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Auswirkungen des EuGH-Urteils "Scorpio" auf die österr. Abzugsbesteuerung

BMFBMF-010221/0013-IV/4/200715.1.20072007

EAS 2806

Aus einer Zusammenschau der Urteile FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH (EuGH 3.10.2006, C-290/04 ) einerseits und Gerritse (EuGH 12.6.2003, C-234/01 ) andererseits ergibt sich das gemeinschaftsrechtliche Gebot (Dienstleistungsfreiheit), dass ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Dienstleister bei der Besteuerung im Steuerabzugsverfahren im Inland keine höhere Besteuerung erfahren darf, als sie für den gebietsansässigen Dienstleister (unter Außerachtlassung persönlicher Steuervergünstigungen) gegeben ist (VwGH 19.10.2006, 2006/14/0109).

Das solcherart interpretierte Gemeinschaftsrecht überlagert das geltende österreichische Steuerrecht. Engagiert daher ein österreichischer gemeinnütziger Kulturveranstalter vom Gemeinschaftsrecht begünstigte Künstler zu Inlandsgastspielen, dann wird bis zu einer allfälligen künftigen gesetzlichen oder erlassmäßigen Klärung kein Einwand zu erheben sein, wenn wie folgt vorgegangen wird: Der Kulturveranstalter kann sich als berechtigt erachten, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Künstler ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit der in Österreich erbrachten künstlerischen Leistung stehen, von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen, sofern dadurch die Steuerleistung nicht unter jene sinkt, die gebietsansässige Künstler zu leisten haben.

Da gebietsansässige Künstler jene Progression zu tragen haben, die sich aus ihrem Jahreseinkommen ergibt, kann auf die um die genannten Betriebsausgaben gekürzte Bemessungsgrundlage nur dann der 20%ige Steuersatz des § 99 EStG angewendet werden, wenn die aus Österreich stammenden Jahreseinkünfte des beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Künstlers keine Anwendung eines höheren Steuersatzes erfordern. Die europarechtliche Verträglichkeit der Anwendung eines aus dem progressiven Steuertarif ermittelten Steuersatzes im Steuerabzugsverfahren wird durch das VwGH-Erkenntnis vom 19.10.2006, 2006/14/0109, bestätigt.

Ist für den österreichischen Veranstalter diese durch das EuGH-Urteil gestaltend vorgegebene Rechtslage zu kompliziert und mit unerwünschten Haftungsrisiken verbunden, besteht nach wie vor die Möglichkeit, den Steuerabzug nach dem bisherigen System vorzunehmen und dem ausländischen Künstler eine Besteuerung auf der Grundlage seines Nettoeinkommens in einem nachgelagerten Veranlagungsverfahren zu überlassen. Denn europarechtswidrig ist nicht die Option zur nachgelagerten Veranlagung ("Scorpio" Rz 52), sondern nur ein gesetzliches Verbot der Berücksichtigung der genannten Betriebsausgaben im Steuerabzugsverfahren ("Scorpio" Rz 47). Dieses Verbot ist in Österreich aber auf Grund des Vorrangs des Europarechtes bereits aufgehoben.

Bundesministerium für Finanzen, 15. Jänner 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Scorpio, Steuerabzugsverfahren, Europarechtsvorrang

Verweise:

EuGH 03.10.2006, C-290/04
EuGH 12.06.2003, C-234/01
EuGH 12.05.2005, C-512/03
VwGH 19.10.2006, 2006/14/0109

Stichworte