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Durchführungserlass zur Barbewegungsverordnung

BMFBMF-010102/0004-IV/2/200627.12.20062006Durchführungserlass zur Barbewegungsverordnung

Zu beachtende Kriterien und Voraussetzungen bei der Losungsermittlung aufgrund § 131 Abs.1 Z.2 BAO und der dazu ergangenen Barbewegungsverordnung, insbesondere hinsichtlich gesetzlicher Einzelaufzeichnungspflicht der Barbewegungen und vereinfachter Losungsermittlung

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 131 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Barbewegungs-VO, BGBl. II Nr. 441/2006

Schlagworte:

Losungsermittlung, Kassasturz, vereinfachte Losungsermittlung, Bareinnahmen und Barausgaben, Bareingänge und Barausgänge, Barbewegungen, Aufzeichnungspflichten

Verweise:

§ 125 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 163 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 410
BMF, 12.06.2006, BMF-010103/0050-VI/2006

2. Voraussetzung zur vereinfachten Losungsermittlung

2.1. Allgemeines

Sämtliche in Abschn. 1.1. angeführten Abgabepflichtige (auch Bilanzierer) können bei Vorliegen der folgenden in der Barbewegungs-VO angeführten Voraussetzungen die vereinfachte Losungsermittlung in Anspruch nehmen:

2.2. Vereinfachte Losungsermittlung nach § 1 der Barbewegungs-VO

2.2.1. Ermittlung der Umsatzgrenze

2.2.1.1. Allgemeines

Die Umsatzgrenze ist betriebsbezogen zu ermitteln. Als einheitlicher Betrieb gilt jeder Betrieb für den eine gesonderte Gewinnermittlung vorzunehmen ist (siehe auch die in der EStR 2000 Rz 410 ff, BMF-010203/0328-VI/6/2006 zitierte Judikatur).

Bei der Ermittlung der Umsatzgrenze werden jene Umsätze die auch für die Ermittlung der Buchführungspflicht nach § 125 BAO maßgebend sind, herangezogen. Als Umsätze gelten solche im Sinne des § 125 Abs. 1 Unterabs. 2 BAO.

Auf Antrag eines Unternehmers ist als notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ein Feststellungsbescheid über die Höhe des maßgebenden Umsatzes zu erlassen, wenn diese Höhe dem Unternehmer zweifelhaft erscheint.

Rechtsgrundlage eines solchen Bescheides ist § 92 Abs.1 lit. b BAO. Ein solcher Bescheid spricht nicht über die Erleichterungen bei der Losungsermittlung ab, sondern stellt die Höhe des maßgebenden Umsatzes (je Betrieb und Wirtschaftjahr) fest. Die Erlassung derartiger Bescheide obliegt dem jeweils für die Erhebung der Einkommensteuer(Körperschaftsteuer) bzw. gegebenenfalls dem für die einheitliche und gesonderte Feststellung des betreffenden Betriebes zuständigen Finanzamt.

2.2.1.2. Rumpfwirtschaftsjahr

Die Umsatzgrenze bezieht sich auf ein volles Wirtschaftsjahr (12 Monate).

Bei Vorliegen eines Rumpfwirtschaftjahres (z.B. bei unterjähriger Betriebseröffnung) ist der maßgebliche Jahresumsatz durch taggenaue Hochrechnung (ohne Berücksichtigung der Schließtage) zu ermitteln.

Beispiel:

Betriebseröffnung am 4.12.2006 Rumpfwirtschaftsjahr 4.12.2006 - 31.12.2006, Dauer 28 Tage, Umsatz 18.000 Euro durchschnittlicher Tagesumsatz: 643 Euro maßgeblicher Umsatz 234.330 Euro

Aufgrund der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 der Barbewegungs-VO ist im Fall einer Neugründung bei Überschreiten der maßgeblichen Umsatzgrenze im Eröffnungsjahr die Einzelaufzeichnungspflicht unter der Voraussetzung, dass keine Einzelaufzeichnungen geführt werden, frühestens ab Beginn des dritten Wirtschaftsjahres gegeben.

2.2.1.3. Betriebsübergang

Durch § 1 Abs.3 der Barbewegungs-VO wird klargestellt, dass etwa im Fall der Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge, wenn der Betrieb oder wirtschaftliche Geschäftsbetrieb übergeht, die vorangegangenen Wirtschaftsjahre des Rechtsvorgängers herangezogen werden. Als Betriebsübergang ist die Übernahme der wesentlichen Grundlagen des Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bildenden Wirtschaftgüter zu sehen, die eine Fortführung ermöglichen (siehe Judikatur zu § 14 BAO und Erlass des BMF vom 21. Juni 2006, BMF-010103/0050-VI/2006, AÖF 2006/186).

2.2.2. Anwendung der Umsatzgrenze und Toleranzregel

Wenn bei aufrechter Berechtigung zur vereinfachten Losungsermittlung nach § 1 der Barbewegungs-VO die Umsatzgrenze von 150.000 Euro überschritten wurde, tritt nach Maßgabe der Toleranzregel die Verpflichtung zu Einzelaufzeichnungen mit Ablauf des folgenden Wirtschaftsjahres ein.

Das einmalige Überschreiten innerhalb eines 3-Jahreszeitraumes um nicht mehr als 15% ist unbeachtlich. Um die vereinfachte Losungsermittlung wieder in Anspruch nehmen zu können, darf die Umsatzgrenze in zwei aufeinander folgenden Wirtschaftjahren nicht überschritten werden.

Beispiel:

Wirtschaftsjahre 2005 und 2006 Umsatz unter 150.000 Euro und vereinfachte Losungsermittlung, daher ab 1.1.2007 Berechtigung zur vereinfachten Losungsermittlung.

WJ 2007 Umsatz 160.000 Euro

vereinfachte Losungsermittlung (einmaliges Überschreiten innerhalb der Toleranzregel)

WJ 2008 Umsatz 140.000 Euro

vereinfachte Losungsermittlung

WJ 2009 Umsatz 170.000 Euro

vereinfachte Losungsermittlung (zweimaliges Überschreiten innerhalb von 3 Jahren, daher unabhängig vom Umsatz 2010 ab 1.1.2011 Pflicht zu Einzelaufzeichnungen)

WJ 2010 Umsatz 130.000 Euro

vereinfachte Losungsermittlung

WJ 2011 Umsatz 140.000 Euro

Einzelaufzeichnungspflicht

WJ 2012 Umsatz 200.000 Euro

vereinfachte Losungsermittlung (in zwei unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahren wurde die Grenze nicht überschritten, jedoch ab 1.1.2014 wieder Einzelaufzeichnungspflicht)

2. 3. Vereinfachte Losungsermittlung nach § 2 der Barbewegungs-VO

2.3.1. Allgemeines

Umsätze die von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten, jedoch nicht in oder in Verbindung mit fest umschlossenen Räumlichkeiten ausgeführt werden, können - soweit keine Einzelaufzeichnungen geführt werden (siehe Abschnitt 2.1.) - mittels vereinfachter Losungsermittlung (Kassasturz) aufgezeichnet werden.

Die Möglichkeit zur vereinfachten Losungsermittlung nach § 2 der Barbewegungs-VO richtet sich nach den angeführten Kriterien und ist nicht auf bestimmte Branchen oder den Verkauf bestimmter Produkte beschränkt. Die Bestimmungen sind im Sinne des § 131 Abs.1 Z.2 BAO - das Vorliegen von Unzumutbarkeit, sofern die ordnungsgemäße Ermittlung der Grundlagen der Abgabenerhebung nicht gefährdet erscheint - auszulegen.

Da in diesen Fällen Einzelaufzeichnungen grundsätzlich als unzumutbar gelten, kann die Vereinfachung unabhängig von der Umsatzgrenze von 150.000 Euro in Anspruch genommen werden.

Bei der Ermittlung der maßgeblichen Umsatzgrenze des § 1 Abs. 1 Z 1 der Barbewegungs-VO sind diese Umsätze auszuscheiden.

Beispiele:

Mitarbeiter eines Eissalons verkaufen auch mittels fahrbaren Eiswagens im Strandbad Eis. Gesamtumsatz 200.000 Euro, davon 55.000 Euro mobiler Eisverkauf, daher maßgebliche Umsatzgrenze 145.000 Euro. In diesem Fall kann die vereinfachte Losungsermittlung sowohl für den Eissalon (wegen Unterschreitung der Umsatzgrenze) als auch für den mobilen Eisverkauf (unabhängig von der Umsatzgrenze) in Anspruch genommen werden.

oder

Angaben, wie oben jedoch nur 10.000 Euro mobiler Eisverkauf, maßgebliche Umsatzgrenze 190.000 Euro. In diesem Fall besteht wegen Überschreitung der Umsatzgrenze für die Umsätze im Eissalon Einzelaufzeichnungspflicht, für die Umsätze aus dem mobilen Eisverkauf kann unabhängig davon die vereinfachte Losungsermittlung mittels Kassasturz erfolgen.

2.3.2. Öffentliche Orte

Unter öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten sind allgemein zugängliche Wege, Straßen, Plätze oder andere Orte zu verstehen.

Öffentlich zugänglich bedeutet nicht auf einen konkreten Personenkreis oder bestimmte Personen beschränkt (z. B. Firmenzugehörigkeit und persönliche Einladungen).

Beschränkungen in Form von Eintrittsgebühren (z.B. Strandbad, Tiergarten), wenn jedermann Zutritt hat, schaden nicht dem Kriterium der öffentlichen Zugängigkeit.

2.3.3. In und in Verbindung mit fest umschlossenen Räumlichkeiten

Unter fest umschlossenen Räumlichkeiten sind nicht nur Räume im eigentlichen Sinn zu verstehen, weshalb unter diesem Begriff nicht nur mit Grund und Boden fest verbundene Räumlichkeiten (z.B. Geschäftslokale, Werkstätten, Lagerhallen, Markthallen), sondern auch fahrbare Räumlichkeiten (z.B. Taxis, Verkaufsbusse), schwimmende Räumlichkeiten (z.B. Verkaufstände auf Schiffen, Schiffsrestaurant) und fliegende Räumlichkeiten (z.B. bei Verkäufen in Flugzeugen) fallen.

Fest umschlossen ist eine Räumlichkeit dann, wenn sie zu keiner Seite hin vollständig offen ist oder die dem Verkauf dienenden offenen Seiten während der Geschäftszeiten schließbar sind.

Fest umschlossen und zu keiner Seite hin offen ist eine Räumlichkeit auch dann, wenn sie an einer oder mehreren Seiten dem Verkauf dienende Öffnungen (Fenster) aufweist.

In Betracht kommen jedoch nur solche Räumlichkeiten in denen ein Aufenthalt für den Unternehmer oder seinem Mitarbeiter während der unternehmerischen Tätigkeit zumutbar ist. Dieses Merkmal würde etwa auf bloße Abstellräume, Gerätekammern (z.B. von Friedhofsgärtnern vor Friedhöfen, Maronibrater) und dergleichen nicht zutreffen.

Die Zumutbarkeit Einzelaufzeichnungen zu führen liegt insbesondere dann vor, wenn das Inkasso in den Räumlichkeiten erfolgt oder die Ware im Verkaufsfall von/aus den Räumlichkeiten zum Kunden befördert/gereicht wird.

In Verbindung mit einer fest umschlossenen Räumlichkeit wird ein Umsatz dann ausgeführt, wenn dem Unternehmer oder seinem Mitarbeiter (Erfüllungsgehilfen), bei der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit eine fest umschlossene Räumlichkeit zur Verfügung steht. Der Umsatz muss nicht in der Räumlichkeit selbst, sondern kann durchaus auch außerhalb derselben getätigt werden, sofern nur ein örtliches Naheverhältnis zwischen der Umsatzausführung und der Räumlichkeit besteht (z.B. bei einer Tankstelle mit Tankwarthaus oder in Verbindung mit einem Gemischtwarenhandlung oder einem Gasthaus, bei Verkäufen von vor dem Geschäftslokal ausgestellten Waren, beim Ausschank im Gastgarten eines Restaurants, bei Verkäufen von Holz, das sich auf einem neben dem Sägewerk gelegenen Lagerplatz befindet, bei Verkäufen ab Hof von Obst und Gemüse).

Die Ausnahmebestimmung des § 2 der Barbewegungs-VO kann daher beispielsweise in folgenden Fällen zum Zug kommen: Bei Beförderung von Personen mit Fiakern oder Pferdeschlitten, bei Verkäufen im Freien (etwa von Christbäumen, Kränzen, Blumen, Maroni, Speiseeis), bei Verkäufen vom offenen Pickup oder Pritschenwagen (etwa von Obst und Gemüse), bei Verkäufen vom im Freien stehenden Verkaufstischen (etwa von Andenken, Neujahrsartikel), bei Verkäufen aus offenen Verkaufsbuden (Jahrmärkte, Christkindmarkt), Ausschank unter Schirmen und Zeltdächern im Freien (Schneebar, Schischirme), sofern der Umsatz nicht in Verbindung mit einer fest umschlossenen Räumlichkeit getätigt wird, nicht hingegen aber etwa bei Verkäufen aus einem Kiosk oder Fensterverkauf aus einem Verkaufstand.

2.4. Widerrufsbestimmung

Wenn die im Betrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb geführten Bücher oder Aufzeichnungen nicht den Bestimmungen des § 131 BAO entsprechen, kann das zuständige Finanzamt die Berechtigung zur vereinfachten Losungsermittlung auf die Dauer von maximal drei Jahren widerrufen.

Die Erlassung derartiger Bescheide obliegt dem jeweils für die Erhebung der Einkommensteuer(Körperschaftsteuer) bzw. gegebenenfalls dem für die einheitliche und gesonderte Feststellung des betreffenden Betriebes zuständigen Finanzamt.

Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, wobei auf die Schwere des Verstoßes und die Auswirkungen Bedacht zu nehmen ist.

Bei geringfügigen Verstößen gegen die Formvorschriften des § 131 BAO, die keine Folgewirkungen zeigen, hat kein Widerruf zu erfolgen.

Bei schwerwiegenden Verstößen, die Anlass zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen geben und wenn die durch Schätzung ermittelten Besteuerungsgrundlagen nicht nur geringfügig von den erklärten Werten abweichen, kann die vereinfachte Losungsermittlung nach den Bestimmungen der Barbewegungs-VO durch Bescheid versagt werden.

Dies gilt auch dann, wenn neben der Verletzung der Formvorschriften des § 131 BAO schwerwiegende Verstöße gegen die Mitwirkungsverpflichtung (§ 163 Abs. 2 BAO) vorliegen.

Die Entscheidung ist unter Anführung des maßgebenden Sachverhaltes ausreichend zu begründen und ist frühestens wirksam ab Beginn des der Zustellung folgenden Wirtschaftsjahres, wobei eine angemessene Frist von mindestens 6 Wochen zur Umstellung zu gewähren ist. Die Dauer des Widerrufs liegt im Ermessen des Finanzamtes und ist abhängig von der Schwere des Verstoßes.

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 131 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Barbewegungs-VO, BGBl. II Nr. 441/2006

Schlagworte:

Losungsermittlung, Kassasturz, vereinfachte Losungsermittlung, Bareinnahmen und Barausgaben, Bareingänge und Barausgänge, Barbewegungen, Aufzeichnungspflichten

Verweise:

§ 125 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 163 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 410
BMF, 12.06.2006, BMF-010103/0050-VI/2006

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