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Das DBA-Brasilien sieht, wie auch mehrere andere DBA, eine "Matching-Credit"-Bestimmung vor, derzufolge Österreich zur Anrechnung einer Fiktivquellensteuer vor allem bei Dividenden und Zinsen verpflichtet wird, falls Brasilien auf die tatsächliche Erhebung einer Quellensteuer von diesen Erträgen verzichten sollte. Die Höhe dieser fiktiv anzurechnenden Steuer beträgt gemäß Artikel 23 Abs. 5 des Abkommens mit Brasilien 25% des "Bruttobetrages der Einkünfte".
In einem vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Beschwerdefall hat die Abgabenbehörde die anzurechnende Fiktivsteuer mit 25% des Bruttobetrages der Zinseneinnahmen angesetzt, gleichzeitig aber wegen eines die Zinserträge in wirtschaftlicher Betrachtungsweise mindernden Wertverlustes der zugrundeliegenden Forderung den Anrechnungshöchstbetrag von den um diesen Aufwand gekürzten Zinseneinkünften berechnet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten, dass der anzurechnende Fiktivsteuerbetrag nicht von den Zinseneinnahmen, sondern ebenfalls von dem Betrag der Zinseneinkünfte hätte berechnet werden sollen (VwGH 25.11.2002, 99/14/0099). Allerdings hat der Gerichtshof dies nicht zum Anlass genommen, die Abgabenbescheide als rechtswidrig aufzuheben.
Der Begriff "Bruttobetrag der Einkünfte" ist im DBA selbst nicht definiert. Es ist daher zunächst aus dem Abkommenszusammenhang heraus ein Begriffsverständnis zu entwickeln. Nur wenn sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts Gegenteiliges ergibt, darf gemäß der "Kontextklausel" in Artikel 3 Abs. 2 DBA BR auf innerstaatliches Recht und damit auf den im innerstaatlichen Recht dem Begriff "Einkünfte" zugewiesenen Begriffsinhalt zurückgegriffen werden.
Im Abkommenszusammenhang gesehen soll durch eine Matching-Credit-Bestimmung bewirkt werden, dass der Verzicht des Quellenstaates auf die tatsächliche Erhebung einer Quellensteuer dem investierenden Unternehmen und nicht dem Fiskus des DBA-Partnerstaates zu Gute kommt. Die Maximalhöhe einer tatsächlich erhobenen Quellensteuer ist im Abkommen stets durch einen Prozentsatz von den Einnahmen und nicht von den Einkünften festgelegt. Schon aus dieser Sicht folgt, dass der Fiktivanrechnungsbetrag das Gegenstück zum Steuerverzicht einer nach Art. 10 oder 11 von den Dividenden- oder Zinseneinnahmen zu berechnenden Quellensteuer darstellt und daher von der gleichen Bemessungsgrundlage zu berechnen ist.
Hinzu kommt, dass der Ausdruck "Bruttobetrag der Einkünfte" nichts Anderes als eine (zu) wörtliche Übersetzung des bei den DBA-Verhandlungen verwendeten Ausdruckes "gross amount of income" darstellt. Die inhaltliche Reichweite des Ausdruckes "income" ist aber jedenfalls weitergehend als jene des inländischen Ausdruckes "Einkünfte"; denn wenn dieser englischsprachige Ausdruck nicht als "net income" oder "gross income" eine nähere Präzisierung erfährt, bezeichnet dieser Ausdruck tendenziell eine um Aufwendungen noch nicht gekürzte Größe (siehe zB das buchhalterische Gegensatzpaar der "income accounts" und "expense accounts", das dem österreichischen Gegensatzpaar "Ertragskonten" und "Aufwandskonten" entspricht).
Obwohl der VwGH sonach seine Bereitschaft bekundet hat, auch eine restriktivere Anwendung der Matching-Credit-Bestimmung als rechtsrichtig zu unterstützen, hält es das BM für Finanzen unter Berücksichtigung der zwingenden "Kontextklausel" der DBA für geboten, auch weiterhin von einer identen Berechnungsgrundlage für die tatsächlichen und die fiktiven Ermittlungen der Quellensteuern auszugehen und daher auch bei der Fiktivsteueranrechnung die jeweiligen Prozentsätze auf den um die Aufwendungen noch nicht gekürzten Betrag der Einkünfte anzuwenden.
Bundesministerium für Finanzen, 25. August 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 23 Abs. 5 DBA BR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Brasilien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 431/1976 |
Schlagworte: | Income, Matching Credit, Bruttoeinkünfte, Fiktivquellensteueranrechnung, Einnahmen, Einkünfte, gross income, net income |
Verweise: | VwGH 25.11.2002, 99/14/0099 |