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Deutscher Systemtherapeut als österreichischer Seminarleiter

BMF04 0101/41-IV/4/962.8.19961996

EAS 917

Innerstaatliche Rechtslage:

In Deutschland ansässige Personen, die in Österreich auf Grund von freien Dienstverträgen oder von Werkverträgen Vorträge halten und in Österreich mangels inländischem steuerlichen Wohnsitzes nur "beschränkt steuerpflichtig" (Steuerausländer) sind, unterliegen gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG. einer 20%igen Abzugsteuer. Der in § 99 Abs. 1 Z 1 EStG. verwendete Begriff "Vortragender" kann nicht in engem Wortsinn verstanden werden, sondern umfasst jedenfalls auch die durch Vortrag gestaltete Unterrichtstätigkeit, die Betreuung von Work-Shops durch Lehrpersonen und das vornehmlich mündlich betriebene Managementtraining. Denn Sinn und Zweck der zitierten Gesetzesbestimmung ist eine weitestgehende Sicherung des inländischen Steueraufkommens bei den bloß der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Steuerausländern (EAS 290).

Die beschränkt steuerpflichtigen Vortragenden sind gemäß § 102 EStG berechtigt, im Wege einer Antragsveranlagung eine Besteuerung auf Nettobasis, also unter Abzug aller steuerwirksamen Aufwendungen, zu verlangen. Sollte das österreichische Jahreseinkommen den Betrag von S 37.000,- (ab 1997: S 47.000,-) nicht übersteigen, käme es dadurch zu einer vollständigen Steuerentlastung in Österreich.

Ab 1. Juli 1996 wurde mit der Einführung der "Werkvertragsabgabe" der Einkommensteuerabzug für die Steuerinländer und Steuerausländer ausgeweitet und umfasst damit alle Vergütungen, die auf Grund von freien Dienstverträgen oder dienstnehmerähnlichen Werkverträgen jeglicher Art bezogen werden (§109a EStG). Im Fall der Werkvertragsabgabe ist für Steuerausländer keine Antragsveranlagung vorgesehen. Allerdings kommt die neue Werkvertragsabgabe bei den Steuerausländern nur dort zur Erhebung, wo nicht bereits bisher - wie im Fall der Vortragenden - ein Steuerabzug nach § 99 Abs. 1 Z 1 EStG. vorzunehmen war.

Im Fall eines in Deutschland ansässigen Systemischen Therapeuten, der im Bereich Jugendwohlfahrt und psychosozialer Arbeit als Supervisor und Fortbildner in Österreich für öffentliche und private Träger der Jugendwohlfahrt Seminarleitungen und Supervisionen durchführt und diese Tätigkeit im Rahmen freier Dienstverträge ausführt, ist daher zunächst festzustellen, ob seine Tätigkeit als "Vortragstätigkeit" im weiten Wortsinn des § 99 Abs. 1 Z 1 EStG anzusehen ist. Diese Frage kann nicht im ministeriellen EAS-Verfahren entschieden werden, sondern müsste als bloße Sachverhaltsfrage durch die örtlich zuständigen Finanzbehörden beurteilt werden. Es besteht allerdings die Vermutung, dass derartige Aktivitäten als Vortragstätigkeit (im weiten Wortsinn des § 99 EStG) anzusehen sind, sodass Steuerabzugspflicht verknüpft mit der Möglichkeit einer Antragsveranlagung besteht.

Österreichisch-deutsches Doppelbesteuerungsabkommen:

Bei in Deutschland ansässigen Personen dürfen Inlandseinkünfte allerdings nur in dem Umfang besteuert werden, als das Abkommen daran Österreich das Besteuerungsrecht zuteilt. Bei freiberuflichen Einkünften ist ein österreichisches Besteuerungsrecht im Allgemeinen nur dann vorgesehen, wenn dem freiberuflich Tätigen in Österreich eine ständige Einrichtung (z.B. ein ihm persönlich überlassener Arbeitsraum) zur Verfügung gestellt wird. Liegt keine derartige ständige Einrichtung vor, dann wird Österreich nur in den in Artikel 8 Abs. 2 letzter Satz genannten Fällen das Besteuerungsrecht zugeteilt; zu diesen besonderen Fällen gehören auch Vergütungen für eine "vortragende Tätigkeit". Dem internationalen Trend folgend ist aber im Rahmen eines internationalen Verständigungsverfahrens mit Deutschland eine einengende Interpretation des im Doppelbesteuerungsabkommen verwendeten Begriffes "vortragende Tätigkeit" vorgesehen worden, derzufolge dieser Ausdruck nicht die Unterrichtstätigkeit mit umfasst (AÖFV. Nr. 184/1984). Vergütungen an in Deutschland ansässige Personen, die im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Betreuung an österreichischen Bildungseinrichtungen freiberuflich mitwirken oder die andere Aktivitäten ausüben, die nicht als "vortragende Tätigkeit" zu werten sind, können daher bei Vorlage von amtlich bestätigten Ansässigkeitsbescheinigungen auf dem Vordruck ZS-BRD 1 vom Steuerabzug nach § 99 EStG. bzw. 109a EStG freigestellt werden bzw. es können auf der Grundlage von § 240 BAO bereits einbehaltene Steuerabzugsbeträge vom zuständigen Finanzamt rückgefordert werden.

Aber auch diese Frage, ob eine "vortragende Tätigkeit" im engen Wortsinn des DBA in Österreich ausgeübt wird oder nicht, müsste erforderlichenfalls als Sachverhaltsfrage von den Abgabenbehörden der 1. Instanz beurteilt werden; wobei eine übereinstimmende Beurteilung auf deutscher und österreichischer Seite nötig ist; sollte diese nicht erzielbar sein, müsste die Angelegenheit im Rahmen eines internationalen Verständigungsverfahrens, das beim Bundesministerium der Finanzen in Bonn zu beantragen wäre, geklärt werden.

2. August 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 8 Abs. 2 letzter Satz DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955

Schlagworte:

Vortragender, Werkvertrag, freier Dienstvertrag, Abzugsbesteuerung, Lehrtätigkeit, Veranlagung, feste Einrichtung, feste örtliche Einrichtung, feste Geschäftseinrichtung, Ansässigkeitsnachweis, Ansässigkeitsbestätigung, Steuerfreistellung, Steuerrückerstattung, Verständigungsverfahren

Verweise:

§ 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 102 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 109a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 240 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
EAS 290

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