VwGH 2012/10/0191

VwGH2012/10/019125.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der AK in W, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Dezember 2011, Zl. UVS-SOZ/28/11822/2011-5, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §49 Abs1 idF 2011/I/122;
AlVG 1977 §49 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2011/I/122;
AlVG 1977 §9;
Mindestsicherung Vereinbarung Art15a B-VG 2010 Art14 Abs1;
Mindestsicherung Vereinbarung Art15a B-VG 2010 Art14 Abs2;
MSG Wr 2010 §14 Abs1;
MSG Wr 2010 §15 Abs1;
MSG Wr 2010 §4 Abs1 idF 2011/006;
MSG Wr 2010 §6 Abs1;
VwRallg;
AlVG 1977 §49 Abs1 idF 2011/I/122;
AlVG 1977 §49 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2011/I/122;
AlVG 1977 §9;
Mindestsicherung Vereinbarung Art15a B-VG 2010 Art14 Abs1;
Mindestsicherung Vereinbarung Art15a B-VG 2010 Art14 Abs2;
MSG Wr 2010 §14 Abs1;
MSG Wr 2010 §15 Abs1;
MSG Wr 2010 §4 Abs1 idF 2011/006;
MSG Wr 2010 §6 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (der Behörde erster Instanz) vom 25. August 2011 wurden der Beschwerdeführerin Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes für die Zeiträume vom 1. Juni bis 31. August 2011 und vom 1. Oktober bis 30. November 2011 in der Höhe von monatlich EUR 1.129,41 und für den Zeitraum vom 1. September bis 30. September 2011 in der Höhe von EUR 988,23 zuerkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 2011 gab die belangte Behörde der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus Leistungen der Mindestsicherung bestreite, träfen u. a. Verpflichtungen gemäß § 6 Z. 2 und § 14 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes - WMG.

Sie habe entgegen § 14 Abs. 1 WMG ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an einer arbeitsintegrativen Maßnahme nicht entsprochen, indem sie am 16. Mai 2011 an der Informationsveranstaltung "Job50+" nicht teilgenommen habe. Am 10. Mai 2011 habe die Beschwerdeführerin vom AMS eine Einladung zu dieser Veranstaltung erhalten; im Begleitschreiben sei angeführt gewesen, dass die Vorsprache zu Beginn der Veranstaltung als Kontrollmeldung im Sinne der Bestimmung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) gelte und die Verweigerung der Teilnahme an der Veranstaltung zum Verlust des Leistungsanspruches führen könne.

Die - von der Behörde erster Instanz vorgenommene - Kürzung des Richtsatzes um 25 % für den Monat September 2011 entspreche daher dem Gesetz. Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründe, die sie an der Teilnahme gehindert hätten, nämlich Telefonate mit einem potentiellen Dienstgeber, stellten keinen triftigen Grund dar, an der Informationsveranstaltung nicht teilzunehmen, zumal allfällige Telefonate auch zu einem anderen Zeitpunkt hätten geführt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs. 1 WMG, LGBl. Nr. 38/2010 idF LGBl. Nr. 6/2011, hat Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, wer zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört (Z. 1), seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss (Z. 2), die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann (Z. 3), einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt (Z. 4).

Gemäß § 6 Abs. 1 WMG haben Hilfe suchende oder empfangende Personen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen (u.a.) zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen (Z. 1), an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen (Z. 2), Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist (Z. 4), und ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen (Z. 6).

Nach § 14 Abs. 1 erster Satz WMG sind Hilfe suchende oder empfangende Personen verpflichtet, zumutbare Beschäftigungen anzunehmen, sich nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen und von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen.

Nach § 15 Abs. 1 WMG ist - wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen nicht entsprechend mitwirkt - der im Rahmen der Bemessung auf sie entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts stufenweise bis zu 50 vH zu kürzen. Bei fortgesetzter beharrlicher Weigerung, die Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen, ist eine weitergehende Kürzung bis zu 100 vH zulässig.

Nach Art. 14 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl. I Nr. 96/2010, sollen Leistungen nach den Art. 10 bis 12 der Vereinbarung (betreffend Mindeststandards, Wohnbedarf und Zusatzleistungen) bei arbeitsfähigen Personen von der Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft abhängig gemacht werden, soweit sie aufgrund gesetzlicher Regelungen zur Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung berechtigt sind.

Nach Art. 14 Abs. 2 der Vereinbarung ist dabei "hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit sowie der Zumutbarkeit einer Beschäftigung grundsätzlich von denselben Kriterien wie bei der Notstandshilfe (bzw. bei Bezug von Arbeitslosengeld von den bei diesem vorgesehenen Kriterien) auszugehen".

In dieser Bestimmung wird nach den Erläuterungen zu der Vereinbarung "nunmehr ausdrücklich auf die für die betreffende Person in der Arbeitslosenversicherung geltenden Maßstäbe (vgl. § 9 AlVG) abgestellt", womit "ein weitest möglicher Gleichlauf mit der Arbeitslosenversicherung gewährleistet werden" soll (677 BlgNR XXIV. GP, S. 17; vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2013, Zlen. 2011/10/0210, 0211).

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 122/2011, ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Gemäß - dem mit "Kontrollmeldungen" überschriebenen - § 49 Abs. 1 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 122/2011, hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

Gemäß § 49 Abs. 2 erster Satz AlVG verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

2. Der Beschwerdeführerin wurde - was die Beschwerde nicht bestreitet - mit dem Einladungsschreiben zur Informationsveranstaltung "Job50+" am 16. Mai 2011 mitgeteilt, dass die Vorsprache zu Beginn der Veranstaltung als Kontrollmeldung iSd AlVG gelte; sie war allerdings bei der Veranstaltung nicht anwesend.

Aus den unter Punkt 1. angeführten Bestimmungen ergibt sich, dass es nach dem Mindestsicherungsrecht zulässig ist, eine zuerkannte Leistung aufgrund der mangelnden Kooperation des Hilfe Suchenden mit dem AMS bei der (Wieder-) Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu kürzen. Zu der in diesem Zusammenhang vom Hilfe Suchenden zu fordernden Kooperation gehört auch die Einhaltung von Kontrollterminen gemäß § 49 AlVG (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2013).

3. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen vor, sie habe am Termin am 16. Mai 2011 nicht teilgenommen, weil sie sich nach einer Verständigung eines potentiellen Dienstgebers vom 13. Mai 2011 bei diesem "zum ehestmöglichen Termin" vorstellen habe sollen; durch die Notwendigkeit, am 16. Mai 2011 sowohl um 8.00h als auch um 10.00h den Personalverantwortlichen des betreffenden Unternehmens anzurufen (dieser sei beim ersten Anruf nicht erreichbar gewesen), sei sie an der Teilnahme an der Veranstaltung gehindert gewesen.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor der belangten Behörde kam es aufgrund der Anrufe schließlich zu einem Vorstellungstermin am 18. Mai 2011. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführerin die Vereinbarung eines derartigen Termins nicht auch vor, während oder nach der Teilnahme an der - nach Ausweis der Verwaltungsakten - am 16. Mai 2011 um 8.30h beginnenden Informationsveranstaltung möglich gewesen wäre.

4. Da die Beschwerdeführerin, indem sie von der Veranstaltung am 16. Mai 2011 fernblieb, unstrittig einen Kontrolltermin gemäß § 49 AlVG versäumt hat, geht ihr weiteres Vorbringen, sie sei nicht verpflichtet, "sinnlose Maßnahmen", die weder zur ihrer Qualifizierung, ihrer Reintegration am Arbeitsmarkt noch zur Verbesserung ihrer persönlichen Situation beitragen könnten, zu besuchen, ins Leere: Derartige gegen die Zuweisung zu einer Schulungsmaßnahme vorgebrachte Gründe stellen keine triftigen Gründe für die Nichteinhaltung eines Kontrolltermins dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2007/08/0165).

5. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zu Recht eine Kürzung des Mindeststandards nach § 15 Abs. 1 WMG vorgenommen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. April 2013

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