VwGH 2012/01/0064

VwGH2012/01/006429.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des C E in W, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 10, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Dezember 2011, Zl. MA 35/IV-E 296/06, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte bei der belangten Behörde am 5. Dezember 2002 als "C E, geboren am 1975 in A/Nigera" die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Er gab an, er sei nigerianischer Staatsbürger, er habe am 30. Dezember 1998 in L/Nigeria eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und halte sich seit März 1999 im Bundesgebiet auf.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Im Zuge der Verleihung wurde der Beschwerdeführer am 9. März 2004 niederschriftlich befragt, wobei er mit seiner Unterschrift unter anderem bestätigte, er sei nicht gerichtlich verurteilt und gegen ihn bestehe kein Aufenthaltsverbot.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 2011 hat die belangte Behörde wie folgt entschieden:

"I. Das mit rechtskräftigem Bescheid vom 9. März 2004, Zl: MA X/Y abgeschlossene Staatsbürgerschaftsverfahren, mit welchem Herrn E C, alias: S M; alias: O K, alias: C D E, alias: D

E C, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, wird gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 5 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 zum Zeitpunkt vor Verleihung wieder aufgenommen.

II. Der Antrag des C E, alias: S M; alias: O K, alias: C D E, alias: D E C, vom 5. Dezember 2002 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wird gemäß §§ 10ff StbG abgewiesen."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach Verleihung der Staatsbürgerschaft sei (auf Grund näher bezeichneter Schreiben bzw. Berichte des Bundesministeriums für Inneres bzw. Bundeskriminalamtes vom Oktober bzw. November 2006) hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer auf Grund falscher Angaben über seine Identität in Österreich unter verschiedenen Namen erkennungsdienstlich behandelt (registriert) worden sei; er sei in Österreich unter den Namen "M S, K O, E C D und C D E" in Erscheinung getreten. Auf Grund eines Abgleichs der Fingerabdrücke sei (vom Bundeskriminalamt) festgestellt worden, dass es sich um ein und dieselbe Person handle, die mit verschiedenen Namen ("Alias-Identitäten") registriert sei.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion W vom 11. November 1996 sei unter der Alias-Identität "C D E, alias O K, alias M S" über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieses Aufenthaltsverbot sei deshalb erlassen worden, weil der Beschwerdeführer unter dem Namen "C D E alias O K" mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes W vom 8. Oktober 1996 gemäß § 12 Abs. 2 SGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden war. Gegen den Beschwerdeführer habe somit im Zeitpunkt der Antragstellung (5. Dezember 2002) als auch der Verleihung der Staatsbürgerschaft (9. März 2004) ein Aufenthaltsverbot bestanden. Der Beschwerdeführer habe in seinem Verleihungsantrag und im Laufe des weiteren Verfahrens bis zur Verleihung und anlässlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft (am 9. März 2004) verschwiegen, dass er unter anderen Identitäten in Österreich gelebt habe (aufgetreten sei), strafgerichtlich verurteilt worden sei und gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestanden habe. Dadurch habe er die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erschlichen. Hätte die belangte Behörde zum damaligen Zeitpunkt von den Vormerkungen (strafgerichtliche Verurteilung und Aufenthaltsverbot) gewusst, wäre die Staatsbürgerschaft wegen des Einbürgerungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG (idF BGBl. I Nr. 124/1998) nicht verliehen worden. Im Laufe der Überprüfungen sei auch bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer zumindest von März 2008 bis 2010 in Großbritannien eine Haftstrafe verbüßt habe.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde - nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage - davon aus, der Beschwerdeführer habe die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch falsche Angaben und Verschweigen wesentlicher Tatsachen - nämlich durch die niederschriftlichen Angaben, dass hinsichtlich seiner Person kein Aufenthaltsverbot bestehe - im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG erschlichen. Das Verfahren sei daher zum Zeitpunkt vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft wieder aufzunehmen.

Das Verleihungsansuchen (vom 5. Dezember 2002) werde abgewiesen, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (iVm § 15 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 StbG) nicht erfülle; Gründe für die Verleihung nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von sechs Jahren im Sinne von § 11a Abs. 4 Z. 1 bis 4 StbG lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer halte sich seit 19. Mai 2006 nicht im Bundesgebiet auf; zumindest seit März 2008 bis 2010 habe er in einer ausländischen Haftanstalt (in Großbritannien) Freiheitsstrafen verbüßt. 1996 sei gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen worden; dieses Aufenthaltsverbot sei (nach der Aktenlage) zumindest bis 2006 gültig gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG), lauten (auszugsweise):

"§ 4. Soweit dieses Bundesgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, kommt für seinen Bereich dem Geschlecht und dem Familienstand keine rechtliche Bedeutung zu. Fremde, die einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eingebracht haben, sind jedoch verpflichtet, in diesen Verfahren ihre familiären Verhältnisse, die Mittelpunkte ihrer Lebensinteressen sowie ihre persönlichen Lebensumstände darzulegen.

...

Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

  1. 1. ...;
  2. 2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrundeliegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

    ...

    5. gegen ihn kein Aufenthaltsverbot besteht und auch kein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist; ..."

    Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Verleihungsverfahren objektiv unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse und das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot gemacht hat. Dies hat die belangte Behörde als Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG (Erschleichung) gewertet, da diese Angaben des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG von wesentlicher Bedeutung gewesen seien.

    Die Beschwerde bringt gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens vor, die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers (mit Urteil des Landesgerichtes W vom 8. Oktober 1996) sei schon im Jahr 2001 - also vor Verleihung der Staatsbürgerschaft - getilgt gewesen. Daher sei irrelevant, dass der Beschwerdeführer diese strafgerichtliche Verurteilung gegenüber der Behörde nicht angegeben habe. Der "maßgebliche Sachverhalt" sei nicht ermittelt worden; die belangte Behörde hätte sich mit "diesen Vorwürfen" auseinandersetzen müssen.

    Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde sich hinsichtlich der Erschleichung der Staatsbürgerschaft auf die Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine persönlichen Verhältnisse und das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG gestützt hat.

    Dass mit Bescheid der Bundespolizeidirektion W vom 11. November 1996 gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen wurde, zieht die Beschwerde nicht in Zweifel. Sie macht dazu geltend, im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft (im März 2004) seien aber die Gründe für die Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes - nämlich die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom Oktober 1996 - spätestens mit Tilgung der über ihn verhängten Strafe "weggefallen". Außerdem habe der Beschwerdeführer nach seiner Verurteilung geheiratet und eine Familie gegründet. Deshalb hätte die belangte Behörde bei der Bundespolizeidirektion W anfragen müssen, ob das Aufenthaltsverbot aufrecht erhalten werden könne. Die belangte Behörde habe das Ermittlungsverfahren einseitig gestaltet und ihr eingeräumtes Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt; sie habe übersehen, dass "keine Unterbrechung des (Haupt)Wohnsitzes anzunehmen ist". Die belangte Behörde habe sich weder mit der Tilgung der strafgerichtlichen Verurteilung auseinandergesetzt noch "Rücksicht auf das Aufenthaltsverbot und der geänderten Umstände auf Grund des Familienlebens des Beschwerdeführers gemäß Art. 8 EMRK genommen".

    Auch damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Das (am 11. November 1996) rechtskräftig gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot war unbefristet. Dieses Aufenthaltsverbot wurde - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - nicht aufgehoben. Im Verleihungsverfahren bestand gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot und demnach das Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG. Dieses rechtskräftig verhängte Aufenthaltsverbot wurde durch "geänderte Umstände" bzw. den behaupteten "Wegfall der Gründe" nicht unwirksam. Dass - wie die Beschwerde meint - die "Gründe" für die Erlassung des Aufenthaltsverbots weggefallen seien, ändert daher daran nichts, dass ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer und damit das Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG bestanden hat.

    Auch die dazu ins Treffen geführte Judikatur (nämlich die hg. Erkenntnisse vom 13. Jänner 1999, Zl. 98/01/0011, vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0352, und vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/01/0778; sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1995, B 434/94 = VfSlg. 14.393) vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen. Dabei übersieht die Beschwerde, dass (nach dieser Judikatur) der Wegfall der "Gründe" für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das rechtskräftig erlassene Aufenthaltsverbot nicht aus dem Rechtsbestand beseitigt, aber ein Wegfall der "Gründe" für die Unterbrechung des Laufes der Wohnsitzfristen (Fristen des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts) im Sinne des § 15 Abs. 2 StbG (idF BGBl. I Nr. 124/1998 bzw. BGBl. I Nr. 38/2011) erheblich wäre. Dies besagt jedoch nicht, dass diesfalls die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG erfüllt wären.

    Als Antragsteller war der Beschwerdeführer verpflichtet, der Behörde seine persönlichen Umstände im Verleihungsverfahren darzulegen (§ 4 StbG). Dass er anlässlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft am 9. März 2004 das gegen ihn rechtskräftig verhängte (unbefristete) Aufenthaltsverbot darlegte, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

    Zur Abweisung des Verleihungsansuchens (im wiederaufgenommenen Verfahren) erstattete der Beschwerdeführer kein Vorbringen. Auch eine von Amts wegen wahrzunehmende Rechtswidrigkeit liegt nicht vor.

    Dass die belangte Behörde von der ihr im § 69 Abs. 3 AVG eingeräumten Befugnis nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Inwieweit fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die "Entziehung" der (vom Beschwerdeführer erschlichenen) Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist, wurde nicht konkret dargelegt.

    Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 29. Jänner 2014

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