer zugedachten Sinn beimessen, im klaren Widerspruch zu seiner eigenen Erklärung vom 27. Mai 1980 stünde. Deren Aussagekraft wolle der Beschwerdeführer zwar mit dem Hinweis auf seine völlige Rechtsunkundigkeit und Unkenntnis des Sachverhaltes in Zweifel ziehen, dennoch könne aber unbestreitbar nicht ernsthaft behauptet werden, der Beschwerdeführer könne auch bei zugestandenem fehlenden juristischen Wissen nicht so grundlegende Vorgänge wie Eigentumsübertragung und Nutzungsüberlassung bei Liegenschaften auseinanderhalten. Unter Erwähnung des Grundsatzes, daß rückwirkende vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen abgabenrechtlich nicht anerkannt würden, kam die belangte Behörde zu dem Schluß, der notarielle Übergabsvertrag enthalte einen rückdatierten Übergabetermin und sei "insbesondere auch wegen des auffallenden zeitlichen Zusammenhanges unter dem Druck der zu erwartenden Abgabennachforderung" abgeschlossen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob die Übergabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und damit verbunden die Überlassung des dem "Fremdenheim" gewidmeten Betriebsvermögens entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist. Erfolgte die Betriebsübergabe entgeltlich, so liegt jedenfalls hinsichtlich aller Wirtschaftsgüter, die von der Übertragung erfaßt sind, eine die Überführung eines Wirtschaftsgutes in das Privatvermögen bildende Entnahme nicht vor. Fand die Übertragung unentgeltlich statt, so sind alle mit dem Betriebsvermögen überlassenen Wirtschaftsgüter mit den Buchwerten beim Erwerber fortzuführen (§ 6 Z. 9 EStG 1972).

Von dieser Rechtslage geht auch die belangte Behörde aus. Sie meint jedoch, das beschwerdegegenständliche Gebäude sei, soweit es Zwecken des "Fremdenheimes" gedient habe, dem Sohn des Beschwerdeführers nicht schon mit Stichtag 1. Oktober 1976 überlassen worden. Hinsichtlich dieses Gebäudeteiles liege eine Überführung in das Privatvermögen des Beschwerdeführers - eine gemäß § 6 Z. 4 EStG 1972 zu bewertende Entnahme - vor. Diese Annahme der belangten Behörde ist verfehlt.

Zutreffend stellt die belangte Behörde an die Spitze ihrer Überlegungen die Feststellung der Übergabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch den Beschwerdeführer an seinen Sohn per 1. Oktober 1976 verbunden mit der gleichzeitigen Überlassung des dem "Fremdenheim" dienenden Betriebsvermögens (ausgenommen den strittigen Gebäudeteil).

Dabei erblickt die belangte Behörde kein allenfalls die abgabenrechtliche Wirksamkeit der Hofübergabe beeinträchtigendes Hindernis in dem Umstand der erst Jahre später erfolgten Verbücherung dieses Vorganges. Nur in Ansehung des dem "Fremdenheim" dienenden Gebäudeteiles legt die belangte Behörde einen anderen Maßstab an. Es ist dies umso weniger einzusehen, als von den "Deutungsmöglichkeiten in die verschiedensten Richtungen" eine die wahrscheinlichste ist, weil sie die einzige ist, die mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht: Der Beschwerdeführer hat gleichzeitig seinen ganzen Besitz an seinen Sohn übertragen, das "Fremdenheim" hat in diesem Zusammenhang gegenüber dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb keine Sonderstellung eingenommen, umso weniger aber ein einzelnes Wirtschaftsgut desselben. Es ist im vorliegenden Fall vielmehr - ausgehend von den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde - ein bäuerlicher Übergabsvertrag anzunehmen, der zunächst nicht verbüchert wurde. Diese vorerst fehlende bücherliche Übereignung hindert die steuerliche Beachtlichkeit nicht, denn auch sonst ist auf dem Gebiet des Ertragsteuerrechtes für die Anerkennung des Eigentums formales Grundbuchseigentum nach Lage des Falles nicht erforderlich (vgl. z. B. Sicherungsübereignung, Eigentumsvorbehalt etc.). Bestand für die belangte Behörde aber am Titel für den Eigentumserwerb und am tatsächlichen Besitzstand kein Zweifel, so ist es unverständlich, in Ansehung des einen integrierenden Teiles des Vermögens des Beschwerdeführers bildenden, dem "Fremdenheim" dienenden Gebäudeteiles Gegenteiliges, nämlich vorherige Überführung in das Privatvermögen, anzunehmen. Abgesehen davon, daß nach Ausweis der Akten alles für die Glaubwürdigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers spricht, ihm fehle jede rechtliche Kenntnis, kann dem Beschwerdeführer bei dem gegebenen Sachverhalt nicht unterstellt werden, er habe zwar sonst sein ganzes Vermögen - dessen bedeutungsvollster Teil wegen des Grundbesitzes wohl noch immer die Landwirtschaft ist - seinem Sohn übertragen, den strittigen Gebäudeteil aber sich eigentümlich vorbehalten, um gegen die laufende Nutzungsüberlassung Butter und Milch zu bekommen. Für diese von der belangten Behörde angestellte Schlußfolgerung spräche allein ein Wille des Beschwerdeführers, dem Bund jene Einkommensteuer zur Erhebung zu überlassen, die sich aus dieser Konstruktion ergibt. Daß der Beschwerdeführer diese Absicht gehabt und sich deshalb zu einem mit dem übrigen Bild der Verhältnisse des Beschwerdefalles nicht übereinstimmenden Verhalten entschlossen hätte, beruht auf einer den Erfahrungen des täglichen Lebens eklatant widersprechenden Annahme der belangten Behörde.

Die belangte Behörde hat somit den von ihr festgestellten Sachverhalt rechtlich unrichtig gewürdigt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 3. Mai 1983

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