EAS 884
Das BM für Finanzen hält nach wie vor daran fest, dass ein "ausländisches Unternehmen", das im Rahmen einer österreichischen Unterhaltungsdarbietung als Vertragspartner (z.B. als Produktionsunternehmen) eines inländischen Veranstalters auftritt und das in Österreich über keine Betriebstätte verfügt, nach der Steuerzuteilungsregel für Unternehmensgewinne (dem Artikel 7 OECD-Musterabkommen nachgebildete Abkommensbestimmungen) in Österreich nicht besteuert werden darf. Diese Auffassung wurde durch das VwGH-Erk. v. 25. Nov. 1986, Zl. 84/14/0184, bestätigt, in dem über die Steuerpflicht einer US-Künstlerin bei einer österreichischen Sylvestergala zu entscheiden war, wobei die Künstlerin von einer US-Gesellschaft (= "ausländisches Unternehmen") engagiert und für die österreichische Veranstaltung verpflichtet wurde. Auch der BFH hat in seinem Urteil vom 20. Juni 1984, BStBl. II 1984, 828, zum österreichisch-deutschen DBA entschieden, dass eine ausländische Konzertdirektion, die sich gegenüber einem inländischen Veranstalter verpflichtet, im Inland durch Dritte (durch von der Konzertdirektion engagierte Künstler) künstlerische Leistungen erbringen zu lassen, gewerblich tätig wird und mangels inländischer Betriebstätte mit den für die Gastspiele bezogenen Honoraren nicht besteuert werden darf.
Es ist im Grunde richtig, dass die gleichen Überlegungen anzustellen sind, wenn das "ausländische Unternehmen" ein Theaterbetrieb oder die Trägervereinigung eines Orchesters ist. Dennoch hält das BM für Finanzen auch an seiner in EAS 548 dargelegten Auffassung fest, demzufolge in solchen Fällen (Theater, Orchester, Ballette, Chöre udgl) eine Steuerentlastung in Österreich erst bei Nachweis einer reziproken Vorgangsweise im DBA-Partnerstaat möglich ist.
Der Grund hiefür liegt in bestehenden Rechtsunsicherheiten über die Tragweite von Bestimmungen österreichischer Doppelbesteuerungsabkommen, die der Vorschrift des Artikels 17 Abs. 1 OECD-Musterabkommen nachgebildet sind, welche bei Künstlergastspielen volle Steuerpflicht im Gastspielstaat vorsieht. Auf der Grundlage der deutschen Judikatur gilt eine dem Art. 17 Abs. 1 OECD-MA nachgebildete Bestimmung nur für natürliche Personen. Die ausländische Trägerorganisation eines Orchesters (z.B. Verein, Stadtgemeinde) eines in Österreich gastierenden Orchesters darf dann aus dieser Sicht, wenn das DBA nur eine dem Art. 17 Abs. 1 und nicht auch eine dem Art. 17 Abs. 2 entsprechende Bestimmung enthält, in Österreich nicht besteuert werden. Die österreichische Judikatur ist aber uneinheitlich. Mit Erkenntnis vom 14.3.1990, 86/13/0177, hat der VwGH die Besteuerung eines britischen Orchesters in Österreich auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 DBA-Großbritannien nicht beanstandet. Aus dem VwGH Erkenntnis vom 27.7.1994, 91/13/0222, könnte der Schluss gezogen werden, dass in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 OECD-MA nur 50% der Orchestervergütungen in Österreich besteuert werden dürfen. Diese Rechtsunsicherheit auf österreichischer Seite wird noch durch die Ungewissheit über die Haltung der ausländischen DBA-Partnerstaaten verschärft.
Die genannten Rechtsunsicherheiten werden zudem durch Z. 11 des OECD-Kommentars zu Art. 17 intensiviert, weil dort die - aus österreichischer Sicht unrichtige - Ansicht vertreten wird, dass die an ein Orchester gezahlten Vergütungen auch bei Fehlen einer dem Art. 17 Abs. 2 OECD-MA nachgebildeten Bestimmung einer Abzugsbesteuerung unterzogen werden dürfen; allerdings diesfalls nur mit jenem Teil, der an die Orchesterkünstler weiterfließt. Folgt der andere Staat der OECD-Auffassung, müsste dies auch Österreich so handhaben: in diesem Fall müssten auf der Grundlage des VwGH-Erkenntnisses vom 27.7.94, 91/13/0222, 50% der Orchestervergütung der Abzugsbesteuerung in Österreich unterworfen werden. Folgt der andere Staat einer Haltung, wie sie dem VwGH-Erkenntnis vom 14.3.1990, 86/13/0177, zugrunde liegt (volle Besteuerung österreichischer Orchester nach Art. 17 Abs. 1), würde dies auch Österreich tun und die ausländischen Orchester oder Theater der vollen Steuerpflicht unterwerfen.
Unter den gegebenen Umständen werden daher österreichische Orchestergastspielveranstalter oder Veranstalter von Theatergastspielen zur Vermeidung von Haftungsfolgen genötigt sein, den vollen Steuerabzug vorzunehmen und es dem ausländischen Orchester oder Theater überlassen müssen, im Rahmen eines Rückerstattungsverfahrens oder unmittelbar im Rahmen eines internationalen Verständigungsverfahrens eine Klärung der Rechtslage in Bezug auf den betreffenden Staat herbeizuführen (siehe in diesem Sinn auch EAS 828).
23. Mai 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | DBA IL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Israel (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 85/1971 |
Schlagworte: | Gastspielvergütung, ausländisches Theater, Gastspiel eines ausländischen Theaters, Künstlerbesteuerung, Unterhaltungsdarbietungen, Gewerbebetrieb, gewerbliche Tätigkeit, Steuerabzug, Rückerstattung, Verständigungsverfahren |
Verweise: | Art. 7 OECD-MA, OECD-Musterabkommen |