Normen
ZDG 1986 §14 Abs2;
ZDG 1986 §14 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 stellte die Zivildienstserviceagentur gemäß § 5 Abs. 4 des Zivildienstgesetzes (ZDG) den Eintritt der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers mit 2. Dezember 2010 fest.
Am 4. April 2011 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufschub von der Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 14 ZDG ein. Das vom Beschwerdeführer unterfertigte Formular war nicht ausgefüllt, beigelegt war dem Antrag aber ein Schreiben des King's College London vom 11. Jänner 2011, demzufolge dem Beschwerdeführer die Teilnahme an einem Programm "Bachelor of Science in Business Management" mit Eintrittsjahr 2011 angeboten werde, dies unter der Bedingung, dass er bis August 2011 näher bezeichnete Tests mit einem bestimmten, näher bezeichneten Ergebnis bestehe.
Mit Schreiben der Zivildienstserviceagentur vom 28. April 2011 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, nachzuweisen, wann er die in seinem Fall maßgebliche Hochschulausbildung begonnen habe und eine aktuelle Inskriptionsbestätigung unter Angabe der voraussichtlichen Ausbildungsdauer sowie einen Nachweis der außerordentlichen Härte bzw. des bedeutenden Nachteils gemäß § 14 Abs. 2 ZDG, welche bzw. welcher ihm bei Unterbrechung der Ausbildung wegen Leistung des ordentlichen Zivildienstes entstünde, nachzureichen.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten langte am 26. September 2011 bei der Zivildienstserviceagentur eine vom Beschwerdeführer ohne Begleitschreiben übermittelte Bestätigung des King's College London vom 22. September 2011 ein, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer als Vollzeitstudent für das Studienjahr 2011/2012 inskribiert sei und das Programm "Bachelor of Science in Business Management" am 26. September 2011 beginne und voraussichtlich Ende Juli 2014 enden werde.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 wies die Zivildienstserviceagentur den Antrag auf Aufschub gemäß § 14 Abs. 2 ZDG ab. Begründend wurde ausgeführt, die dem Beschwerdeführer zum Nachweis einer außerordentlichen Härte bzw. eines bedeutenden Nachteils gemäß § 14 Abs. 2 ZDG bei Unterbrechung der Ausbildung für die Ableistung des ordentlichen Zivildienstes gewährte Nachfrist sei ergebnislos abgelaufen, der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung keinen entsprechenden Nachweis vorgelegt.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er besuche das King's College London, auch sein Hauptwohnsitz sei London. Eine Unterbrechung des Studiums würde den Verlust seines Studienplatzes bedeuten, den er durch seinen guten Notendurchschnitt erlangt habe. Ebenso würde er alle Investitionen in seine Übersiedlung nach London verlieren, ohne sein Studium dort abschließen zu können, woraus ihm "ein unwiederbringlicher Vermögensnachteil erwachsen würde, zB Unterkunft, Übersiedlungskosten , bisherige Studiengebühren, etc".
Beigeschlossen war der Berufung ein "Proof of Residence", ausgestellt von einer Einrichtung der "University of London", vom 6. Dezember "2010" (richtig wohl: 2011), worin bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer in einer Studentenunterkunft seit 18. September 2011 ein Zimmer bewohne, wobei der Vertrag bis 9. Juni 2012 abgeschlossen sei. Hingewiesen wird auch darauf, dass der Vertrag für die genannte Periode gelte und Kosten entstünden, wenn der Student sich entschließe, das Quartier zu verlassen. Aus einer ebenfalls beigeschlossenen Aufstellung derselben Einrichtung vom 9. Dezember 2011 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls den Betrag von 2.415,-- in britischen Pfund an Wohnkosten bezahlt habe.
Mit Schreiben vom 2. Jänner 2012 forderte die Bundesministerin für Inneres den Beschwerdeführer auf, binnen zwei Wochen Nachweise dafür vorzulegen, dass er infolge einer Unterbrechung des Studiums seinen Studienplatz verlieren würde bzw. zusätzlich zur Dauer des Zivildienstes mehr als zwei Semester verlieren würde, ebenso dafür, dass er eine Studiengebühr zu bezahlen gehabt habe und diese ersatzlos verfallen würde.
Im Verwaltungsakt erliegt ein vom Beschwerdeführer ohne Begleitschreiben vorgelegtes Schreiben des King's College London (School of Social Science & Public Policy; Department of Management; Director of Undergraduate Studies) vom 18. Jänner 2012, demzufolge der Beschwerdeführer Student im ersten Jahr des auf drei Jahre angelegten Programms "BSc Business Management" sei, sein Studium im September 2011 begonnen habe und es voraussichtlich im Juli 2014 abschließen werde. Man unterstütze einen Aufschub seines Zivildienstes bis zur Vollendung des Studiums im Jahr 2014. Die Unterbrechung der Studien im Rahmen des erwähnten Programmes sei nicht empfohlen und könne die Leistung beeinflussen. Aus einer weiteren Bestätigung des King's College London vom 23. Jänner 2012 geht ein Studienbeitrag in Höhe von 3.375,-- in britischen Pfund hervor.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2012 wies die Bundesministerin für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, der Beschwerdeführer habe, ohne zugewiesen zu sein, mit seinem aktuellen Studium begonnen. Seinem Antrag könne gemäß § 14 Abs. 2 zweiter Satz ZDG nur stattgegeben werden, wenn die Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte darstellen würde. Aus dem Schreiben des King's College London vom 18. Jänner 2012 gehe nur hervor, dass ein Aufschub des Zivildienstes bis 2014 empfohlen werde und dass die Unterbrechung des Studiums nicht empfohlen werde und den Erfolg beeinflussen könnte. Im Schreiben des King's College London vom 23. Jänner 2012 werde zusammenfassend lediglich angegeben, dass der Beschwerdeführer eine Studiengebühr in Höhe von 3.375,-- in britischen Pfund mit Fälligkeitsdatum 31. Jänner 2012 zu entrichten habe. Mit seinem Vorbringen zeige der Beschwerdeführer keine außerordentliche Härte im Sinne des § 14 Abs. 2 zweiter Satz ZDG auf, weil er keine Beweismittel vorgelegt habe, die hätten belegen können, dass er seinen Studienplatz verlieren würde bzw. infolge einer Unterbrechung des Studiums zusätzlich zur Dauer des Zivildienstes zwei (weitere) Semester verlieren würde. Es seien auch keine Beweismittel vorgelegt worden, aus denen sich ergäbe, dass bereits entrichtete Studiengebühren, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ersatzlos verfallen würden. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Zivildienstpflichtige ein Hochschulstudium grundsätzlich erst nach Leistung des Zivildienstes beginnen sollen. Der Verlust der Investitionen in die Übersiedlung nach London sowie die Kosten der Unterkunft stellten keine außerordentliche Härte dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Das ZDG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 111/2010 lautet (auszugsweise):
"Allgemeine Grundsätze
§ 1.
…
(5) Der Zivildienst ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten.
1. Für Zivildienstpflichtige, die nach dem 31. Dezember 2005 ihren Zivildienst antreten, dauert der ordentliche Zivildienst, sofern keine Präsenzdienstzeit anzurechnen ist, neun Monate;
…
§ 10.
…
(3) Die Zivildienstserviceagentur hat Zivildienstpflichtige, die für eine weiterführende Ausbildung, etwa ein Universitätsstudium, in Betracht kommen, möglichst innerhalb von sechs Monaten nach Wirksamwerden der Zivildiensterklärung zum ordentlichen Zivildienst zuzuweisen.
(4) Im übrigen hat die Bundesregierung dafür zu sorgen, daß genügend Zivildienstplätze zur Verfügung stehen, um zu gewährleisten, daß jeder Zivildienstpflichtige den ordentlichen Zivildienst längstens innerhalb von fünf Jahren ab Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung (§ 5 Abs. 4) antreten kann.
…
§ 14. (1) Zivildienstpflichtigen, die zu dem im § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001 genannten Zeitpunkt in Berufsvorbereitung, Schul- oder Hochschulausbildung stehen, ist - sofern Erfordernisse des Zivildienstes nicht entgegenstehen - auf deren Antrag der Antritt des ordentlichen Zivildienstes bis zum Abschluß der begonnenen Ausbildung oder Berufsvorbereitung, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September des Kalenderjahres aufzuschieben, in dem die Zivildienstpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden. Im Falle der Einbringung einer Zivildiensterklärung nach vollständiger Ableistung des Grundwehrdienstes gilt als maßgeblicher Zeitpunkt jener des Entstehens der Zivildienstpflicht.
(2) Zivildienstpflichtigen ist auf Antrag der ordentliche Zivildienst aufzuschieben, wenn Erfordernisse des Zivildienstes nicht entgegenstehen, sie noch nicht zum ordentlichen Zivildienst mit Dienstantritt innerhalb eines Jahres nach Wirksamwerden der Zivildiensterklärung oder nach Ende des Aufschubes gemäß Abs. 1 zugewiesen sind und durch die Unterbrechung einer Berufsvorbereitung, Schul- oder Hochschulausbildung, die sie nach dem in § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001 genannten Zeitpunkt begonnen haben, einen bedeutenden Nachteil erleiden würden. Dasselbe gilt, wenn der Zivildienstpflichtige ohne zugewiesen zu sein, eine weiterführende Ausbildung, etwa ein Hochschulstudium, begonnen hat und eine Unterbrechung der Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.
…"
1.2. Der in § 14 Abs. 1 ZDG verwiesene § 25 WG 2001 lautet (auszugsweise):
"Ausschluss von der Einberufung
§ 25. (1) Von der Einberufung zum Präsenzdienst sind ausgeschlossen
…
4. hinsichtlich der Einberufung zum Grundwehrdienst jene Wehrpflichtigen, die nachweislich in einer laufenden Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung am Beginn jenes Kalenderjahres standen, in dem jene Stellung begann, bei der erstmals oder, im Falle einer zwischenzeitlich festgestellten vorübergehenden Untauglichkeit oder Untauglichkeit, neuerlich ihre Tauglichkeit festgestellt wurde.
..."
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1.1. Die Stellung, anlässlich welcher der Beschwerdeführer erstmals für tauglich befunden wurde, erfolgte unstrittig am 9. Juni 2010. Der nach § 14 Abs. 1 ZDG infolge des Verweises auf § 25 Abs. 1 Z. 4 WG 2001 maßgebliche Stichtag ist folglich der 1. Jänner 2010. Da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der in seinem Antrag auf Aufschub genannten Hochschulausbildung stand, ist § 14 Abs. 1 ZDG im Beschwerdefall nicht einschlägig. Der Antrag des Beschwerdeführers ist vielmehr, wie von der belangten Behörde zutreffend erkannt, an § 14 Abs. 2 ZDG zu messen.
2.1.2. Für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 erster Satz ZDG ist entscheidend, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zum Zivildienst nicht derart zugewiesen war, dass er den Zivildienst binnen Jahresfrist (gerechnet ab dem Wirksamwerden der Zivildiensterklärung bzw. ab dem Ende des Aufschubes gemäß Abs. 1 leg.cit.) anzutreten hatte. Ein solcher Zuweisungsbescheid ist gegenüber dem Beschwerdeführer unstrittig nicht ergangen. Daher kommt es fallbezogen darauf an, ob der Beschwerdeführer durch die Unterbrechung des Studiums zum Zwecke der Zivildienstleistung einen bedeutenden Nachteil erleiden würde.
2.2.1. Dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufschub bereits dann stattzugeben gewesen wäre, wenn dieser durch die Unterbrechung des Studiums zum Zwecke der Zivildienstleistung einen bedeutenden Nachteil erleiden würde, verkennt die belangte Behörde, die die Abweisung des Antrages im Wesentlichen damit begründet, dass die Unterbrechung der Ausbildung keine außerordentliche Härte für den Beschwerdeführer darstellte. Auf das Vorliegen einer außerordentlichen Härte käme es aber nur an, wenn, anders als im Beschwerdefall, § 14 Abs. 2 zweiter Satz ZDG, heranzuziehen wäre.
2.2.2. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen bereits in seiner Berufung vorgebracht, im Falle der Unterbrechung des Studiums würde er alle Investitionen in seine Übersiedlung nach London verlieren, woraus ihm ein unwiederbringlicher Vermögensnachteil erwachsen würde, und dabei ua. auf seine Übersiedlungskosten hingewiesen. Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen, obwohl keineswegs von vornherein ausgeschlossen ist, dass auch aus der Übersiedlung erwachsende Kosten einen bedeutenden Nachteil darstellen können.
2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. Februar 2013
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