EAS 870
Übernimmt eine Wiener GMBH von der Tiroler Tochtergesellschaft eines deutschen Produzenten auf Kommissionsbasis nach den Regeln eines Franchising-Vertrages den regionalen Vertrieb von Erzeugnissen verschiedenster Art für werdende Mütter, Babys und Kinder und werden 2 Mitarbeiterinnen des deutschen Produzenten für die Zeit vom 16.4.1990 bis 7.3.1991 und vom 3.3.1991 bis 14.10.1991 zu der Wiener GMBH entsandt, um hier "beratend, überwachend und schulend" tätig zu werden, so deutet einiges darauf hin, dass hiedurch der deutsche Produzent eine Assistenzleistung nach Art einer kaufmännischen und technischen Beratung an die Wiener GMBH erbracht hat.
Ist der Sachverhalt so zu beurteilen (die Entscheidung hierüber muss allerdings seitens des mit der Sachlage vertrauten Finanzamtes getroffen werden), dann ist weiters festzustellen, ob den vorübergehend nach Österreich entsandten Dienstnehmerinnen des deutschen Produzenten im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit besondere Räumlichkeiten (zB ein eigener Arbeitsraum) zur Verfügung gestellt worden sind. Solche Räumlichkeiten würden für lohnsteuerliche Belange ab einer Nutzungsmöglichkeit von der Dauer 1 Monates (§ 81 Abs. 2 EStG) und für ertragsteuerliche Belange ab einer Nutzungsdauer von 6 Monaten (Z 6 des Ergebnisprotokolles über eine österreichisch-deutsche Verständigung vom 7.6.1991) eine inländische Betriebstätte für den deutschen Produzenten darstellen.
Liegt eine inländische "6-Monats-Betriebstätte" vor, dann unterliegen die an die beiden Mitarbeiterinnen gezahlten Löhne zur Gänze in Österreich der Besteuerung, wobei die Steuer im Lohnsteuerabzugsweg (allerdings nicht vom Kommissionär sondern von dem deutschen Arbeitgeber) zu entrichten ist; nichtentrichtete Lohnsteuerbeträge könnten erforderlichenfalls auf der Grundlage des österreichisch-deutschen Rechtshilfevertrages, BGBl. Nr. 249/1955, unter Mitwirkung der deutschen Steuerverwaltung erhoben werden.
Liegt keine inländische "6-Monats-Betriebstätte" vor, dann tritt wegen des partiellen Wirksamwerdens der "183-Tage-Klausel" des Art. 9 Abs. 2 DBA-Deutschland inländische Steuerpflicht nur für jene Jahre ein, in denen die 183-Tage-Frist überschritten worden ist; wobei in diesem Fall die Steuerpflicht - falls auch keine inländische "1-Monats-Betriebstätte" nachweisbar ist, im Veranlagungsweg erhoben werden müsste (auch in diesem Fall ist die Steuereinbringlichkeit im Amtshilfeweg nach dem vorgenannten Rechtshilfevertrag gesichert).
Wenn in dem vorgenannten Fall die Wiener Kommissionärin alle Kosten für Anreise, Unterbringung, Wochenendheimfahrten usw. für die beiden deutschen Mitarbeiterinnen übernimmt und zusätzlich auf Grund einer Rechnung des deutschen Produzenten diesem die Lohnkosten ersetzt, so kann aus solchen Umständen allein nach Auffassung des Bundesministeriums für Finanzen nicht der Schluss gezogen werden, dass im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nun der österreichische Kommissionär während der Entsendungsdauer der steuerliche Arbeitgeber geworden ist; denn hiedurch würde - wenn dieser Beurteilung bisher auf deutscher Seite nicht gefolgt worden ist - ein grenzüberschreitender Besteuerungskonflikt ausgelöst werden.
Die die kaufmännische und technische Beratung entgegennehmende Wiener Kommissionärin trifft allerdings - zumindest nach inländischem Recht - die Steuerabzugsverpflichtung des § 99 Abs. 1 Z 5 EStG; bei Vorliegen einer Ansässigkeitsbescheinigung des deutschen Produzenten (durch die die deutsche Steuerverwaltung Kenntnis von den Beratungsaktivitäten in Österreich erlangt) kann aber von der Wiener Kommissionärin auf der Grundlage von Art. 4 DBA-Deutschland Steuerfreistellung in Anspruch genommen werden.
30. April 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 9 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955 |
Schlagworte: | Beratungsleistungen, Inlandsbetriebstätte, Arbeitskräfteentsendung, Lohnsteuer, Lohnsteuerabzug, Lohnsteuerbetriebstätte, 183-Tage-Frist, Veranlagung, Freistellung, Ansässigkeitsbestätigung |
Verweise: | § 81 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |