EAS 3021
Wird von einer österreichischen Produktionsgesellschaft mit ausländischen Künstlern in Österreich eine konzertante Opernproduktion einstudiert, die sodann in der Schweiz und in Frankreich zur Aufführung gelangt, stellt sich unter anderem die Frage, ob die österreichische Produktionsgesellschaft hinsichtlich der mit Werkvertrag engagierten und in Frankreich, Spanien, Belgien, Italien und in der Schweiz ansässigen Künstler zur Einbehaltung der 20-prozentigen Abzugssteuer nach § 99 EStG 1988 verpflichtet ist.
Isoliert nach inländischem Recht beurteilt, besteht diese Abzugspflicht, und zwar nicht nur hinsichtlich der in Österreich ausgeübten Tätigkeiten der Künstler, sondern auch hinsichtlich ihrer Auslandsauftritte; auch bei den Auslandsauftritten wird die Tätigkeit der Künstler in Österreich "verwertet". Denn es spricht die Vermutung für eine Verwertung im Inland, wenn eine Leistung im Ausland für einen inländischen Auftraggeber erbracht wird (VwGH 20.10.1982, 81/13/0083); diese Gegebenheiten liegen im geschilderten Fall vor.
Allerdings ergibt sich aus den mit den genannten Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), dass bei in diesen Staaten ansässigen Künstlern Österreich nur dann ein Besteuerungsrecht erlangt, wenn die Künstler ihre Tätigkeit persönlich in Österreich ausüben; eine Steuerpflicht kraft "Verwertungstatbestandes" wird durch DBA nicht zugelassen.
Nach der von Österreich derzeit vertretenen Auffassung werden Entgelte, die ein Künstler für einen Auftritt bei einer Veranstaltung erhält, im Allgemeinen für eben diesen Auftritt und nicht für dessen Vorbereitung gezahlt. Es ist daher im vorliegenden Fall entscheidend, ob die vertraglichen Vereinbarungen in diesem Sinn zu werten sind, oder ob möglicherweise abweichend davon vereinbart worden ist, dass Teile der Gage für die Vorbereitungsarbeit in Österreich gezahlt werden. Im Zweifel wird man sich daran orientieren können, ob Künstler einen teilweisen Gagenanspruch behalten, wenn sie zwar an Inlandsproben teilgenommen haben, dann aber verhindert sind, am Auftritt im Ausland mitzuwirken. Von der Beurteilung dieser Frage hängt ab, ob die Künstlerentgelte zur Gänze oder nur teilweise gemäß den Doppelbesteuerungsabkommen mit den Ansässigkeitsstaaten der Künstler von der österreichischen Besteuerung zu entlasten sind.
Für ein solches DBA-Entlastungsverfahren gelten die Regelungen der DBA-Entlastungsverordnung (BGBl. III Nr. 92/2005; Durchführungserlass AÖF Nr. 127/2006). Darnach kann bei Künstlern, die ordnungsgemäß bestätigte Vordrucke ZS-QU1 beibringen, der Steuerabzug nach Maßgabe der DBA unterbleiben.
Allerdings ist im gegebenen Zusammenhang noch Folgendes zu beachten: Sowohl das DBA mit der Schweiz als auch jenes mit Frankreich enthält in Artikel 17 Absatz 2 eine Bestimmung, die es - nach österreichischer Auslegung - diesen Ländern gestattet, die von den schweizerischen und französischen Veranstaltern für das Konzert an die österreichische Produktionsgesellschaft gezahlten Pauschalentgelte zu besteuern. Sollte dies in der Form geschehen, dass die beiden Länder den Bruttobetrag der genannten Pauschalentgelte besteuern, dann würden dadurch - in durchaus DBA-konformer Weise - sowohl die Einnahmen der österreichischen Produktionsgesellschaft als auch die im Pauschalentgelt enthaltenen Künstlergagen mitbesteuert. Ist die österreichische Produktionsgesellschaft in einem solchen Fall in der Lage, eine solche Abzugsbesteuerung in der Schweiz und Frankreich zu dokumentieren, kann der Steuerabzug von den an die ausländischen Künstler gezahlten Gagen auch ohne Vorliegen eines Vordruckes ZS-QU1 unterbleiben. Wenn die ausländische Steuerbehörde auf der Grundlage von Artikel 17 Abs. 2 solcherart auch die der österreichischen Produktionsgesellschaft zuzurechnenden Einnahmen besteuert, erlangt die österreichische Produktionsgesellschaft gemäß Artikel 23 der DBA mit der Schweiz und mit Frankreich eine Steuerbefreiung für ihren Reingewinn aus den Auslandskonzerten (Betriebseinnahmen abzüglich aller mit den Konzerten im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben). Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn in der Schweiz oder in Frankreich auf Grund des maßgeblichen innerstaatlichen Rechts der Steuerabzug auf den bloßen Künstleranteil, also auf die Zahlungen, die den Künstlern zufließen, beschränkt wird und daher die österreichische Produktionsgesellschaft nicht als steuerpflichtig im Sinne des Art. 17 Abs. 2 des jeweils anzuwendenden DBA angesehen wird.
Eine Abklärung mit der ausländischen Steuerverwaltung wäre jedenfalls empfehlenswert, weil zu vermuten ist, dass die Veranstalter in der Schweiz und in Frankreich einer nach dem nationalem Recht der beiden Staaten bestehenden Steuerabzugsverpflichtung nicht dadurch ausweichen konnten, dass sie vertraglich die österreichische Produktionsgesellschaft verpflichtet haben, sich um die steuerlichen Belange zu kümmern. Es ist daher nicht auszuschließen, dass erst Jahre nach den Konzerten im Rahmen von Steuerprüfungen den Veranstaltern in der Schweiz und in Frankreich noch nachträglich Abzugssteuern vorgeschrieben werden.
Bundesministerium für Finanzen, 24. November 2008
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Auslandskonzerte, Musikveranstaltungen, Steuerabzugsverpflichtung, Verwertungstatbestand, Vorbereitungstätigkeiten, Proben, Nettoabzugsbesteuerung, Konzertproduktionsgesellschaft, ZS-QU1 |
Verweise: | DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005 |