VwGH 2013/10/0146

VwGH2013/10/014619.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der M K in S, vertreten durch Mag. Elke Weidinger, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Februar 2013, Zl. ABT11 B26-3447/2012-3, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Steiermärkischen Behindertengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §2;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1 lith;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1 liti;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs2;
BehindertenG Stmk 2004 §3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BehindertenG Stmk 2004 §2 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §2;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1 lith;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1 liti;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs1;
BehindertenG Stmk 2004 §3 Abs2;
BehindertenG Stmk 2004 §3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. Februar 2012 wies die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg (die Erstbehörde) einen am 7. Dezember 2011 gestellten Antrag der Beschwerdeführerin auf "Erhöhung des Grades der Beeinträchtigung von 'hoch' auf 'höchst' für das vollzeitbetreute Wohnen für Menschen mit Behinderung und für die Beschäftigung in Tageseinrichtungen mit Tagesstruktur" ab; dabei stützte sich die Erstbehörde auf die §§ 2, 3 Abs. 1 lit. h und i, 16, 18 und 42 Abs. 4 des Steiermärkischen Behindertengesetzes - Stmk. BHG sowie auf die Stmk. BHG-Leistungs- und Entgeltverordnung (LEVO StBHG).

Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus, nach der eingeholten Kurzstellungnahme des Sachverständigenteams des Vereins IHB ("Verein zur Beratung, Unterstützung und Begleitung von Behörden sowie Menschen mit besonderen Bedürfnissen zur Ermittlung deren individuellen Hilfebedarfs") sei eine Erhöhung des Grades der Beeinträchtigung von "hoch" auf "höchst" nicht erforderlich, weil eine durchgehende Beaufsichtigung und Begleitung nicht als notwendig erscheine. Auf Basis eines Assessmentbogens vom 23. Jänner 2012 liege ein "hoher" Grad der Beeinträchtigung vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 2013 wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 3 Abs. 2 Stmk. BHG als unzulässig zurück.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin werde in einer Einrichtung der Lebenshilfe S. und in der Tageswerkstätte S. betreut. Die Berufung ziele (wie schon der verfahrenseinleitende Antrag) auf eine Festlegung der Höhe des Grades der Beeinträchtigung mit "höchst" anstelle der derzeitigen Höhe des Grades der Beeinträchtigung "hoch" ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe allerdings kein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer bestimmten Art der Hilfeleistung nach dem Stmk. BHG (Hinweis u. a. auf das Erkenntnis vom 18. April 2012, Zl. 2011/10/0034).

Da durch die Zuerkennung des Grades der Beeinträchtigung "hoch" für das vollzeitbetreute Wohnen für Menschen mit Behinderung und für die Beschäftigung in Tageseinrichtungen mit Tagesstruktur anstelle des von der Beschwerdeführerin angestrebten Grades der Beeinträchtigung "höchst" für beide Leistungen der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Hilfeleistung nach dem Stmk. BHG nicht gänzlich verneint werde, werde die Beschwerdeführerin durch die Festlegung des Grades der Beeinträchtigung mit "hoch" nach der hg. Rechtsprechung nicht in ihren Rechten verletzt; mangels Beschwer werde daher die Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Behindertengesetzes - Stmk. BHG, LGBl. Nr. 26/2004 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 83/2012, lauten wie folgt:

"§ 1

Ziele

Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie an der Gesellschaft in gleicher Weise wie nicht behinderte Menschen teilhaben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Durch Gesetzesmaßnahmen, Leistungen und Beratung sollen Menschen mit Behinderung altersentsprechend Zugang zu den verschiedenen Lebensbereichen wie Familie, Erziehungs- und Bildungswesen, Arbeit und Beschäftigung, Gesundheitsversorgung sowie Kultur und Freizeit haben, um ihnen - wie nicht behinderten Menschen auch - die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

§ 2

Voraussetzungen der Hilfeleistungen

(1) Menschen mit Behinderung haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen.

(...)

§ 3

Arten der Hilfeleistungen

(1) Als Hilfeleistung für einen Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:

(...)

  1. h) Beschäftigung in Tageseinrichtungen oder Betrieben
  2. i) Wohnen in Einrichtungen

    (...)

(2) Dem Menschen mit Behinderung steht ein Anspruch auf eine bestimmte in Abs. 1 lit. a bis q genannte Hilfeleistung nicht zu.

(...)

§ 16

Beschäftigung in Tageseinrichtungen oder Betrieben

(1) Zweck der Hilfe durch Beschäftigung in Tageseinrichtungen oder Betrieben ist es, Menschen mit Behinderung, bei denen eine berufliche Eingliederung gemäß § 8 auf Grund des Schweregrads ihrer Behinderung nicht möglich ist, Hilfeleistungen zur Erhaltung oder Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten und zur Eingliederung in die Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

(...)

§ 18

Wohnen in Einrichtungen

Die Hilfe zum Wohnen in Einrichtungen im Sinne des § 43

umfasst die Übernahme der Entgelte für Unterkunft, Verpflegung und Betreuung.

(...)

§ 43

Einrichtungen der Behindertenhilfe

(1) Als Einrichtung der Behindertenhilfe gelten Einrichtungen in der Steiermark, in denen Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. a, c, d, fa, h und i teilstationär oder vollstationär erbracht werden. Sie dürfen nur mit Bewilligung der Landesregierung betrieben werden.

(...)

§ 47

Leistungs- und Entgeltverordnung

(1) Die Landesregierung erlässt für die zu erbringenden mobilen, ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen sowie für die Geldleistungen eine Leistungs- und Entgeltverordnung. Diese hat insbesondere Bestimmungen über

(...)

2. die Kriterien für die Ermittlung des Grades der Beeinträchtigung,

(...)

zu erlassen."

Die aufgrund § 47 Abs. 1 Stmk. BHG erlassene Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 5. Juli 2004 über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz (Stmk. BHG-Leistungs- und Entgeltverordnung, LEVO StBHG), LGBl. Nr. 43/2004 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 29/2013, lautet - auszugsweise - wie folgt:

"§ 2

Grad der Beeinträchtigung

(1) Unter Grad der Beeinträchtigung ist jener Zustand des Menschen mit Behinderung zu verstehen, der auf Grund der im Einstufungsformular (Anlage 4) festgelegten Kriterien und Punktezahlen festgestellt wird. Der Grad der Beeinträchtigung ist nur bei der Gewährung von Hilfeleistungen gemäß § 3 Abs. 1 lit. d, h und i Stmk. BHG zu ermitteln.

(2) Es sind folgende Grade der Beeinträchtigung zu berücksichtigen:

(...)

3. Personen mit hohem Grad an Beeinträchtigung:

Dieser Personenkreis ist gewöhnlich in der Lage, einfache praktische Tätigkeiten zu verrichten, wenn die Aufgaben sorgsam strukturiert sind und für eine ausreichende Betreuung gesorgt ist, einige benötigen lebenslange Betreuung.

(...)

4. Personen mit höchstem Grad an Beeinträchtigung:

Dieser Personenkreis ist kaum fähig, Aufforderungen oder Anweisungen zu verstehen oder sich danach zu richten. Die meisten dieser Personen sind immobil oder sehr in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, inkontinent und zumeist nur zu sehr rudimentären Formen nonverbaler Kommunikation fähig. Sie besitzen wenig oder keine Fähigkeit, für ihre eigenen Grundbedürfnisse zu sorgen und benötigen ständige Hilfe und Überwachung. Das Sprachverständnis und der Sprachgebrauch bestehen im günstigsten Fall im Verständnis grundlegender Anweisungen und Formulieren einfacher Forderungen. Die grundlegendsten und einfachsten visuellräumlichen Fertigkeiten, wie Sortieren und Zuordnen, können erworben werden und die Betroffenen können in der Lage sein, sich mit entsprechender Beaufsichtigung und Anleitung in geringem Maße an häuslichen und praktischen Aufgaben zu beteiligen.

(...)"

2. Die Beschwerde macht eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf inhaltliche Entscheidung über ihre Berufung geltend und bringt dazu im Wesentlichen vor, infolge der Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin durch die Erstbehörde sei die Beschwerdeführerin in ihren rechtlichen Interessen sehr wohl beeinträchtigt worden; die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung der Berufung mangels Beschwer sei daher zu Unrecht erfolgt.

3. Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:

Der Beschwerde ist zwar zuzugestehen, dass dann, wenn einem Antrag durch den mit Berufung angefochtenen Bescheid nicht voll Rechnung getragen wird, die Beschwer des Antragstellers (als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Berufung) grundsätzlich zu bejahen ist (vgl. etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 61, § 66 Rz 38).

Im vorliegenden Fall ist allerdings - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - die zu §§ 2 und 3 Stmk. BHG ergangene hg. Rechtsprechung in den Blick zu nehmen, der zufolge der Behinderte einen Bescheid, mit dem ihm ausschließlich eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme nach diesen Bestimmungen verweigert, der Anspruch auf Hilfeleistung zur Deckung jenes Bedarfs, der durch die beantragte Maßnahme gedeckt werden soll, aber nicht generell verneint wird, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen kann; der Behinderte hat nämlich - ungeachtet seines Rechtsanspruchs auf Hilfeleistung gemäß § 2 Abs. 1 Stmk. BHG - nach § 3 Abs. 2 Stmk. BHG keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der in § 3 Abs. 1 Stmk. BHG genannten Hilfeleistungen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2013, Zl. 2012/10/0074, mwN).

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführerin die beantragten Leistungen nach § 3 Abs. 1 lit. h und i Stmk. BHG zwar mit dem Grad der Beeinträchtigung "hoch", nicht aber - wie beantragt - mit dem Grad der Beeinträchtigung "höchst" zuerkannt wurden, anzuwenden. Auch dadurch wurden der Beschwerdeführerin zwar die konkret beantragten, bestimmten Maßnahmen verweigert, ihr Anspruch auf Hilfeleistung wurde aber nicht generell verneint.

Kam jedoch der dem Antrag der Beschwerdeführerin zugrunde liegende Anspruch von vornherein nicht in Betracht, so konnte sie auch durch die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung ihrer Berufung (anstelle einer Behebung des erstbehördlichen Bescheides unter gleichzeitiger Zurückweisung des Antrages) nicht in Rechten verletzt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. August 2010, Zl. 2008/10/0278, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 54 mit weiteren Nachweisen aus der hg. Judikatur).

4. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Februar 2014

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