Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Aufhebung, Abgabenbescheid, Feststellungsbescheid, Haftungsbescheid, verfahrensleitende Verfügung, Berufungsvorentscheidung, Zurückweisung, Gemeinschaftsrecht, Doppelbesteuerungsabkommen, Partei, Antrag, Verzicht, Entscheidungspflicht, Formgebrechen, Amtssprache, Wiedereinsetzung, Bemessungsverjährung, Einhebungsverjährung, Ermessen, Wiederaufnahme, Treu und Glauben, Zwangsstrafe |
1. Zuständigkeit
Die Abgabenbehörden erster Instanz sind zur Aufhebung von ihnen erlassener Bescheide befugt. Dies sind nicht nur Finanzämter, sondern auch Finanzlandesdirektionen (zB für Bescheide nach § 44 Abs. 2 BAO oder nach § 4 Abs. 4 Z 5 EStG 1988) und das Bundesministerium für Finanzen (zB für Bescheide nach § 48 BAO oder nach § 103 EStG 1988).
2. Aufhebbare Bescheide
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO sind beispielsweise aufhebbar:
- Abgabenbescheide (§ 198 BAO),
- Feststellungsbescheide (zB gemäß § 188 BAO),
- Haftungsbescheide (§ 224 BAO) und andere im Einhebungsverfahren ergehende Bescheide (zB solche gemäß den §§ 230 Abs. 7, 232, 235, 236, 237, 240 Abs. 3 BAO),
- Mess-, Zerlegungs- und Zuteilungsbescheide,
- Verfahrensleitende Verfügungen (iSd § 94 BAO), wie zB die Ablehnung von Anträgen auf Fristverlängerung (zB gemäß § 134 Abs. 2 BAO),
- die obengenannten Bescheide ändernde (zB gemäß § 295 Abs. 1 BAO) oder aufhebende (zB gemäß § 299 Abs. 1 BAO) Bescheide,
- Verfügungen und Bewilligungen von Wiederaufnahmen des Verfahrens (§ 303 BAO).
Aufhebbar sind auch Berufungsvorentscheidungen und andere von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Entscheidungen über Berufungen (zB Zurückweisungen gemäß § 273 BAO).
Bescheide sind unabhängig davon, ob sie endgültig oder vorläufig (zB gemäß § 200 Abs. 1 BAO) erlassen worden sind, gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufhebbar.
Für die Aufhebbarkeit von Bescheiden ist bedeutungslos, ob der Bescheid (formell) rechtskräftig geworden ist.
3. Rechtswidrigkeit des Inhaltes
Eine Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO setzt die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des aufzuhebenden Bescheides voraus.
Der Inhalt eines Bescheides ist rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides rechtswidrig ist, sei es, dass er gegen Gesetze, gegen Verordnungen (iSd Art 18 Abs. 2 B-VG) oder gegen Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (Primärrecht oder Sekundärrecht wie zB Richtlinien oder Verordnungen) verstößt.
Der Bescheidspruch ist nicht nur bei unzutreffender Auslegung von Rechtsvorschriften inhaltlich rechtswidrig. Er ist auch rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden; dies auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde (zB als Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei) zurückzuführen ist.
Auch die Übernahme aktenwidriger Umstände (zB Nichtübernahme von Verlustabzügen gemäß § 18 Abs. 6 oder 7 EStG 1988) macht einen Bescheid inhaltlich rechtswidrig.
Die Unrichtigkeit des Bescheidspruches muss nicht offensichtlich iSd § 293b BAO sein.
Für die Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufhebung maßgebend. Dies gilt nicht in jenen Fällen, in denen eine Berufungsvorentscheidung oder eine Berufungsentscheidung die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebende Sach- und Rechtslage zu beachten hätte (vgl. zB Ritz, BAO-Kommentar, 2. Auflage, Wien 1999, § 289 Tz 11).
Änderungen der Rechtsprechung dürfen für die Beurteilung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bescheides nur berücksichtigt werden, wenn dem nicht § 117 BAO entgegensteht.
Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht (vgl. zum bisherigen § 299 BAO zB VwGH 5.8.1993, 91/14/0127, 0128).
4. Aufhebung auf Antrag der Partei
4.1 Einbringung des Antrages
Aufhebungen gemäß § 299 Abs. 1 BAO können nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag der Partei erfolgen.
Antragsbefugt sind Parteien iSd § 78 BAO, an die der aufzuhebende Bescheid ergeht bzw. denen gegenüber der aufzuhebende Bescheid wirkt.
Beispiel 1:
Ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte einer Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit wirkt (§§ 101 Abs. 3 und 191 BAO) gegenüber denjenigen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind (und die im Bescheidspruch namentlich genannt sind). Diese Personen sind zur Stellung eines Antrages auf Aufhebung des Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) befugt.
Beispiel 2:
Ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Einheitswertes (§§ 101 Abs. 3 und 191 BAO) ist auch auf Antrag eines am Gegenstand der Feststellung Beteiligten aufhebbar.
Der Antrag ist bei der im Zeitpunkt der Antragstellung für die Erlassung des aufzuhebenden Bescheides sachlich und örtlich zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz einzubringen.
Ist nach Erlassung des aufzuhebenden Bescheides, aber vor Einbringung des Aufhebungsantrages die Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen (zB gemäß § 73 BAO), so ist der Antrag bei der neu zuständigen Abgabenbehörde einzubringen.
Der Antrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs. 1 BAO. Er ist somit grundsätzlich schriftlich einzubringen (daher nach § 86a BAO iVm der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 auch unter Verwendung eines Telekopierers). Nach Maßgabe des § 85 Abs. 3 BAO kann der Antrag auch mündlich gestellt werden.
Der Antrag kann bis zur Rechtskraft des über ihn absprechenden Bescheides zurückgenommen werden.
Ein Verzicht auf die Stellung eines Antrages auf Aufhebung ist gesetzlich nicht vorgesehen; er ist daher unzulässig und ohne rechtliche Wirkungen.
Der Antrag setzt (ebenso wie eine Berufung) keine "Beschwer" der Partei voraus. Mangelnde Beschwer bzw. Mutwilligkeit des Antrages könnte allerdings bei der Übung des Ermessens (siehe Abschnitt 6) als gegen die Aufhebung sprechender Umstand berücksichtigt werden.
4.2 Erledigung des Antrages
Der Antrag auf Aufhebung unterliegt der Entscheidungspflicht. Daher ist über ihn stets mit Bescheid abzusprechen.
Solche Bescheide sind insbesondere Zurückweisungsbescheide, Zurücknahmebescheide, Abweisungsbescheide sowie den antragsgegenständlichen Bescheid aufhebende Bescheide.
Der Antrag ist mit Bescheid zurückzuweisen, wenn er nicht zulässig oder nicht fristgerecht eingebracht ist.
Ein Aufhebungsantrag ist etwa unzulässig,
- wenn der aufzuhebende Bescheid nicht (bzw nicht mehr) rechtlich existent ist, somit zB bei nicht erfolgter Zustellung oder bei zwischenzeitiger Aufhebung des Bescheides (zB gemäß § 303 BAO),
- wenn der Einschreiter zur Antragstellung nicht legitimiert ist (zB weil der betreffende Bescheid ihm gegenüber nicht wirkt).
Nach Ablauf der sich aus § 302 Abs. 2 lit. b bzw. lit. c BAO ergebenden Fristen eingebrachte Anträge sind nicht fristgerecht; sie sind mit Bescheid zurückzuweisen. Zu diesen Fristen siehe Abschnitt 5.
Rechtsgrundlage für Zurücknahmebescheide ist § 85 Abs. 2 BAO (insbesondere bei Formgebrechen des Antrages, wie zB wenn der Einschreiter nicht eine für ihn zugelassene Amtssprache verwendet) sowie § 85 Abs. 4 BAO (fehlender Nachweis der Bevollmächtigung).
Hat eine Formalentscheidung (zB Zurücknahmebescheid) über den Antrag zu erfolgen, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz zu prüfen, ob eine Aufhebung des antragsgegenständlichen Bescheides von Amts wegen in Betracht kommt.
Der Antrag auf Aufhebung ist insbesondere dann mit Bescheid abzuweisen, wenn der antragsgegenständliche Bescheid nicht inhaltlich rechtswidrig ist. Eine Abweisung des Antrages hat auch zu erfolgen, falls die Aufhebung aus Ermessensüberlegungen unterbleibt.
5. Fristen
5.1 Jahresfrist
Nach § 302 Abs. 1 BAO sind Aufhebungen gemäß § 299 BAO bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Bescheides zulässig.
Die Bekanntgabe von Bescheiden erfolgt nach § 97 Abs. 1 BAO bei schriftlichen Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung; bei mündlichen Erledigungen erfolgt sie durch deren Verkündung.
Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO ist nicht nur innerhalb der Jahresfrist zulässig, sondern (nach § 302 Abs. 2 lit. b BAO) auch nach Ablauf der Jahresfrist, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf dieser Frist eingebracht ist.
Die Jahresfrist ist eine gesetzliche Frist. Sie ist daher dem § 110 Abs. 1 BAO zufolge nicht erstreckbar. Sie ist auch nicht hemmbar.
Bei nicht grob verschuldeter Versäumung der Frist kommt nach Maßgabe des § 308 BAO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Für die Fristenberechnung sind § 108 Abs. 2, 3 und 4 BAO, § 109 BAO sowie § 110 Abs. 1 BAO maßgeblich.
Beispiel:
Der aufzuhebende Bescheid wird am 18. Dezember 2002 zugestellt. Die Aufhebungsfrist endet (nach § 108 Abs. 2 iVm § 109 BAO) am 18. Dezember 2003. Zur Fristwahrung reicht dem § 108 Abs. 4 BAO zufolge die Postaufgabe des Aufhebungsantrages am 18. Dezember 2003.
5.2 Verjährungsfrist
§ 302 Abs. 2 lit. c BAO sieht eine über die Jahresfrist des Abs. 1 hinausgehende Befristung von Maßnahmen nach § 299 Abs. 1 BAO für folgende zwei Fälle vor:
- Für die Aufhebung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen (insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen),
- für die Aufhebung wegen Widerspruches mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (darunter fällt Primärrecht und Sekundärrecht wie beispielsweise Richtlinien und Verordnungen).
Bei derartigen Rechtswidrigkeiten des Bescheides ist die Aufhebung zulässig
- bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (dies betrifft sowohl die Bemessungsverjährung als auch die Einhebungsverjährung),
- nach Ablauf der Verjährungsfrist, wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht ist.
Auf § 299 Abs. 1 BAO (iVm § 302 Abs. 2 lit. c BAO) gestützte Aufhebungen sowie diesbezügliche Anträge setzen nicht voraus, dass der Widerspruch mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union sich aus einer Vorabentscheidung des EuGH oder einem Erkenntnis des VwGH ergibt.
Der Antrag auf Aufhebung ist ein Antrag iSd § 209a Abs. 2 BAO. Daher steht der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung (im den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid) nicht entgegen, wenn der Antrag vor Eintritt der Bemessungsverjährung eingebracht ist.
6. Ermessen
Die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Antrag auf Aufhebung eingebracht ist. Dies gilt weiters unabhängig davon, ob die Aufhebung sich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei (iSd § 78 BAO) auswirken würde.
Ebenso wie etwa bei Verfügungen der Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 Abs. 4 BAO) hat die Ermessensübung insbesondere den Vorrang des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Rechtsrichtigkeit) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten.
Gegen eine Aufhebung können beispielsweise folgende Umstände sprechen:
- Geringfügigkeit der (vor allem abgabenrechtlichen) Auswirkungen der Rechtswidrigkeit des Bescheides,
- Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. zB BMF 26.1.1995, 05 0301/2-IV/5/94, AÖF 70/1995),
- die Uneinbringlichkeit (iSd § 235 BAO) oder Unbilligkeit der Einhebung (iSd § 236 BAO) einer sich aus der Aufhebung bzw. aus dem neuen Sachbescheid ergebenden Nachforderung.
Grundsätzlich ist für die Ermessensübung bedeutungslos, ob die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf ein Verschulden (der Abgabenbehörde und/oder der Partei) zurückzuführen ist.
7. Aufhebungsbescheid
7.1 Zum Inhalt des Aufhebungsbescheides
Erfolgt die Aufhebung auf Antrag der Partei, so hat der Aufhebungsbescheid im Spruch den Namen des Antragstellers sowie das Datum des Antrages zu nennen.
Dem § 93 Abs. 3 lit. a BAO zufolge sind von Amts wegen ergehende Aufhebungsbescheide stets zu begründen. Die Begründung hat vor allem das Vorliegen der Aufhebungsvoraussetzungen (insbesondere die Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes) und die für die Ermessensübung relevanten Umstände des Einzelfalles darzulegen.
7.2 (Ersatzlose) Aufhebung
Nach § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Ein solcher "Ersatzbescheid" ist jedoch nicht zu erlassen, wenn die Aufhebung "ersatzlos" zu erfolgen hat.
Solche Aufhebungen haben beispielsweise zu erfolgen,
- wenn ein (amtswegiger) Abgabenbescheid wegen des Eintrittes der Bemessungsverjährung nicht hätte ergehen dürfen,
- wenn ein Haftungsbescheid wegen Eintritts der Einhebungsverjährung nicht hätte erlassen werden dürfen,
- wenn ein antragsgebundener Bescheid erlassen wurde, obwohl kein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde oder der Antrag vor Bescheiderlassung zurückgenommen wurde,
- wenn eine Abänderung eines Bescheides erfolgte, obwohl die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme (zB nach § 293b BAO oder § 295 Abs. 1 BAO) nicht vorgelegen sind,
- wenn eine Zwangsstrafe (§ 111 BAO) festgesetzt wurde, obwohl ihre Androhung nicht zugestellt wurde,
- wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes verfügt wurde oder eine Wiederaufnahme in richtiger Ermessensübung zu unterlassen gewesen wäre.
7.3 Verbindung mit dem "Ersatzbescheid"
Hat die Aufhebung nicht ersatzlos zu erfolgen, so ist der Aufhebungsbescheid in Verbindung mit dem den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid zu erlassen.
Daher darf die Aufhebung erst dann erfolgen, wenn der für die Erlassung des "Ersatzbescheides" entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist (somit etwa erst nach Durchführung erforderlicher Ermittlungen und nach Wahrung des Parteiengehörs).
7.4 Rechtsschutz
Der Aufhebungsbescheid und der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich (formell) rechtskräftig werden können bzw. einer Berufung zugänglich sind.
Erfolgt die Aufhebung eines mit Berufung angefochtenen Bescheides, so ist der Ersatzbescheid ein an die Stelle des mit Berufung angefochtenen Bescheides tretender Bescheid iSd § 274 BAO. Daher gilt die gegen den aufgehobenen Bescheid gerichtete Berufung als auch gegen den Ersatzbescheid gerichtet. Soweit der spätere Bescheid dem Berufungsbegehren Rechnung trägt, ist die Berufung als gegenstandslos zu erklären (§ 274 zweiter Satz BAO).
Eine Bindung an die im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung für den Ersatzbescheid besteht nicht (vgl. zum bisherigen § 299 BAO zB VwGH 19.6.2002, 99/15/0135). Daher kann die Unrichtigkeit des Ersatzbescheides mit Berufung auch dann geltend gemacht werden, wenn der Aufhebungsbescheid (formell) rechtskräftig geworden ist.
Sind beide Bescheide mit Berufung angefochten, so ist zunächst über die Berufung gegen den Aufhebungsbescheid zu entscheiden (vgl. zu § 307 BAO zB VwGH 22.5.1990, 87/14/0038). Die Entscheidung über beide Berufungen kann in einer Berufungsentscheidung verbunden werden (vgl. zu § 307 BAO zB VwGH 24.6.1986, 86/14/0014).
7.5 Aufhebung des Aufhebungsbescheides
Gemäß § 299 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des Aufhebungsbescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat.
Verfahrenstitel zur Aufhebung von Aufhebungsbescheiden sind vor allem § 276 Abs. 1 BAO, § 289 Abs. 1 BAO, § 289 Abs. 2 BAO, § 299 Abs. 1 BAO und § 303 Abs. 4 BAO.
Bei untrennbarem rechtlichen Zusammenhang beseitigt die Aufhebung des Aufhebungsbescheides von diesem zwingend abgeleitete Bescheide.
Beispiel:
Der Einkommensteuerbescheid 2000 wird aufgehoben. Der neue Sachbescheid weist eine Nachforderung aus. Der Aufhebungsbescheid wird auf Grund einer Berufung mit Berufungsvorentscheidung aufgehoben. Die Aufhebung des Aufhebungsbescheides beseitigt den neuen Sachbescheid (und damit die aus ihm resultierende Nachforderung) rückwirkend aus dem Rechtsbestand; dadurch lebt der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid wieder auf.
Die rückwirkende Beseitigung des Ersatzbescheides beseitigt nicht die durch ihn erfolgte Unterbrechung der Bemessungsverjährung (§ 209 Abs. 1 BAO) bzw. der Einhebungsverjährung (§ 238 Abs. 2 BAO).
8. Inkrafttreten
Die Neufassungen der §§ 299 und 302 BAO treten mit 1. Jänner 2003 in Kraft (nach § 323 Abs. 10 BAO).
§ 299 BAO ist eine Verfahrensvorschrift. Sie ist daher ab 1. Jänner 2003 auch dann anzuwenden, wenn der aufzuhebende Bescheid vor dem 1. Jänner 2003 erlassen wurde.
Das Antragsrecht der Partei auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO besteht ab 1. Jänner 2003. Vor diesem Tag gestellte Anträge sind unzulässig und somit zurückzuweisen. Die Abgabenbehörde erster Instanz hat allerdings zu prüfen, ob die Aufhebung von Amts wegen zu erfolgen hat.
9. Hinweis
Die vorstehenden Ausführungen stellen die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen dar, die im Interesse einer bundeseinheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch weder begründet noch können solche aus diesem Erlass abgeleitet werden.
3. Februar 2003 Für den Bundesminister: Dr. Bibus
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Aufhebung, Abgabenbescheid, Feststellungsbescheid, Haftungsbescheid, verfahrensleitende Verfügung, Berufungsvorentscheidung, Zurückweisung, Gemeinschaftsrecht, Doppelbesteuerungsabkommen, Partei, Antrag, Verzicht, Entscheidungspflicht, Formgebrechen, Amtssprache, Wiedereinsetzung, Bemessungsverjährung, Einhebungsverjährung, Ermessen, Wiederaufnahme, Treu und Glauben, Zwangsstrafe |