Normen
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs2;
AVG §69;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art131;
B-VG Art144;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs2;
AVG §69;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art131;
B-VG Art144;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
Aus der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides im Zusammenhalt mit dem hg. Erkenntnis vom 15. November 2011, Zl. 2010/05/0065, auf das zur Darstellung der Vorgeschichte im Übrigen verwiesen wird, geht Folgendes hervor:
Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Juli 1987 wurde der zweitmitbeteiligten Partei und der drittmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Bauwerber) auf Grund deren Ansuchens vom 12. Februar 1985 die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses samt Garage auf dem Grundstück Nr. 917/27, KG G., erteilt.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juni 1988 als unbegründet abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhob, die mit hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/05/0171, als unbegründet abgewiesen wurde.
Mit Eingabe vom 28. Dezember 2007 hatte der Beschwerdeführer (u.a.) gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG an die "Stadtgemeinde G Baubehörde I. Instanz" einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in Bezug auf das genannte rechtskräftig abgeschlossene Baubewilligungsverfahren gestellt. Dazu hatte er sinngemäß ausgeführt, dass die den Bauwerbern erteilte Baubewilligung zur Errichtung der Garage - weil seine aus Art. 6 EMRK und dem ersten Zusatzprotokoll der ERMK erfließenden Rechte missachtet worden seien - unter Amtsmissbrauch zustande gekommen sei. Die "Dreijahresfrist" könne nicht zur Anwendung kommen, "da die Verfahrensdauer von der Baubehörde I. Instanz bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wesentlich länger als drei Jahre gedauert hat".
Dieser Wiederaufnahmeantrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juni 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass aus dem Antrag nicht hervorgehe, aus welchen Umständen der Beschwerdeführer einen der Tatbestände zur Wiederaufnahme als gegeben betrachte, und der bloße Hinweis auf § 302 Abs. 1 StGB noch keinen Wiederaufnahmegrund darstelle.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. September 2008 abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer Vorstellung erhob, die mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Dezember 2009 abgewiesen wurde.
Dieser Bescheid wurde mit dem eingangs zitierten Erkenntnis, Zl. 2010/05/0065, im Umfang seines Ausspruches über den Wiederaufnahmeantrag wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil durch die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages mit Bescheid vom 13. Juni 2008 der Bürgermeister eine Zuständigkeit in Anspruch genommen habe, die von Gesetzes wegen nicht ihm, sondern dem Stadtrat zukomme. Diese Unzuständigkeit hätte die belangte Behörde aufgreifen müssen.
Mit Ersatzbescheid vom 27. Dezember 2012 behob die belangte Behörde den Berufungsbescheid des Stadtrates vom 16. September 2008 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen zurück.
Mit Ersatzbescheid vom 18. März 2013 gab der Stadtrat der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 13. Juni 2008 Folge, behob diesen erstinstanzlichen Bescheid und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Dazu vertrat der Stadtrat im Wesentlichen die Auffassung, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag nicht ausreichend begründet habe. Überdies wäre der Antrag als verspätet zurückzuweisen.
Die gegen diesen Bescheid des Stadtrates erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 2013 als unbegründet abgewiesen. Dazu führte die belangte Behörde (u.a.) nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und Hinweis auf § 69 Abs. 1 und 2 AVG aus, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren beendenden Bescheides nicht mehr gestellt werden könne. Die Baubewilligung für die Garage sei mit Bescheid des Gemeinderates vom 28. Juli 1987 rechtskräftig erteilt worden. Der Stadtrat hätte daher den Wiederaufnahmeantrag wegen der jahrzehntelangen Verspätung zurückzuweisen statt abzuweisen gehabt, wodurch jedoch der Beschwerdeführer nicht schlechter gestellt worden sei. Mit seinem Vorbringen, dass die Dreijahresfrist des § 69 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden sei, weil die Verfahrensdauer beginnend von der Baubehörde erster Instanz bis zum EGMR wesentlich länger als drei Jahre gedauert habe, verkenne er die Rechtslage. Im Übrigen seien auch seit dem Urteil des EGMR vom 10. Mai 2007 - in diesem Urteil, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), hatte der EGMR eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK als dadurch begründet angenommen, dass in einem hg. Beschwerdeverfahren keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden war - bereits mehr als sechs Jahre vergangen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, dass auf den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 2007 die in § 69 Abs. 2 dritter Satz AVG vorgesehene Dreijahresfrist nicht angewendet werden könne, weil das Verfahren, beginnend von der Baubehörde I. Instanz bis zum EGMR, wesentlich länger als drei Jahre gedauert habe. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei vom Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt verlangt worden, nachdem er Kenntnis davon erlangt habe, dass der begründete Verdacht eines Amtsmissbrauchs auf Grund von Tatsachen, die bereits vor Abschluss des Verfahrens vorhanden gewesen seien, bestehe. Die belangte Behörde habe diese Gesetzesbestimmung zu Unrecht (willkürlich) und ohne Rechtsgrundlage angewendet und hätte gemäß § 68 AVG die Möglichkeit gehabt, den Baubescheid zu beheben, weil allenfalls ein strafgesetzwidriger Erfolg herbeigeführt werde (Sachbeschädigung des Zaunes, der nicht gepflegt und nicht mehr gewartet werden könne).
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
§ 69 AVG (in der bei Erlassung des Bescheides des Stadtrates vom 18. März 2013 geltenden Fassung des Art. 6 Z 28 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33) lautet:
"Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem."
Nach ständiger hg. Judikatur ist Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens, dass der das seinerzeitige Verfahren abschließende Bescheid mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig, ist, wobei die Zulässigkeit der Vorstellung nach Art. 119a Abs. 5 B-VG sowie die Zulässigkeit der Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nach Art. 131 und 144 B-VG den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides nicht behindern (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Februar 2012, Zl. 2012/05/0026, mwN).
Im vorliegenden Beschwerdefall war das gegenständliche baubehördliche Verfahren, dessen Wiederaufnahme der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe vom 28. Dezember 2007 beantragt hat, mit Eintritt der Rechtskraft des Berufungsbescheides vom 28. Juli 1987 im selben Jahr abgeschlossen. Der klare Wortlaut des § 69 Abs. 2 AVG schließt es aus, die objektive Befristung des Wiederaufnahmeantrages mit drei Jahren von einem anderen Zeitpunkt an zu berechnen als jenem, in welchem der das wiederaufzunehmende Verfahren abschließende Bescheid erlassen wurde (vgl. dazu nochmals das genannte Erkenntnis, Zl. 2012/05/0026, mwN).
Da - wie bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. November 2003, B 1019/03, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR ausgeführt hat - die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht zur Anwendung kommt, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen, ist es hiebei nicht von Bedeutung, dass - wie die Beschwerde vorbringt - Fristen für die Wiederaufnahme eines nationalen Verfahrens in der EMRK nicht vorgesehen sind. Entgegen der Beschwerdeauffassung ist es für die vorliegende Beurteilung auch ohne Belang, ob die Dauer des Verfahrens "von der Baubehörde I. Instanz bis zum EGMR" (offensichtlich gemeint: bis zum genannten Urteil des EGMR vom 10. Mai 2007) wesentlich länger als drei Jahre gedauert hat.
Da somit, wie dargelegt, seit dem rechtskräftigen Abschluss des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens im Jahr 1987 bei Stellung des Wiederaufnahmeantrages des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 2007 mehr als drei Jahre verstrichen waren, konnte diesem Antrag kein Erfolg beschieden sein.
Dadurch, dass der Stadtrat mit Bescheid vom 18. März 2013 den Wiederaufnahmeantrag abgewiesen und die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen hat, wurde somit der Beschwerdeführer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.
Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die "erkennende Behörde" gemäß § 68 AVG die Möglichkeit gehabt hätte, den Baubescheid zu beheben, so zeigt sie mit diesem Vorbringen bereits deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil gemäß § 68 Abs. 7 AVG niemandem ein Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß dem § 68 Abs. 2 bis 4 leg. cit. zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts zusteht (vgl. dazu etwa die in Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 68 Rz 129 ff zitierte Judikatur).
Die in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung konnte aus folgenden Gründen unterbleiben:
Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist. So hat der EGMR in der obgenannten Entscheidung vom 10. Mai 2007 (Hofbauer/Österreich Nr. 2) und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde werden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Schon deshalb steht Art. 6 EMRK somit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Wie Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2, Seite 195 mit Bezugnahme auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausführen, zählt ein Verfahren über die Zulässigkeit eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu den Angelegenheiten, auf die Art. 6 EMRK nicht anwendbar ist (vgl. das Urteil vom 8. Mai 1978, Nr. 7761/77, ua.). Im Übrigen kommt, wie bereits erwähnt, die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, B 1019/03, und das eingangs zitierte Erkenntnis, Zl. 2010/05/0065, mwN).
Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 10. Dezember 2013
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