VwGH 2012/22/0272

VwGH2012/22/027229.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 15. November 2012, Zl. 163.097/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den als auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gerichtet gewerteten Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht, dass er sich seit 3. November 2004 in Österreich aufhielte und unbescholten wäre. Er verfügte über einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft in Form einer Wohnbestätigung seiner Schwägerin, hätte ein Deutschdiplom auf A2-Niveau erfolgreich abgelegt, wäre sozial integriert, hätte eine Einstellungszusage vorgelegt und nachgewiesen, dass sein Lebensunterhalt gesichert wäre.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde - sei am 3. November 2004 eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29. Oktober 2010 rechtskräftig iVm einer Ausweisung abgewiesen worden. Am 6. Mai 2011 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt, der mit Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG gerichtet zu werten gewesen sei.

Die erstinstanzliche Behörde sei zum Schluss gekommen, dass eine inhaltliche Beurteilung des Antrages auf Grundlage des Art. 8 EMRK erforderlich sei. Demgemäß sei auch im Berufungsverfahren eine "Neubewertung von Art. 8 EMRK" vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer wohne zwar in der Wohnung seines Bruders bzw. seiner Schwägerin und habe angegeben, von den in Österreich lebenden Verwandten unterstützt zu werden. Dass jedoch auf Grund einer Unterhaltsleistung besondere Elemente der Abhängigkeit gegeben wären, sei nicht nachgewiesen worden. Die Abweisung des Antrages bewirke keinen Eingriff in ein Familienleben, jedoch einen Eingriff in das Privatleben. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich beruhe auf einer unerlaubten Einreise und sei seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig. Der Beschwerdeführer hätte von einem nicht gesicherten Aufenthaltsstatus ausgehen müssen.

Die vorgebrachten Faktoren, etwa der Besuch eines Deutschkurses, Einstellungszusagen, die private Krankenversicherung, Verwandte sowie zahlreiche Freunde und Bekannte in Österreich (darunter auch österreichische Staatsbürger) und diverse Empfehlungsschreiben stellten keine derart außergewöhnlichen Umstände dar, die bewirken könnten, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwögen. Maßgeblich sei ferner auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Ausland verbracht habe. Bestandenen Sprachprüfungen und einem abgeschlossenen Dienstvorvertrag habe der Verwaltungsgerichtshof keine solche Bedeutung beigemessen, dass dadurch ein maßgeblich geänderter Sachverhalt verwirklicht werde und es sei sogar eine Zurückweisung gemäß § 44b Abs. 1 NAG gerechtfertigt. Insgesamt betrachtet erreichten die integrationsbegründenden Umstände noch keinen solchen Grad, dass von einem Gebot zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels auszugehen wäre. Letztlich habe sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt seit der rechtskräftigen Ausweisung durch den Asylgerichtshof (Erkenntnis vom 29. Oktober 2010) nicht maßgeblich verändert. Den geltend gemachten Sachverhaltsdarstellungen und vorgelegten Unterlagen könne nicht entnommen werden, dass sich die integrationsbegründenden Umstände innerhalb dieses relativ kurzen Zeitraumes intensiviert hätten. Im vorliegenden Fall wäre somit auch eine Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG in Betracht zu ziehen gewesen, im Zweifel sei jedoch eine neuerliche Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Eingangs ist anzumerken, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im November 2012 die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden sind und sich nachstehende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.

Die Erteilung des vom Beschwerdeführer begehrten Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 9 NAG erfordert u.a., dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist.

Zunächst ist dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde für die Beurteilung nach Art. 8 EMRK keineswegs nur den Zeitraum bis zur erstinstanzlichen Entscheidung berücksichtigt hat. Der Bescheidbegründung ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde eine Antragszurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG mangels geänderter Umstände seit Erlassung der asylrechtlichen Ausweisung für zulässig befunden hätte. Sie berücksichtigte aber die erstinstanzliche Entscheidung, eine Neubewertung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen und überprüfte diese auf ihre Richtigkeit. In diesem Sinn gab sie auch das Berufungsvorbringen wieder und bezog dieses in ihre Beurteilung ein.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass das Ergebnis dieser Beurteilung rechtswidrig ist.

Der Beschwerdeführer verweist auf intensive Bindungen zu seinen in Österreich lebenden Verwandten, auf eine Einstellungszusage, einen umfangreichen Freundeskreis von österreichischen Staatsbürgern und gute Deutschkenntnisse. Weiters dürfe er bei seiner Schwägerin wohnen und habe den "B-Führerschein" im Bundesgebiet erworben. Sein eine Daueraufenthalt-EG-Karte besitzender Bruder und seine (österreichische) Schwägerin hätten eine Patenschaftserklärung abgegeben und der Beschwerdeführer halte sich acht Jahre in Österreich auf.

Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer nicht eine eigene Kernfamilie in Österreich hat und am inländischen Arbeitsmarkt unbestritten nicht integriert ist. Er kann zwar auf einen jahrelangen inländischen Aufenthalt verweisen, tritt aber dem behördlichen Argument nicht entgegen, dass ihm sein unsicherer Aufenthaltsstatus bewusst gewesen ist.

In einer Gesamtbetrachtung durfte die belangte Behörde das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens stärker gewichten als das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Auch wenn der Beschwerdeführer nach seinen Angaben nur mehr "sporadische familiäre Bindungen" im Heimatland hat, ist mangels konkreten Vorbringens nicht ersichtlich, dass ihm eine Wiedereingliederung dort unmöglich oder unzumutbar wäre.

Insgesamt gesehen lässt das Beschwerdevorbringen außer Acht, dass der Beachtung fremdenrechtlicher Vorschriften aus dem Gesichtspunkt der Wahrung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt und dieses öffentliche Interesse verlangt, dass Fremde nach Abweisung ihrer Asylanträge den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise wieder herstellen. Die gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers erreichen nicht ein Ausmaß, dass das genannte öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten hätte.

Ob der Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren auch das Bestehen der "B1-Prüfung in Deutsch" nachgewiesen habe, ist nicht entscheidungswesentlich.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2013

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