Normen
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der erstmitbeteiligten sowie der drittmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2010, Zl. 2009/05/0020, zu verweisen: Es geht um die Baubewilligung für eine Mobilfunkanlage bestehend aus einem 36 m hohen Rohrgittermast mit der dazugehörigen Basisstation. Die Beschwerdeführerin hat als Nachbarin dagegen Einwendungen erhoben.
Mit dem zitierten Vorerkenntnis vom 19. Jänner 2010 wurde der dort angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 7. August 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend wurde dafür im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin befinde sich im Recht, wenn sie behaupte, dass durch den zu befürchtenden Eisabwurf vom Mobilfunkmast Gefährdungen im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) drohten. Der 36 m hohe Rohrgittermast sei nur 2 m von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin entfernt. Der maschinenbautechnische Amtssachverständige habe ausgeführt, dass ein Schnee- und Eisabwurf von diesem Bauwerk nicht ausgeschlossen werden könne. Der benachbarte Grundstückseigentümer müsse gemäß § 48 Abs. 1 Z 1 BO keine Immissionen auf sein Grundstück hinnehmen, durch die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet werde. Auf Grund der Ermittlungsergebnisse könne im Hinblick auf die geplante Nähe des Rohrgittermastes zum Grundstück der Beschwerdeführerin die behauptete Gefährdung durch Eisabwurf nicht ausgeschlossen werden. Eine Bewilligung des Rohrgittermastes am betroffenen Standort wäre dann unbedenklich, wenn die Gefahren nicht über solche hinausgingen, die von jedem in Grenznähe befindlichen Bauwerk ausgingen. Ob dies der Fall sei, könne abschließend erst nach einem entsprechenden Gutachten eines Sachverständigen beurteilt werden.
Nach dem genannten hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2010 behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. Februar 2010 den Berufungsbescheid über die Baubewilligung des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 31. Jänner 2008 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde zurück.
In der Folge wurde ein bautechnisches Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. H vom 29. Juli 2010 eingeholt. Dieser legte im Wesentlichen dar, es handle sich um einen 36 m hohen, dreiseitigen Stahlrohrgittermast, der auf dem Baugrundstück in der südwestlichen Grundstücksecke im Abstand von 2 m zum Nachbargrundstück errichtet werden solle, wobei in ca. 10 bis 12 m Höhe allseits Werbetafeln im Seitenformat von je 1 m x 5,3 m vorgesehen seien. Der Rohrgittermast bestehe aus drei Trag- und den aussteifenden Gitterrohrstäben. Weiters sei eine fest verlegte Aufstiegshilfe für Wartungsarbeiten vorhanden. Der Mast sei auf einer Stahlbetonfundamentplatte gegründet. Die Konstruktion des Stahlrohrgittermastes mit den drei Trag- und den aussteifenden Gitterrohrstäben weise, wie auch aus den Abbildungen im Gutachten ersichtlich nur kleinere, meist geneigte Ablagerungsflächen für Schnee und (bei entsprechenden Witterungsverhältnissen) für eine Eisbildung auf. Bauwerke mit vergleichbarer Höhe, bei denen sich ebenfalls Schnee ablagern und bei entsprechenden Witterungsverhältnissen eine Eisbildung einstellen könne, befänden sich in unmittelbarer Nähe des Standortes auf dem schräg gegenüberliegenden Grundstück bei der Tankstelle in Form eines hohen Lichtmastes und eines Werbepylons mit dreiseitigem Aufsatz. Ein weiterer Werbepylon mit Werbetafeln und entsprechenden Ablagerungsflächen für Schnee und Eisbildung befinde sich bei dem am Ortsbeginn der mitbeteiligten Stadtgemeinde gelegenen Einkaufszentrum. Im Bereich des rechten Straßenrandes befänden sich weiters Lichtmaste, auf deren Tragarmen und Leuchtkörperabdeckungen sich ebenfalls Schnee ablagern und gegebenenfalls Eis bilden könne. Als weitere Beispiele von Bauwerken und Bauwerksteilen mit vergleichbaren Gegebenheiten betreffend die Möglichkeit der Ablagerung von Schnee und (bei entsprechenden Witterungsverhältnissen) von Eisbildung wären zu nennen:
.) Mehrgeschossige Gebäude mit horizontal gegliederten Fassaden (z.B. Fassaden mit Gesimsen) oder Fassaden- / Dachaufbauten oder mit Balkonen oder Loggien mit Absturzsicherungen in Form von Geländern aus Stahlprofilen
.) Mehrgeschossige Gebäude mit außenliegender Fluchtstiege aus Stahl
.) Gebäude mit Zugangsstegen am Dach zu Schornsteinen für den Rauchfangkehrer
.) Türme mit gegliederter außenliegender Tragkonstruktion (z.B. Klangturm S.) oder mit entsprechend ausgebildeten Giebel- und Dachaufbauten (z.B. Kirchtürme)
.) Stahlgittermaste von Beleuchtungsanlagen (z.B. Flutlichtanlage)
.) Stahlgittermaste und Leitungsseile von Freileitungen.
Der gegenständliche Stahlrohrgittermast weise nur kleine, meist geneigte Ablagerungsflächen für Schnee und (bei entsprechenden Witterungsverhältnissen) für eine Eisbildung auf, weshalb der Schluss gezogen werden könne, dass dieses Bauwerk kein erhöhtes, über die natürlichen Verhältnisse hinausgehendes Risiko für Personen bezüglich Eisabwurf darstelle. Die behaupteten Gefährdungen durch Eisabwurf würden jedenfalls nicht durch den bewilligten Verwendungszweck eines Antennentragmastes verursacht. Solche Gefahren könnten von jedem Bauwerk, das auch in Grenznähe errichtet werden könne, ausgehen. In den Beilagen näher dargestellte vergleichsweise Bauwerke wiesen, wie auch aus den einzelnen Abbildungen ersichtlich sei, nach dem Stand der Technik ebenfalls keine Vorkehrungen zum Schutz gegen Eisabwurf auf, unabhängig davon, ob sie in der Nähe einer Grundstücksgrenze errichtet seien oder nicht. Die durch die gegenständliche Bauführung zu erwartende Gefahr betreffend Eisabwurf gehe nicht über solche hinaus, die von jedem in Grenznähe befindlichen Bauwerk ausgehen könne.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich zu diesem Gutachten in einem Schreiben vom 9. August 2010 ablehnend.
Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. September 2010 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. Oktober 2006 (neuerlich) als unbegründet abgewiesen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei nicht nachzuvollziehen, dass der Befund des Sachverständigengutachtens mangelhaft sein solle. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Sachverständige, wie sich aus der beigefügten Fotodokumentation ergebe, zahlreiche Beispiele von Bauwerken und Bauwerksteilen mit vergleichbaren Gegebenheiten betreffend die Möglichkeit der Ablagerung von Schnee und Eisbildung im unmittelbaren Nahebereich auch von Verkehrsflächen genannt habe. Soweit die Beschwerdeführerin behaupte, der Berufungsbescheid lasse eine Auseinandersetzung mit den verfahrensgegenständlich auch geplanten Werbetafeln vermissen, seien ihr die gutachterlich untermauerten Ausführungen im angefochtenen Bescheid entgegenzuhalten, wonach die Werbetafeln beispielsweise mit den Werbepylonen bei der Tankstelle oder den Werbepylontafeln beim Einkaufszentrum durchaus vergleichbar seien. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei bereits den im Akt einliegenden zahlreichen Fotos über vergleichbare Stahlgittermasten zu entnehmen, dass diese jedenfalls im Nahebereich von Grundstücksgrenzen bzw. Verkehrsflächen situiert seien. Die Beschwerdeführerin habe die Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens nicht aufzuzeigen vermocht, auch sei sie dem durchaus schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachten nicht durch ein fachlich fundiertes Gegengutachten entgegengetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, in wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die beiden mitbeteiligten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, das bautechnische Gutachten vom 29. Juli 2010 beschäftige sich ausschließlich mit Gefahren, die auch von anderen Rohrgittermasten ausgingen, nicht jedoch von anderen in Grenznähe befindlichen Bauwerken. Es seien jedoch nicht Rohrgittermasten mit Rohrgittermasten zu vergleichen, sondern Rohrgittermasten mit jedem in Grenznähe befindlichen Bauwerk. Bauwerke seien beispielsweise Terrassen, Stützmauern, Wege, Rampen, Balkonüberdachungen, Düngerstätten, Pumpenschächte, PKW-Stellplätze oder große Kreuze. Es wäre daher zu hinterfragen gewesen, ob vom gegenständlichen Rohrgittermast die gleiche (oder eine höhere) Gefahr durch Eisabwurf ausgehe als beispielsweise von einem Weg, einer Rampe, einer Düngerstätte oder einem Pumpenschacht. Nur dann, wenn die Gefahr durch Eisabwurf nicht höher sei als dasselbe Risiko bei einer Terrasse, einem Weg oder einem Pumpenschacht, wäre die Errichtung unmittelbar an der Grundgrenze unbedenklich. Dass von einem Weg, einer Terrasse, einer Stützmauer, einem Pumpenschacht etc. ein wesentlich geringeres Risiko betreffend Eisabwurf ausgehe als von einem 36 m hohen Rohrgittermast, liege auf der Hand. Die Lichtbilder der im bautechnischen Gutachten gezeigten Rohrgittermasten, aber auch die von den Bauwerbern vorgelegten Pläne wiesen eine Vielzahl von Ablagerungsflächen für Schnee und Eis aus. Vor allem aber sei die Höhe des Rohrgittermastes von 36 m mit keinem anderen in Grenznähe bewilligungsfähigen Bauwerk vergleichbar. Nachdem nicht von jedem in Grenznähe befindlichen Bauwerk (beispielsweise Wege, Düngerstätten, Pumpenschächte etc.) die gleiche Gefahr ausgehe wie von einem 36 m hohen Rohrgittermast unmittelbar an der Grundgrenze, wäre daher die Bewilligung zu versagen gewesen. Das bautechnische Gutachten vom 29. Juli 2010 sei somit, gemessen an der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes, insuffizient. Als Vergleichsmaßstab würden ausschließlich Gebäude bzw. Rohrgittermasten herangezogen, nicht jedoch sonstige bauliche Anlagen in unmittelbarer Grenznähe, wie beispielsweise Terrassen, Stützmauern, Wege, Rampen, Düngerstätten, Pumpenschächte oder PKW-Stellplätze.
Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage kann auf das zitierte hg. Vorerkenntnis vom 19. Jänner 2010 verwiesen werden. In Folge dieses Erkenntnisses wurde ein bautechnisches Gutachten eingeholt, dem die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. In diesem Gutachten kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der gegenständliche Stahlrohrgittermast nur kleine, meist geneigte Ablagerungsflächen für Schnee und gegebenenfalls Eisbildung aufweise. Ein erhöhtes, über die natürlichen Verhältnisse hinausgehendes Risiko für Personen hat der Sachverständige daher ausgeschlossen (vgl. dazu bereits das im hg. Vorerkenntnis vom 19. Jänner 2010 zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2006/05/0283).
Es mag zutreffen, dass es bauliche Anlagen wie die in der Beschwerde genannten gibt, die geringere Gefahren bzw. überhaupt keine Gefahren für Schnee- oder Eisabwurf bringen. Dennoch ist aber auch ein Rohrgittermast, wie sich aus dem hg. Vorerkenntnis vom 19. Jänner 2010 ergibt, in der hier gegebenen Nähe zum Nachbargrundstück zulässig. Es kommt also, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, darauf an, ob die Gefahren durch Schnee- und Eisabwurf über jene Gefahren hinausgehen, die von in Grenznähe möglichen Bauwerken ausgehen, von welchen ebenfalls ein Schnee- oder Eisabwurf in Frage kommt. Bauwerke, bei denen solches von vornherein ausgeschlossen ist, wie etwa auch unterirdische Bauwerke, können schon aus sachlichen Gründen im gegebenen Zusammenhang für einen Vergleich nicht herangezogen werden. Es geht nämlich nicht darum, dass überhaupt kein Schneebzw. Eisabwurf in Frage kommt, sondern lediglich darum, ob durch den vom Bauwerk möglichen Schnee- oder Eisabwurf gemäß § 48 Abs. 1 Z 1 BO eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen eintritt. Dass dies hier nicht zu erwarten ist, hat die belangte Behörde, gestützt auf das Amtssachverständigengutachten, in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise begründet.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 15. Mai 2014
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