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Geschäftsleitungsverlegung nach Deutschland

BMFK 201/4-IV/4/0311.11.20032003

EAS 2367

Wird die Geschäftsleitung einer in Österreich operativ tätigen österreichischen GmbH nach Deutschland verlegt, dann ändert dies Nichts an dem Fortbestand der unbeschränkten Steuerpflicht der nach österreichischem Recht gegründeten GmbH, wenn deren statutarischer Sitz weiterhin in Österreich verbleibt. Aus diesem Grund wurde auch im Hinblick auf den von § 6 Z. 6 EStG erfassten "Steuerentstrickungstatbestand" die in § 20 KStG 1966 enthaltene Verpflichtung zur Liquidationsbesteuerung bei Geschäftsleitungsverlegung in das Ausland nicht in das KStG 1988 übernommen.

Mithin ist bei einer Geschäftsleitungsverlegung lediglich zu prüfen, ob hierdurch einzelne körperliche oder unkörperliche Wirtschaftsgüter nach Deutschland überführt werden, deren Überführung sodann zu einer steuerlichen Erfassbarkeit der darin allenfalls enthaltenen stillen Reserven führen würde. Dies ist eine Sachverhaltsfrage und kann daher nicht im Rahmen des ministeriellen EAS-Auskunftsverfahrens entschieden werden. Es kann lediglich angemerkt werden, dass hierbei auf eine dem Artikel 7 DBA-Deutschland entsprechend korrespondierende Beurteilung auf österreichischer und deutscher Seite Rücksicht zu nehmen sein wird.

Mit der Geschäftsleitungsverlegung verlagert sich die Ansässigkeit der juristischen Person gemäß Artikel 4 Abs. 3 DBA-Deutschland nach Deutschland. Dies gilt auch dann, wenn Deutschland auf zivilrechtlicher Grundlage die in sein Land zugezogene Gesellschaft bloß als nichtrechtsfähigen Verein iSd § 1 Abs. 1 Nr. 5 dKStG behandeln sollte. Denn der abkommensrechtliche Begriff der "Gesellschaft" umfasst gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e DBA alle Rechtsträger, die wie juristische Personen behandelt werden, sodass abkommensrechtlich die in Österreich ansässige "Gesellschaft" zu einer in Deutschland ansässigen "Gesellschaft" wird.

Diese Gesellschaft wird sodann über zwei Betriebstätten verfügen: jene, die aus dem deutschen Geschäftsleitungsort gebildet wird und jene, die in den Räumlichkeiten des in Österreich im bisherigen Umfang weitergeführten Betriebes besteht. Der österreichischen Betriebstätte werden hierbei lediglich die Kosten der Geschäftsleitungsfunktion anzulasten sein. Denn es wird in Ziffer 21 des OECD-Kommentars zu Artikel 7 des OECD-Musterabkommens als nicht sachgerecht angesehen, dass auch eine Gewinntangente ("profits of management") dem Geschäftsleitungsort zuerkannt wird.

Wenn nach dieser Kommentarstelle Deutschland im gegebenen Zusammenhang kein Zugriff auf die vom österreichischen Betrieb erwirtschafteten Gewinne ermöglicht wird, so greift aber doch Artikel 16 Abs. 2 des Abkommens zugunsten Deutschlands ein und überträgt das Besteuerungsrecht an den Bezügen der Geschäftsführer von Österreich auf Deutschland.

Sollten allerdings wesentliche Geschäftsführungsfunktionen auch weiterhin in Österreich ausgeübt werden, dann müsste die Frage des Ortes der Geschäftsleitung noch einer sehr eingehenden Sachverhaltsprüfung unterzogen werden, vor allem auch dann, wenn die Geschäftsführer weiterhin in Österreich ansässig sein sollten und wenn keine korrespondierende steuerliche Wertung auf deutscher Seite dokumentierbar ist.

Sollte die Geschäftsleitungsverlegung nach Deutschland zur handelsrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft führen, dann wären gesonderte Überlegung anzustellen, die aber vermutlich nicht im EAS-Verfahren angestellt werden können.

 

 

11. November 2003 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 7 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 3 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

Ort der Geschäftsführung, Steuerentstrickung

Verweise:

Art. 7 OECD-MA, OECD-Musterabkommen

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