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Konsulententätigkeit an polnischen Baustellen deutscher Firmen

BMFSch 110/2-IV/4/9623.12.19961996

EAS 994

 

Übernimmt ein in Österreich ansässiger Konsulent auf Grund eines mit einer deutschen Firma abgeschlossenen einjährigen Werkvertrages (mit Verlängerungsmöglichkeit) die Bauberatung an einer polnischen Baustelle und werden die hiefür erzielten Einkünfte nach österreichischem Recht als solche aus freiberuflicher Tätigkeit qualifiziert, dann sind diese Einkünfte in Österreich zu versteuern, es sei denn, dass sie dem Konsulenten für Tätigkeiten zufließen, die in einer polnischen "festen Einrichtung" ausgeübt worden sind. Im letztgenannten Fall wären sie unter Progressionsvorbehalt von der österreichischen Besteuerung freizustellen.

Als "feste Einrichtung" wird im allgemeinen jede Einrichtung anzusehen sein, die einerseits auf Grund des § 29 BAO als Betriebstätte zu werten ist und die andererseits auch den Kriterien des Artikels 5 des DBA-Polen entspricht. Dass der Betriebstättendefinition des Artikels 5 des Doppelbesteuerungsabkommens nicht nur für gewerbliche, sondern auch für freiberufliche Einkünfte Bedeutung zukommt, wurde zumindest in Bezug auf Bauausführungen bereits in EAS 832 zum Ausdruck gebracht, als es darum ging festzustellen, ob ein österreichischer Architekt über eine deutsche ständige Einrichtung (entspricht der "festen Einrichtung" des OECD-Musterabkommens) verfügt.

Nach Artikel 5 DBA-Polen begründet die Mitwirkung an einer Bauausführung allerdings nur dann eine Betriebstätte, wenn diese über 24 Monate andauert.

Wird der Konsulentenvertrag nur für die Dauer eines Jahres abgeschlossen, dann wird anzunehmen sein, dass Polen an den gegenständlichen Einkünften kein Besteuerungsrecht erlangt und daher Steuerpflicht in Österreich besteht; es ist auch eher unwahrscheinlich, dass Polen die angemietete Wohnung des Konsulenten als DBA-Betriebstätte werten könnte. Ob die deutsche Firma die Konsulentenhonorare auf ein deutsches, österreichisches oder polnisches Bankkonto überweist, ist für die Bestimmung des Landes, dem das Besteuerungsrecht zusteht, jedenfalls unerheblich.

In Fällen der vorliegenden Art, in denen in Österreich ansässige Personen vorübergehend ihr Tätigkeitsfeld in das Ausland verlagern, wird im übrigen auch kaum eine Verlagerung der Ansässigkeit im Sinn von Art. 4 des DBA-Polen stattfinden; auch dann nicht, wenn die Ehegattin und die Kinder vorübergehend sich überwiegend in der polnischen Wohnung aufhalten. Denn ob eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes in das Ausland stattfindet, kann nicht ausschließlich und isoliert nur nach den Gegebenheiten eines einzigen Veranlagungsjahres beurteilt werden, sondern bedarf einer dauerhafteren Veränderung der maßgebenden Verhältnisse. Vor allem muss auch in dieser Hinsicht von den Steuerverwaltungen beider Staaten eine übereinstimmende Beurteilung vorgenommen werden und es müssen im Rahmen der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandsbeziehungen diesbezüglich entsprechende Nachweise bereit gehalten werden.

Eine andere Situation würde nur dann gegeben sein, wenn tatsächlich für die Dauer der Auslandstätigkeit der inländische steuerliche Wohnsitz im Sinn von § 26 BAO aufgegeben wird. Es muss allerdings ernstlich bezweifelt werden, dass die Überlassung der inländischen Wohnung an ein Kind (auch wenn dieses bereits volljährig ist) im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Aufgabe des inländischen Wohnsitzes gewertet werden kann; denn der Steuerpflichtige müsste sich hiezu sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht dauerhaft jeglicher weiterer Verfügungsmöglichkeiten über diese Wohnung begeben.

23. Dezember 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 5 DBA PL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Polen (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 384/1975
Art. 4 DBA PL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Polen (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 384/1975

Schlagworte:

Werkvertrag, Beratungsleistungen, feste Einrichtungen, Steuerfreistellung unter Progressionsvorbehalt, Betriebstätte, feste Geschäftseinrichtung, feste örtliche Einrichtung, Bauausführungsfrist, Beratungshonorare, Lebensmittelpunkt, Ansässigkeitsstaat, erhöhte Mitwirkungspflicht, Wohnsitzaufgabe, Wohnsitzverlegung

Verweise:

§ 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
EAS 832

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