VwGH 2012/08/0299

VwGH2012/08/029914.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, in der Beschwerdesache der W S in S, vertreten durch Dr. Charlotte Lindenberger, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Grünmarkt 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. November 2012, Zl. Ges-180815/3-2012- Sax/Ws, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in einer Angelegenheit der Pensionsversicherung nach dem ASVG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit der vorliegenden Beschwerde wird eine Erledigung des Landeshauptmannes von Oberösterreich bekämpft, die unter dem Betreff "Einspruch gegen Bescheid der PVA vom 1.6.2012, Antrag auf Wiedereinsetzung, Benachrichtigung über Rücksendung des Aktes an die PVA zur Entscheidung" folgenden Wortlaut hat:

"Sehr geehrte Frau S!

Wir teilen Ihnen mit, dass wir Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung vom 20.7.2012 der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Oö, zur Entscheidung rückübermittelt haben.

Ihr Einspruch vom 20.7.2012 gegen den Bescheid der PVA vom 1. Juni 2012, mit dem der Antrag auf Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zurückgewiesen wurde, wurde außerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat eingebracht. Der beeinspruchte Bescheid der PVA vom 1.6.2012 enthielt eine falsche Rechtsmittelbelehrung (Klagemöglichkeit). Richtig ist, dass es sich bei der Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation an sich um eine Leistungssache handelt. Im Sinne der Entscheidung des VwGH vom 21.12.1993, Zl. 92/08/0200, liegt jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der Art der Entscheidung (Zurückweisung) eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG vor. Ihr Einspruch gegen diesen Bescheid der PVA war daher gemäß § 412 Abs. 1 ASVG zulässig.

Zur bescheidmäßigen Zurückweisung der PVA vom 1.6.2012 darf angemerkt werden, dass aufgrund des § 367 ASVG meritorisch über den Antrag abzusprechen gewesen wäre.

Ihr Hauptbegehren in Ihrem Rechtsmittel vom 20. Juli 2012 ist darauf gerichtet, den beeinspruchten Bescheid der PVA ersatzlos zu beheben. Unter Zitierung des Erkenntnisses des VwGH 2003/12/0057, vertreten Sie die Ansicht, dass die Frist für die Wiedereinsetzung noch gar nicht begonnen habe und umgekehrt zu erschließen sei, dass die Einspruchsfrist noch offen sei.

Das Erkenntnis des VwGH vom 19.9.2003, 2003/12/0057, kann jedoch auf den vorliegenden Fall nicht in dieser Weise umgelegt werden. In diesem vom VwGH behandelten Fall hat der Rechtsmittelwerber im Vertrauen auf die falsche Rechtsmittelbelehrung Klage an das Gericht erhoben. Gerade in einem solchen Fall hat der VwGH ausgesprochen, dass im Hinblick auf den Lauf der Frist der Antragstellung auf Wiedereinsetzung von einer gesicherten Kenntnis der Berufung erst mit Zurückweisung der unzulässigen Beschwerde durch den (dort:) VfGH auszugehen ist.

Im vorliegenden Fall liegt aber rechtlich ein ganz anders gelagerter Fall vor. Hier wurde gleich Einspruch, jedoch außerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist (§ 412 ASVG), eingebracht und nicht Klage erhoben. Aus den Erwägungen des VwGH im Erkenntnis 2003/12/0057, das rechtlich eine andere Ausgangssituation hat, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Einspruchsfrist noch offen sei, da die Frist für die Wiedereinsetzung noch gar nicht zu laufen begonnen habe. Ihr Hauptmehrbegehren erweist sich somit als unbegründet, weshalb der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist zulässig ist.

Daher haben wir vorerst der Pensionsversicherungsanstalt den Antrag auf Wiedereinsetzung zur Entscheidung rückübermittelt.

Mit freundlichen Grüßen"

Es folgen die Fertigungsklausel "Für den Landeshauptmann:" mit der Beifügung "Im Auftrag" sowie der Name der Genehmigenden.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob eine behördliche Enunziation einen Bescheid darstellt, auf die objektiven Merkmale eines Bescheides an. Das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung einer behördlichen Erledigung als Bescheid allein schließt noch nicht das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Abspruches mit Bescheidcharakter aus. An eine nicht als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung muss aber hinsichtlich ihrer Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden. Die Annahme des Bescheidcharakters einer solchen Erledigung erfordert, dass nach ihrem Inhalt der normative Charakter und die Absicht der Behörde, in der Sache verbindlich abzusprechen, eindeutig und für jedermann erkennbar sind. Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, liegt kein Bescheid vor. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 2000/08/0158, mwN).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann dem gegenständlichen, im Namen des Landeshauptmannes gefertigten Schreiben ein objektiv und zweifelsfrei erkennbarer Wille, gegenüber der Beschwerdeführerin eine normative Regelung zu treffen, nicht entnommen werden. Vielmehr handelt es sich nach Inhalt und Form des Schreibens bloß um die informative Mitteilung, dass der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin an die Pensionsversicherungsanstalt rückübermittelt worden sei. Die Ausführungen, wonach das Hauptbegehren der Beschwerdeführerin auf ersatzlose Behebung des beeinspruchten Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt vom 1. Juni 2012 "unbegründet" sei, stellen bloß eine unverbindliche Bekanntgabe der behördlichen Rechtsmeinung dar; dass damit über den Antrag normativ abgesprochen werden sollte, lässt sich dem bekämpften Schreiben nicht entnehmen.

Es liegt daher schon deswegen kein Bescheid vor, weil es an einem - zweifelsfrei erkennbaren - normativen Abspruch fehlt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 14. Jänner 2013

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