Normen
AVG §64 Abs1;
AVG §64 Abs2;
MSG Wr 2010 §21 Abs1;
MSG Wr 2010 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §64 Abs1;
AVG §64 Abs2;
MSG Wr 2010 §21 Abs1;
MSG Wr 2010 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien hat mit Bescheid vom 3. Oktober 2011 den Beschwerdeführer verpflichtet, die im Zeitraum von 1. August 2011 bis 30. September 2011 zu Unrecht empfangenen Mindestsicherungsleistungen in der Höhe von EUR 388,-- in zehn monatlichen Teilbeträgen von EUR 38,80, beginnend ab 1. Oktober 2011, zurückzuzahlen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung der Berufung gegen Spruchpunkt I. "im öffentlichen Interesse" ausgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. April 2012 hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien der dagegen gerichteten Berufung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, am 19. August 2011 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für seine drei Kinder beantragt habe. Diese Unterhaltsvorschüsse seien mit Beschluss vom 25. August 2011 gewährt worden. Der Beschwerdeführer habe dies entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 1 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG, LGBl. Nr. 38/2010, nicht unverzüglich angezeigt. Nach dem Schreiben des Amtes für Jugend und Familie vom 29. August 2011 würden für die drei Kinder des Beschwerdeführers ab 1. August 2011 Unterhaltsvorschüsse gewährt.
Zu bemerken sei, dass der Antragsteller selber bis dato keine Meldung bezüglich der erhaltenen Unterhaltsvorschüsse erstattet habe. Seine Behauptung, die Beantragung von Unterhaltsvorschüssen durch das Amt für Jugend und Familie sei ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden, "widerspricht sich mit der Meldung vom 29.08.2011, da dies der Antragsteller ja auch nicht wissen konnte". Weiters werde der Beschwerdeführer in jedem Bescheid auf die Verpflichtung zur Meldung wesentlicher Änderungen hingewiesen.
Da Unterhaltsvorschüsse zum anrechenbaren Einkommen zählten, sei auf Grund der Gewährung dieser Vorschüsse im Zeitraum vom 1. August 2011 bis 30. September 2011 ein Überbezug an Mindestsicherungsleistungen in der Höhe von EUR 388,-- entstanden, welcher ab 1. Oktober 2011 in zehn monatlichen Raten von den laufenden Leistungen einbehalten werde.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
§ 21 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG, LGBl. Nr. 38/2010, hat folgenden Wortlaut:
"§ 21.
Anzeigepflicht und Rückforderungsanspruch
(1) Hilfe empfangende Personen haben jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände, insbesondere der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse sowie Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten oder sonstige, voraussichtlich länger als zwei Wochen dauernde Abwesenheiten vom Wohnort unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzuzeigen.
(2) Leistungen, die auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß Abs. 1 zu Unrecht empfangen wurden, sind mit Bescheid zurückzufordern. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu verfügen.
(3) Die Rückforderung kann in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist."
Voraussetzung für die Rückforderung gemäß § 21 Abs. 2 WMG ist somit, dass der Hilfeempfänger seiner Verpflichtung, für die Leistungsbemessung maßgebliche Änderungen unverzüglich zu melden, nicht nachgekommen ist und deshalb ("auf Grund der Verletzung der Anzeigepflicht") Leistungen zu Unrecht empfangen wurden.
Vorliegend handelt es sich bei der Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen für die Kinder des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 25. August 2011 um die für die Leistungsbemessung maßgebliche Änderung.
Der Beschwerdeführer hat dazu in der Berufung ausgeführt, dass die Beantragung von Unterhaltsvorschüssen durch das Amt für Jugend und Familie ohne sein Wissen erfolgt sei. Der Bewilligungsbeschluss sei sowohl ihm als auch dem Amt für Jugend und Familie am 29. August 2011 zugestellt worden. Da dieses Amt die Behörde erster Instanz mit Schreiben vom selben Tag über die Unterhaltsvorschussgewährung informiert habe, sei eine gesonderte Anzeige durch ihn nicht mehr erforderlich gewesen. Die Mindestsicherungsleistung für September 2011 sei ihm bereits vor dem 29. August 2011 überwiesen worden.
Sollte dieses Vorbringen den Tatsachen entsprechen, so hätte der Beschwerdeführer die gegenständliche Mindestsicherungsleistung nicht auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 21 Abs. 1 WMG zu Unrecht empfangen. Hätte er die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen noch am selben Tag, an dem er den entsprechenden gerichtlichen Beschluss erhalten hat - somit jedenfalls unverzüglich - angezeigt, so wäre die Mindestsicherung für August und September 2011 ebenso geleistet worden, weil die Überweisung bereits vor dem 29. August 2011 erfolgte. Darüber hinaus wäre die Anzeige - durch das Amt für Jugend und Familie - ohnehin am Tag der Beschlusszustellung an den Beschwerdeführer erfolgt. Bei einer unverzüglichen Anzeige durch den Beschwerdeführer selbst, hätte die Behörde somit von der Gewährung der Unterhaltsvorschüsse auch nicht früher Kenntnis erlangt. Es kann daher dahinstehen, ob die Anzeige durch das Amt für Jugend und Familie, das die Kinder des Beschwerdeführers im Unterhaltsvorschussverfahren vertritt, nicht ohnehin dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist.
Da sich die belangte Behörde mit dem dargestellten Berufungsvorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt hat, hat sie die Entscheidung über die Rückforderung von Mindestsicherungsleistungen mit einem Verfahrensmangel belastet.
Gemäß § 64 Abs. 1 AVG haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Gemäß dem Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Person oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist.
Die Behörde erster Instanz hat lediglich ausgesprochen, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung "im öffentlichen Interesse" erfolge, ohne dies näher zu begründen. Der diesen Ausspruch bestätigende angefochtene Bescheid enthält dazu keine Ausführungen. Für den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht erkennbar, auf Grund welcher Umstände die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen ist, der sofortige Beginn der Rückzahlung in zehn Raten zu EUR 38,80 aus dem laufenden Mindestsicherungsbezug sei aus Gründen des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug dringend geboten, zumal dies nicht offensichtlich ist.
Aus all diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. Februar 2013
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