Normen
§ 49 EStG
Tatbestand:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH österreichischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in ... (Österreich). In der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hat sie weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter. Die Klägerin veranstaltet Konzerte und Theaterabende, organisiert Tourneen und vermittelt Künstler.
Im Mai 1979 gastierte die Klägerin mit dem Ballett der ... in ... bei Stuttgart. Dort stellte sie das Ballett mit 115 Mitwirkenden dem X für eine Aufzeichnung ... zur Verfügung. Der Aufzeichnung lag ein zwischen der Klägerin und dem X geschlossener Vertrag zugrunde, in dem ein Honorar von ... DM vereinbart war. Mit dem Honorar sollten Fahrt- und Hotelkosten, Aufwendungen für Bühnenbild, Kostüme, Hallenmiete und technische Einrichtungen der Halle abgegolten sein.
Von dem Honorar behielt das X nach Rückfrage beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) einen Betrag von ... DM (15 v. H.) ein und führte ihn an das FA ab.
Den Antrag der Klägerin auf Erstattung des Steuerabzugsbetrages lehnte das FA ab, da die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt habe, bei denen gemäß § 50 a Abs. 4 Buchst. a EStG der Steuerabzug vorzunehmen sei.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage führte zur Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen und zur Verpflichtung des FA, die Klägerin hinsichtlich des vom X gezahlten Honorars von ... DM von der Körperschaftsteuer freizustellen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht (FG) die Revision zugelassen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt u. a. vor:
Das FG verkenne, daß die Merkmale, die zu einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin führten, im Ausland und nicht im Inland gegeben seien. Die Klägerin habe aus dem mit dem X abgeschlossenen Vertrag eine künstlerische Leistung geschuldet. Die Rechtsform der Klägerin und die zwischen der Klägerin und der Künstlergruppe bestehenden Verträge seien außer Betracht zu lassen, da diese Besteuerungsgrundlagen im Ausland gegeben seien. Die Auffassung des FA werde durch Art. 17 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens 1977 gestützt.
Das FA beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
Die Klägerin hat zur Sache Stellung genommen, aber keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
1. Der Steuerabzug wird für Rechnung des Steuerschuldners vorgenommen (§ 50 a Abs. 5 Satz 2 EStG). Ist dies ohne rechtlichen Grund geschehen (z. B. für steuerfreie Einkünfte), kann der Steuerschuldner die Erstattung der abgeführten Steuer verlangen (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 50 a Anm. 9). Durch § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) wird zwischen der Freistellung von einer Steuer und der nachfolgenden Erstattung der bisher entrichteten Steuer unterschieden (vgl. BT-Drucks. VI/1982 zu § 136 S. 145). Ein solcher Freistellungsbescheid - als Grundlage für eine Erstattung (§§ 218, 37 AO 1977) - ist zu erteilen, wenn der Steuerpflichtige - wie im Streitfall die Klägerin - mit Erfolg geltend macht, er sei mit ihm zuzurechnenden Einkünften nicht beschränkt steuerpflichtig, weshalb keine Abzugsteuer zu erheben (gewesen) sei. Der erkennende Senat folgt dem FG in der Auffassung, daß mit den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auch über die Freistellung der Klägerin von der beschränkten Steuerpflicht entschieden worden ist.
2. Dem FA kann nicht darin gefolgt werden, daß die Klägerin Einkünfte aus selbständiger (künstlerischer) Arbeit im Inland gemäß §§ 49 Abs. 1 Nr. 3, 50 a Abs. 4 Buchst. a EStG i. V. m. § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) erzielt hat.
Dabei kommt es nicht auf die Regelung des § 49 Abs. 2 EStG an, weil auch ohne Berücksichtigung im Ausland gegebener Besteuerungsmerkmale inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 EStG nicht angenommen werden können.
a) Das im Ausland gegebene Merkmal der "Kapitalgesellschaft" ist im Streitfall nicht von Bedeutung. Die Klägerin übt im Inland bereits ihrer Art nach eine gewerbliche Tätigkeit gemäß § 15 EStG aus, so daß es auf die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft oder eine sonstige Person tätig wird, nicht ankommt.
b) Entgegen der Auffassung des FA sind die Merkmale, die zu einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin führen, nicht erst im Ausland, sondern bereits im Inland gegeben. Auch nach dem in Inland verwirklichten, isoliert betrachteten Tatbestand treten nicht nur - wovon offenbar das FA ausgeht - Künstler auf, sondern der Auftritt der Künstler beruht auf bestimmten vertraglichen Beziehungen des inländischen Veranstalters mit der Klägerin. Danach erbringt nicht die Klägerin selbst die geschuldete künstlerische Leistung, sondern sie verpflichtet sich, diese Leistung - über weitere vertragliche Vereinbarungen - durch Dritte erbringen zu lassen.
c) Soweit sich aus Abschn. 223 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) eine andere Auffassung ergibt, läßt diese außer Betracht, daß die dort genannte ausländische Kapitalgesellschaft - auch isoliert betrachtet - im Inland keine selbständige (künstlerische) Tätigkeit ausübt, sondern nur - wie es in Abschn. 223 Abs. 1 Satz 3 EStR heißt - die Künstler einem inländischen Unternehmen oder Veranstalter überläßt. Diese auch bei isolierter Betrachtung erkennbare Art der Betätigung stellt sich vom Inhalt her als gewerblich dar.
d) Entgegen der Auffassung des FA kann § 49 EStG nicht im Sinne des Art. 17 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens 1977 ausgelegt werden. Dahinstehen kann auch, ob eine entsprechende gesetzliche Regelung des innerstaatlichen Rechts in dem Regierungsentwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 9. Januar 1974 (BT-Drucks. 7/1470 S. 68) durch § 111 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) geplant war. Dieser Entwurf ist nicht Gesetz geworden.
e) Da die Klägerin im Inland weder eine Betriebsstätte unterhalten noch einen ständigen Vertreter bestellt hatte, unterliegt sie mit Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht der Steuerpflicht in der Bundesrepublik.
3. Im übrigen stünden die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich - (BGBl II 1955, 750, BStBl I 1955, 370) einer Besteuerung der Klägerin nach § 49 Abs. 2 EStG entgegen. Dieses Abkommen enthält keine dem Art. 17 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens 1977 entsprechende Regelung. Nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich besteht für Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen, dessen Wirkung sich auf das Gebiet des anderen Staates erstreckt, ein Besteuerungsrecht des anderen Staates für diese Einkünfte nur insoweit, als sie auf eine dort befindliche - im Streitfall nicht vorliegende - Betriebsstätte des Unternehmens entfallen.