Normen
ASVG §113 Abs1 Z1;
ASVG §113 Abs1 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 27. Dezember 2010 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.800,-- vorgeschrieben.
Begründend führte die Gebietskrankenkasse im Wesentlichen aus, im Rahmen der am 28. Juli 2010 erfolgten Betretung durch Organe des Finanzamtes auf der Baustelle in L sei festgestellt worden, dass für zwei im Bescheid näher genannte Personen (AH und MR) die Anmeldungen nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien.
Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Einspruch. Sie machte geltend, die beiden Personen seien zu keinem Zeitpunkt bei ihr beschäftigt gewesen; sie seien vielmehr für den Bauherrn tätig gewesen.
Die belangte Behörde führte - im Wege der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse - ergänzende Erhebungen durch. Mit Verfügung vom 23. September 2011 übermittelte die belangte Behörde die Ergebnisse dieser ergänzenden Erhebungen der beschwerdeführende Partei und räumte die Möglichkeit ein, zu diesen Beweisergebnissen bis einschließlich 17. Oktober 2011 Stellung zu nehmen.
Die beschwerdeführende Partei ersuchte mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2011 um Erstreckung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 31. Oktober 2011. Mit weiterem Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 ersuchte die beschwerdeführende Partei um Erstreckung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 14. November 2011. Eine Stellungnahme langte bei der belangten Behörde nicht ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde - nach Darlegung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, betreffend die beschwerdeführende Partei bestünden weitere Beitragszuschlagsverfahren (vgl. hiezu auch die Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 2010/08/0248 und 2011/08/0365).
Die G Liegenschaftsverwertungs GmbH errichte sowohl in K als auch in S Passivhaussiedlungen. Wesentlicher Auftragnehmer der G Liegenschaftsverwertungs GmbH sei die beschwerdeführende Partei, wobei die Projekte jeweils von G als Bauleiter für die beschwerdeführende Partei betreut würden.
Auf der Baustelle habe die beschwerdeführende Partei jeweils einen Vorarbeiter bzw. Polier; in K sei dies J gewesen, welcher offenbar auch beim Einfamilienhaus von W in L als solcher tätig gewesen sei. Vorarbeiter bzw. Polier sowie auch G als Bauleiter kontrollierten die Arbeiter, teilten die Arbeiten ein und erteilten Weisungen. Es sei jeweils die Arbeitszeit einzuhalten gewesen, beim Einfamilienhaus der Familie W habe die Arbeitszeit Montag bis Donnerstag 8 Uhr bis 17 Uhr umfasst.
Der Arbeitsort sei den Arbeitern von der beschwerdeführenden Partei vorgegeben gewesen. Bei AH und MR sei seit 12. Jänner 2010 eine durchgehende Beschäftigung gegeben gewesen, wobei sie zuerst in K tätig gewesen seien und dort am 3. Februar 2010 betreten worden seien (vgl. dazu das hg. Erkenntnis Zl. 2010/08/0248), sodann in L beim Passivhausprojekt der Familie W, wo sie am 28. Juli 2010 betreten worden seien. Ebenso sei ihnen der Arbeitsplatz vorgegeben worden, also jene Stelle auf der Baustelle, an welcher die Arbeiter jeweils zu arbeiten hätten.
Welche Arbeiten jeweils zu erbringen gewesen seien, sei vom Vorarbeiter oder Bauleiter der beschwerdeführenden Partei vorgegeben worden, wobei es sich hauptsächlich um Hilfstätigkeiten gehandelt habe, beim Haus der Familie W um "Streicharbeiten und anderes".
Als Grundlage der Tätigkeit werde jeweils ein Werkvertrag angegeben; beim Einfamilienhausprojekt der Familie W, dem ein Werkvertrag zwischen der Familie W und der beschwerdeführenden Partei zugrunde liege, werde ein Werkvertrag zwischen AH und MR einerseits und den Ehegatten W behauptet.
Bei der Kontrolle am 28. Juli 2010 in L auf der Baustelle des Einfamilienhauses der Familie W hätten AH und MR angegeben, für die beschwerdeführende Partei tätig zu sein; ihr "Chef" sei G. Als Bezahlung sei ein Betrag von EUR 9,-- pro Quadratmeter angegeben worden.
J sei ebenfalls auf dieser Baustelle tätig gewesen, wobei er eindeutig nur für die beschwerdeführende Partei gearbeitet habe; er sei auch als Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei zur Sozialversicherung gemeldet. Die beschwerdeführende Partei habe auch die Aufträge an die Arbeiter erteilt und habe die Arbeiten als Teil des von der Familie W beauftragten Passivhauses mit dieser abgerechnet. An AH und MR habe das Ehepaar W nichts bezahlt.
Die Arbeiter hätten über geringwertiges Kleinwerkzeug verfügt. Spezialmaschinen sowie das gesamte Material seien von der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung gestellt worden.
AH und MR seien immer als Arbeitspartie tätig gewesen. Daraus habe resultiert, dass sie sich bestenfalls gegenseitig hätten vertreten können. Schon aufgrund des bescheidenen Stundenlohnes hätten sich die Dienstnehmer keine von ihnen zu bezahlende Gehilfen leisten können.
Keiner der Dienstnehmer verfüge über eine eigene betriebliche Struktur oder sei im Stande, eigene Werbemaßnahmen zur Kundengewinnung durchzuführen. Keiner von ihnen könne auch nur eine Rechnung ausstellen geschweige denn ein Anbot legen. MR und AH würden nicht wissen, wer ihre Rechnung im Falle der Baustelle des Einfamilienhauses der Familie W ausgestellt habe; AH vermute, dass die Rechnung von G geschrieben worden sei.
Bei allen Dienstnehmern sei Voraussetzung für die Beschäftigung gewesen, dass sie eine mehr oder weniger passende Gewerbeberechtigung aufwiesen.
Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde auf die - im Rahmen der Feststellungen näher angeführten - Niederschriften der vernommenen Personen sowie auf die vorgelegten Urkunden. Die Angaben des G bei der ersten Kontrolle am 3. Februar 2010 kämen der Wahrheit am nächsten. Aus den Erfahrungen des ersten Verfahrens würden sodann die zurückhaltenderen Äußerungen bei weiteren Verfahren resultieren. Beim Bauvorhaben der Familie W scheine zunächst allgemeine Verwirrung geherrscht zu haben, was auf widersprüchliche Äußerungen der beschwerdeführenden Partei bzw. des G zurückzuführen sein dürfte. Auch der Hauseigentümer W habe mehrere Versionen der Ereignisse von sich gegeben. Tatsächlich seien AH und MR schon seit Jänner 2010 in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis zur beschwerdeführenden Partei gestanden, ohne allerdings zur Sozialversicherung angemeldet zu sein. AH und MR seien auch nur von der beschwerdeführenden Partei bezahlt worden. Den Rechnungen von AH und MR an die Hauseigentümer (Familie W) komme keine Glaubwürdigkeit zu, da diese Rechnungen im Schriftbild genau gleich und nicht unterschrieben seien. Die Angabe des AH, er habe für die Streicharbeiten am Dachstuhl einen Betrag von EUR 1.200,-- von W erhalten, sei besonders unglaubwürdig, weil diese Arbeiten nur 20 Minuten gedauert hätten.
Zusammengefasst ergebe sich eine Beschäftigung von AH und MR durch die beschwerdeführende Partei auch am 28. Juli 2010 bei den Arbeiten am Einfamilienhaus der Familie W. Das für echte Selbständige atypische Vorgehen, gleichzeitig wortidente Gewerbeberechtigungen bei der gleichen Gewerbebehörde zu beantragen und fortan nur als Team für einen Auftraggeber tätig zu werden, spreche auch massiv gegen eine angeblich selbständige Tätigkeit.
AH und MR seien von der beschwerdeführenden Partei fortlaufend eingesetzt worden; ihnen seien auch jeweils die einzelnen Arbeitsabläufe angeordnet worden. Es seien einfache manuelle Streichtätigkeiten (sowie Verspachtelungsarbeiten und die Montage von Gipskartonplatten) erbracht worden; es lägen keine Merkmale eines Werkvertrages vor. Bei den am 28. Juli 2010 erbrachten Arbeiten handle es sich nur um die Erbringung einzelner manueller Beiträge zu einem Werk. Eine Abgrenzung einzelner Werke sei auch nicht möglich, weil zwei angeblich Selbständige als Team ein und dieselben Arbeiten erbracht hätten, die voneinander nicht abgegrenzt seien.
Es habe persönliche Dienstpflicht bestanden; AH und MR hätten sich bei ihren Tätigkeiten nur gegenseitig vertreten lassen können. Sie seien weisungsunterworfen gewesen (betreffend Arbeitsort, Arbeitsplatz, Arbeitszeit und in Bezug auf das arbeitsbezogene Verhalten, etwa welche Arbeiten zuerst zu erledigen seien). Sie seien auch der Kontrolle durch Polier bzw. Vorarbeiter, aber auch durch den Baustellenleiter G unterlegen. Eine disziplinäre Verantwortlichkeit sei zwar nicht vorgelegen, doch sei die leichte Lösbarkeit des Vertragsverhältnisses eine Konstruktion gleicher Wirkung gewesen, da AH und MR keine anderen Auftraggeber gehabt hätten. AH und MR seien teilweise mit eigenen (eher geringwertigen) und teilweise mit fremden Betriebsmitteln tätig gewesen. Sie seien in die Betriebsorganisation der beschwerdeführenden Partei eingebunden gewesen.
Insgesamt würden die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit gegenüber jenen der selbständigen Tätigkeit klar überwiegen; AH und MR seien sohin als Dienstnehmer anzusehen.
Da die beschwerdeführende Partei keine Anmeldung vor Arbeitsantritt der beiden Dienstnehmer erstattet habe, habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu Recht einen Beitragszuschlag verhängt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, es liege kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. MR und AH seien im Rahmen dieses Bauvorhabens ausschließlich für das Ehepaar
W als Bauherrn und Eigentümer des Einfamilienhauses tätig gewesen. Die beschwerdeführende Partei sei daher nicht als Dienstgeber anzusehen. Das Ehepaar W habe mit der beschwerdeführenden Partei einen Vertrag über die Errichtung eines Hauses abgeschlossen; manche Arbeiten seien aber ausgenommen worden, insbesondere die Trockenbauarbeiten des Innenausbaus. Die gegenständlichen Streich- und auch Trockenarbeiten seien daher vom Vertrag mit der beschwerdeführenden Partei ausgenommen gewesen. Die Stellungnahmen des W im Verfahren seien widersprüchlich. Aus den Aussagen von AH und MR sei abzuleiten, dass diese Arbeiten von der Familie W beauftragt worden seien. Der Sachverhalt sei auch ergänzungsbedürftig. Entgegen der Darstellung der belangten Behörde habe die beschwerdeführende Partei mit 28. November 2011 eine Stellungnahme abgegeben. Hätte die belangte Behörde diese Stellungnahme berücksichtigt und die beantragten Beweise aufgenommen, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass MR und AH am 28. Juli 2010 nicht für die beschwerdeführende Partei tätig gewesen seien bzw. diese weder zu diesem noch zu einem anderen Zeitpunkt im Rahmen dieses Bauvorhabens in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt für die beschwerdeführende Partei tätig gewesen seien. Die belangte Behörde habe insbesondere weder G noch den befugten Vertreter der beschwerdeführenden Partei einvernommen. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, den Verfahrensstand betreffend die Verfahren gegen das Ehepaar W und J ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Indem die belangte Behörde die Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei nicht berücksichtigt habe, habe sie auch das Parteiengehör verletzt. Die Feststellung, dass AH und MR seit 12. Jänner 2010 durchgehend für die beschwerdeführende Partei tätig gewesen seien, stehe im Widerspruch zu den Feststellungen des Finanzamtes und der Verwaltungsstrafbehörden; es sei davon auszugehen, dass diese Feststellung aktenwidrig sei. Schließlich liege auch ein Begründungsmangel vor.
2. Gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG kann ein Beitragszuschlag vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 500,-- je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 800,--. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,-- herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
2. § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG sieht sohin die Vorschreibung eines Beitragszuschlages in dem Fall vor, dass die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Nach den Feststellungen der belangten Behörde waren MR und AH für die beschwerdeführende Partei durchgehend seit 12. Jänner 2010 tätig. In der Beschwerde wird diese Sachverhaltsannahme der belangten Behörde zwar bestritten, es wird aber nicht geltend gemacht, dass die Tätigkeit von MR und AH für die beschwerdeführende Partei in diesem Zeitraum beendet (und sodann wieder aufgenommen) worden wäre. Im Hinblick auf die Unterlassung der Anmeldung dieser beiden Personen zur Pflichtversicherung vor Arbeitsantritt (also vor dem 12. Jänner 2010) war der beschwerdeführenden Partei aber bereits anlässlich der - auch im angefochtenen Bescheid angeführten - Betretung vom 3. Februar 2010 in K ein Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG vorgeschrieben worden.
Bereits aufgrund jener Betretung und der dazu getätigten Erhebungen war von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die Pflichtversicherung dieser beiden Personen, welche von einer Anmeldung unabhängig ist, zu berücksichtigen. Im Streitfall waren - über Antrag der beschwerdeführenden Partei - Bescheide betreffend die Pflichtversicherung oder über die Beitragspflicht zu erlassen. Eine weitere Betretung der gleichen Personen - wenn auch an einer anderen Baustelle - während des weiterhin aufrechten Beschäftigungsverhältnisses und damit der unveränderten Pflichtversicherung rechtfertigt aber nicht eine neuerliche Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG.
3. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 10. April 2013
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