VwGH 2013/11/0123

VwGH2013/11/012327.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 15. April 2013, Zl. VwSen-240887/13/Lg/MG, betreffend Übertretungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: MH, p. A. Landeskrankenhaus F), zu Recht erkannt:

Normen

KA-AZG 1997 §12 Abs1 Z1;
KA-AZG 1997 §4 Abs4 Z4;
KA-AZG 1997 §8 Abs1;
KAG OÖ 1997 §78 Abs1;
KAG OÖ 1997 §96 Abs2 Z8;
VStG §6;
VStG §9 Abs2;
KA-AZG 1997 §12 Abs1 Z1;
KA-AZG 1997 §4 Abs4 Z4;
KA-AZG 1997 §8 Abs1;
KAG OÖ 1997 §78 Abs1;
KAG OÖ 1997 §96 Abs2 Z8;
VStG §6;
VStG §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 8. März 2012 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die Einhaltung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes in der Abteilung für Unfallchirurgie am Landeskrankenhaus X. (LKH) bestellter verantwortlicher Beauftragter der Oö. Gesundheits- und Spitals AG zu verantworten, dass sechs namentlich genannte Ärzte entgegen der Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) bei verlängerten Diensten über die nach dieser Bestimmung zulässige Grenze von 72 Stunden hinaus im folgenden Ausmaß beschäftigt worden seien:

Name:

Woche(Sonntag, 7:00 - Sonntag, 7:00

Stunden

1. Dr. A.P.

29.5.2011 bis 05.6.2011

76,50

 

03.7.2001 bis 10.7.2011

85,50

2. Dr. A.S.

05.6.2011 bis 12.6.2011

73,00

 

17.7.2011 bis 24.7.2011

77,50

3. Dr. B.W.

12.6.2011 bis 19.6.2011

76,50

4. Dr. D.R.

12.6.2011 bis 19.6.2011

75,50

 

19.6.2011 bis 26.6.2011

73,00

 

26.6.2011 bis 03.7.2011

72,50

 

24.7.2011 bis 31.7.2011

79,50

5. Dr. A.S.

26.6.2011 bis 03.7.2011

77,50

6. Dr. A.B.

26.6.2011 bis 03.7.2011

82,50

 

10.7.2011 bis 17.7.2011

77,50

Der Mitbeteiligte habe dadurch § 4 Abs. 4 Z 4 iVm § 12 Abs. 1 Z 1 KA-AZG iVm § 9 Abs. 2 VStG übertreten, weshalb über ihn für jeden unzulässig beschäftigten Arzt eine Geldstrafe, insgesamt daher sechs Geldstrafen zwischen EUR 218,-- und EUR 330,--, verhängt wurden. Gleichzeitig wurde er zur Zahlung eines Kostenbeitrages zum erstinstanzlichen Strafverfahren verpflichtet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das genannte Straferkenntnis vom 8. März 2012 in allen Spruchpunkten aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt sowie ausgesprochen, dass der Mitbeteiligte keinen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten habe.

In der Begründung führte die belangte Behörde, hier auf das Wesentliche zusammengefasst, aus:

Der Mitbeteiligte sei zu den Tatzeitpunkten Primar (Abteilungsleiter) der Abteilung für Unfallchirurgie am genannten LKH gewesen und in dieser Funktion von der Oö. Gesundheits- und Spitals AG schriftlich zum verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die "Einhaltung sämtlicher im KA-AZG normierten Arbeitszeit-Schutzbestimmungen" bestellt worden. Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes ging die belangte Behörde von den genannten Überschreitungen der höchstzulässigen Arbeitszeit der im erstinstanzlichen Straferkenntnis genannten Ärzte aus.

Zur strittigen Verschuldensfrage stellte sie nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass zumindest im Zeitpunkt der elektronischen Dienstplanerstellung noch keine Überschreitungen der höchstzulässigen Arbeitszeiten des KA-AZG ersichtlich gewesen seien. Als Ursache der gegenständlichen Arbeitszeitüberschreitungen sah die belangte Behörde das Zusammentreffen mehrerer Umstände an, nämlich den langfristigen Krankenstand zweier Fachärzte (Oberärzte) der Abteilung, einen unvorhergesehenen personellen Abgang bei den Turnusärzten und die allgemeine Urlaubszeit. Eine Urlaubssperre sei vom Mitbeteiligten nicht verhängt worden. Zur Abwendung der Arbeitszeitüberschreitungen sei der Mitbeteiligte zwar in Verhandlungen mit dem Betriebsrat zum Zweck des Abschlusses einer lokalen Betriebsvereinbarung getreten, welche der Betriebsrat jedoch abgelehnt habe. Auch habe von der sonst gegebenen Möglichkeit des Rechtsträgers der Krankenanstalt (Oö. Gesundheits- und Spitals AG, kurz: GESPAG), Ärzte aus anderen Krankenhäusern zum Dienst zuzuteilen, gegenständlich angesichts der allgemeinen Urlaubszeit und des bestehenden Mangels an Turnusärzten kein Gebrauch gemacht werden können.

Dem Vorbringen des Arbeitsinspektorates in der mündlichen Verhandlung, dass vorliegend trotz der Personalknappheit Urlaube genehmigt worden seien, habe der Mitbeteiligte entgegengehalten, dass im Falle des Verbotes der Urlaubskonsumation das Arbeitszeitrecht "aus anderer Perspektive übertreten worden wäre".

Zum Argument des Arbeitsinspektorats, dass auch der Abteilungsleiter (Mitbeteiligte) den Personalmangel hätte selbst kompensieren können, da dieser nicht den Bestimmungen des KA-AZG unterliege, somit die rechtmäßigen Möglichkeiten im gegenständlichen Fall nicht ausgeschöpft worden seien, hielt die belangte Behörde fest, das Arbeitsinspektorat habe damit nicht dargetan, inwiefern eine solche Maßnahme geeignet gewesen wäre, sämtliche bzw. konkrete Arbeitszeitüberschreitungen zu verhindern.

In der rechtlichen Beurteilung des Verschuldens ging die belangte Behörde davon aus, dass die dem Mitbeteiligten angelasteten Übertretungen des KA-AZG Ungehorsamsdelikte darstellten, sodass gemäß § 5 Abs. 1 VStG Verschulden ohne weiteres anzunehmen sei, wenn der Täter nicht glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

Unstrittig seien im vorliegenden Fall keine "außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fälle" iSd § 8 KA-AZG vorgelegen, weil die Überschreitungen der Arbeitszeiten nicht durch medizinische Notfälle verursacht worden seien. Vielmehr seien die gegenständlichen Arbeitszeitüberschreitungen zur Aufrechterhaltung einer lückenlosen medizinischen Versorgung ("rund um die Uhr") notwendig gewesen. In diesem Zusammenhang sei angesichts des Vorbringens der Parteien des Verwaltungsverfahrens davon auszugehen, dass der Personalstand der gegenständlichen Abteilung knapp, aber "grundsätzlich noch ausreichend" gewesen sei, und dass die Arbeitszeitüberschreitungen erst durch die genannten Umstände (Krankenstand zweier Fachärzte, unvorhergesehene Abgänge bei den Turnusärzten und "allgemeine Urlaubszeit") verursacht worden seien. Die Beschäftigung der im Straferkenntnis genannten Ärzte über das nach dem KA-AZG höchstzulässige Ausmaß hinausgehend sei im Hinblick auf die genannten Umstände (fehlende Bereitschaft des Betriebsrates zum Abschluss einer lokalen Betriebsvereinbarung, fehlende Möglichkeit der Dienstzuteilung von Ärzten aus anderen Krankenhäusern) nach Ansicht der belangten Behörde für den Mitbeteiligten "alternativlos" gewesen. Der Mitbeteiligte habe die ihm angelasteten Überschreitungen der höchstzulässigen Arbeitszeiten der in seiner Abteilung tätigen Ärzte nach Ansicht der belangten Behörde vielmehr "in Kauf nehmen" müssen, um den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen:

So habe das LKH als Standardkrankenhaus gemäß § 3 Abs. 6 lit. c Oö. KAG 1997 insbesondere eine permanente Erstversorgung von Akutfällen zu gewährleisten und gemäß § 18 KAKuG die Verpflichtung zur Sicherstellung öffentlicher Krankenanstaltenpflege. Gemäß § 78 Abs. 1 Oö. KAG 1997 seien "Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten verpflichtet, den Betrieb der Krankenanstalt ohne Unterbrechung aufrecht zu erhalten". Die Nichteinhaltung der letztgenannten Bestimmung stelle gemäß § 96 Abs. 2 Z 8 KA-AZG (gemeint: Oö. KAG 1997) eine Verwaltungsübertretung dar.

Nach Ansicht der belangten Behörde folge daraus, dass der Mitbeteiligte im Falle der zeitweisen Aussetzung der medizinischen Versorgung zur Verhinderung von Arbeitszeitüberschreitungen im Tatzeitraum eine Verwaltungsübertretung nach § 96 Abs. 2 Z 8 KA-AZG begangen hätte. Im Falle des Mitbeteiligten seien daher zwei Handlungspflichten aufeinandergetroffen, nämlich einerseits die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und andererseits jene zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen des KA-AZG. Damit komme dem Mitbeteiligten nach Ansicht der belangten Behörde der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision iSd § 6 VStG zu Gute, weil er im Rahmen einer Pflichtenkollision jener Pflicht zu entsprechen habe, die dem Schutz des höherwertigen Rechtsgutes bzw. des wichtigeren öffentlichen Interesses diene (wird unter Hinweis auf Literatur sowie das hg. Erkenntnis vom 6. August 1996, Zl. 95/11/0322, weiter ausgeführt). Zwar komme der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision nur jenem Täter zu Gute, dem zwei einander ausschließende, in der Rechtsordnung objektivierbare Pflichten dergestalt oblägen, dass die Erfüllung der einen Rechtspflicht "zwangsläufig" zur Verletzung der anderen führe. Diese Voraussetzung sei gegenständlich aber erfüllt, weil die Verletzung der Arbeitszeitvorschriften zur Sicherung der medizinischen Versorgung auf Grund der aufgezeigten Umstände für den Mitbeteiligten "alternativlos" gewesen sei. Die Arbeitszeitüberschreitungen hätten somit vom Mitbeteiligten "in Kauf genommen" werden müssen, um den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Das angefochtene Straferkenntnis sei daher, ohne dass näher auf die Frage des Bestehens eines Kontrollsystems eingegangen werden müsse, aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 13 ArbIG iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 gestützte Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, in welcher die Rechtsansicht, das Verhalten des Mitbeteiligten sei wegen rechtfertigender Pflichtenkollision nicht strafbar, bekämpft wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit - wie vorliegend - durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

Die zu den gegenständlichen Tatzeitpunkten maßgebenden Bestimmungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, BGBl. I Nr. 8/1997 idF BGBl. I Nr. 93/2010 (KA-AZG), lauten auszugsweise:

"ABSCHNITT 1

Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Dienstnehmer/innen, die in

1. Allgemeinen Krankenanstalten,

... tätig sind ...

(3) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für leitende Dienstnehmer/innen, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

...

Arbeitszeit

§ 3. (1) Die Tagesarbeitszeit darf 13 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.

(2) Die Wochenarbeitszeit darf

1. innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von bis zu 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden und

2. in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 60 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.

(3) Im Rahmen seiner Mitwirkungsbefugnis bei der Arbeitszeitgestaltung hat das jeweils zuständige betriebliche Vertretungsorgan das Einvernehmen mit Vertreter/innen der betroffenen Dienstnehmer/innen (§ 1 Abs. 2 Z 1 und 1a bzw. Z 2 bis 12), die den Verhandlungen beizuziehen sind, herzustellen.

(4) Der Durchrechnungszeitraum gemäß § 4 Abs. 1, 4 und 5 kann durch Betriebsvereinbarung (Abs. 3) auf bis zu 26 Wochen ausgedehnt werden.

...

Verlängerter Dienst

§ 4. (1) Werden Dienstnehmer/innen während der Arbeitszeit nicht durchgehend in Anspruch genommen, können durch Betriebsvereinbarung längere Arbeitszeiten zugelassen werden, wenn dies aus wichtigen organisatorischen Gründen unbedingt notwendig ist (verlängerte Dienste). Eine Verlängerung ist nur insoweit zulässig, als die zu erwartende Inanspruchnahme innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden pro Woche nicht überschreitet.

(2) In Krankenanstalten, deren Rechtsträger eine Gebietskörperschaft ist und in denen eine Personalvertretung eingerichtet ist, können verlängerte Dienste unter den Voraussetzungen des Abs. 1 im Einvernehmen mit der Personalvertretung zugelassen werden.

...

(4) Bei verlängerten Diensten darf

...

4. die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden

nicht überschreiten.

...

Abschnitt 4

Ausnahmen Außergewöhnliche Fälle

§ 8. (1) In außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen finden die Bestimmungen der §§ 3, 4, 6 und 7 keine Anwendung, wenn

1. die Betreuung von Patienten/Patientinnen nicht unterbrochen werden kann oder

2. eine sofortige Betreuung von Patienten/Patientinnen unbedingt erforderlich wird

und durch andere organisatorische Maßnahmen nicht Abhilfe

geschaffen werden kann.

...

(3) Durch Betriebsvereinbarung oder im Einvernehmen mit der Personalvertretung können vorübergehende Ausnahmen von § 4 festgelegt werden, wenn

1. die Wahrung von Interessen der Patienten oder die Aufrechterhaltung des Krankenanstaltenbetriebes dies notwendig macht,

2. die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Dienstnehmer/innen eingehalten werden und

3. durch die erforderlichen Maßnahmen sichergestellt wird, daß keinem/r Dienstnehmer/in Nachteile daraus entstehen, daß er/sie generell oder im Einzelfall nicht bereit ist, solche zusätzliche Arbeitszeit zu leisten.

(4) Der/die Dienstgeber/in hat eine Arbeitszeitverlängerung nach Abs. 3 ehestens, längstens aber binnen vier Tagen nach Beginn der Arbeiten dem zuständigen Arbeitsinspektorat schriftlich anzuzeigen. Diese Anzeige muß eine aktuelle Liste der von der Arbeitszeitverlängerung betroffenen Dienstnehmer/innen und das Ausmaß der vorgesehenen Arbeitszeit enthalten.

(5) Das Arbeitsinspektorat hat auf Antrag eines/r Dienstnehmers/in, des/der Dienstgebers/in oder von Amts wegen durch Bescheid die nach Abs. 3 vorgesehene Arbeitszeitverlängerung gänzlich oder teilweise zu verbieten, wenn

1. die Voraussetzungen nach Abs. 3 Z 2 und 3 nicht vorliegen oder

2. dies zum Schutz der Sicherheit oder Gesundheit der Dienstnehmer/innen erforderlich ist."

Die zu den Tatzeitpunkten maßgebenden Bestimmungen des Oö. Krankenanstaltengesetzes 1997, LGBl. Nr. 132/1997 idF LGBl. Nr. 60/2010 (Oö. KAG 1997), lauten:

"6. ABSCHNITT

Betriebspflicht

§ 78

Betriebspflicht; Verzicht auf Öffentlichkeitsrecht

(1) Die Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten sind verpflichtet, den Betrieb der Krankenanstalt ohne Unterbrechung aufrechtzuerhalten.

...

§ 96

Strafbestimmungen

...

(2) Wer

...

8. den Verpflichtungen nach § 78 nicht nachkommt,

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen."

Die belangte Behörde begründet die Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses im Kern damit, dass dem Mitbeteiligten der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision zu Gute komme, weil ihm kraft Gesetzes die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung in der von ihm geleiteten Abteilung des genannten LKH obliege und er zu deren Aufrechterhaltung "zwangsläufig" ("alternativlos") die Überschreitung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen des KA-AZG habe in Kauf nehmen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Übertretungen des KA-AZG zum Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision im Erkenntnis vom 17. Juni 2013, Zl. 2010/11/0079, (unter Bezugnahme auf das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis Zl. 95/11/0322) wie folgt ausgeführt:

"Der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision kann nur jenem Täter zugutekommen, dem zwei einander ausschließende, in der Rechtsordnung objektivierbare Pflichten dergestalt obliegen, dass die Erfüllung der einen Rechtspflicht zwangsläufig zur Verletzung der anderen führen muss; nur bei Erfüllung der ein höherwertiges oder zumindest gleichwertiges Rechtsgut betreffenden Pflicht tritt in Ansehung der verletzten - jedenfalls nicht überwiegenden - Pflicht Rechtfertigung ein (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 13. Juni 1990, 13 Os 5/90, mwN).

Wenn auch im Fall der Kollision der Rechtspflicht zum bedarfsdeckenden Betrieb von Krankenanstalten mit der Verpflichtung zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften die erstgenannte Pflicht als höherrangig anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. August 1996, Zl. 95/11/0322), setzt der in Rede stehende Rechtfertigungsgrund doch zum einen den Nachweis voraus, dass der gebotene Betrieb ohne die aufgetretenen Arbeitszeitüberschreitungen nicht aufrechterhalten werden könnte, diese dadurch also 'zwangsläufig' verursacht wurden; zum anderen kann der Rechtfertigungsgrund nur dem Täter zugutekommen, der selbst Adressat beider Verpflichtungen ist."

Die belangte Behörde geht davon aus, den Mitbeteiligten träfen zwei miteinander nicht vereinbare gesetzliche Handlungspflichten, nämlich einerseits die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung iSd Oö. KAG 1997 und andererseits zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen des KA-AZG.

Richtig ist, dass der Mitbeteiligte als Abteilungsleiter (im Rahmen seiner Bestellung zum verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG) für die Einhaltung der Bestimmungen des KA-AZG in der von ihm geleiteten Abteilung des LKH verantwortlich ist. Hingegen trifft die gesetzliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung durch den unterbrechungslosen Betrieb der Krankenanstalt gemäß § 78 Abs. 1 iVm § 96 Abs. 2 Z. 8 Oö. KAG 1997 den "Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten". Rechtsträger des gegenständlichen LKH ist unstrittig die im Spruch des Straferkenntnisses genannte Oö. Gesundheits- und Spitals AG (GESPAG). Gegenständlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitbeteiligte zum verantwortlichen Organ (§ 9 Abs. 2 VStG) des genannten Rechtsträgers auch betreffend die Einhaltung der Bestimmungen des Oö. KAG 1997 bestellt worden wäre. Schon weil der Mitbeteiligte somit nicht Adressat der von der belangten Behörde genannten Betriebspflicht des § 78 Abs. 1 (iVm § 96 Abs. 2 Z 8) Oö. KAG 1997 war, kann ihm nach der zitierten Judikatur der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision nicht zu Gute kommen. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage unzutreffend beurteilt.

Abgesehen davon durfte die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen gegenständlich auch nicht davon ausgehen, dass die nach der zitierten Judikatur erforderliche weitere Voraussetzung des genannten Rechtfertigungsgrundes, nämlich die "zwangsläufige" Verursachung der Arbeitszeitüberschreitungen, erfüllt sei: Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, hat das Arbeitsinspektorat im Verwaltungsverfahren nämlich vorgebracht, dass zu den gegenständlichen Tatzeitpunkten trotz bereits bestehender ärztlicher Personalknappheit auf Grund von Krankenständen und unvorhergesehenen Abgängen bei Turnusärzten dennoch Urlaube (anderer Ärzte dieser Abteilung) genehmigt worden seien. Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt, sondern lediglich das - nicht weiter präzisierte - Vorbringen des Mitbeteiligten wiedergegeben, dass im Falle des Verbotes der Urlaubskonsumation das "Arbeitszeitrecht aus anderer Perspektive übertreten worden wäre" (Bescheid S. 17). Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie meint, die Arbeitszeitüberschreitungen seien "zwangsläufig" bzw. "alternativlos" gewesen.

Schließlich hätte sich die belangte Behörde auch mit dem verschuldensbezogenen Argument des Arbeitsinspektorats auseinander setzen müssen, der Mitbeteiligte hätte als Abteilungsleiter die Möglichkeit gehabt, durch seinen eigenen Einsatz den personellen Fehlbedarf zu kompensieren, weil er (als leitender Dienstnehmer gemäß § 1 Abs. 3 KA-AZG) den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht unterliege. Soweit die belangte Behörde dazu (Bescheid S. 18) lediglich entgegnet, das Arbeitsinspektorat habe nicht dargetan, inwieweit dadurch sämtliche oder konkrete Arbeitszeitüberschreitungen zu verhindern gewesen wären, so übersieht sie, dass es gemäß § 5 Abs. 1 VStG Aufgabe des Beschuldigten (hier also des Mitbeteiligten) ist, sein fehlendes Verschulden glaubhaft zu machen.

Der angefochtene Bescheid war daher nach dem Gesagten wegen der vom Verwaltungsgerichtshof vorrangig wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung entfällt gemäß § 47 Abs. 4 VwGG.

Wien, am 27. Jänner 2014

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