Normen
AVG §66 Abs4;
BauG Vlbg 2001 §38 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §39 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §42 Abs4;
AVG §66 Abs4;
BauG Vlbg 2001 §38 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §39 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §42 Abs4;
Spruch:
Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen ausgehend von der Rechtsanschauung zu erlassen, dass eine wirksam erhobene Berufung des Beschwerdeführers vorliegt.
Die Gemeinde Raggal hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Raggal vom 29. März 2010, Zl. BV/RA/148/09, wurde gegenüber dem Beschwerdeführer wie folgt abgesprochen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Gemäß § 39 Abs 1 iVm § 38 Abs 1 lit a Baugesetz, LGBl Nr. 52/2001 idgF., wird gegenüber Herrn S, …, die Einstellung der Bauarbeiten am Projekt des Flugdaches auf GST-NR 1500/1 und 1831 GB R verfügt."
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 18. April 2010 bzw. mit Fax vom 19. April 2010 ein im Betreff mit "Berufung zum Bescheid Zahl BV/RA/148/09" bezeichnetes Schreiben, welches folgendermaßen endet (Anonymisierung und Anmerkungen in Klammer durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Mit freundlichen Grüßen
1. Holzforum im W-Tal
Familie S (Familienname des Beschwerdeführers) G (Ortsbezeichnung)"
Als Absender des Fax scheint der Beschwerdeführer und dessen Faxnummer auf, das Fax ist mit dem handschriftlichen Namenszug "W S" (vollständiger Name des Beschwerdeführers) unterfertigt.
2. Mit der am 20. Dezember 2012 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde vom 13. Dezember 2012 machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde in Bezug auf seine Berufung vom 18. April 2012 geltend. Er brachte vor, dass die belangte Behörde keinen Bescheid erlassen habe, und beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG Folge geben.
3. Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 6. Februar 2013 das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an die beschwerdeführende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
4. Die belangte Behörde holte den versäumten Bescheid nicht nach und brachte in ihrer Gegenschrift im Wesentlichen vor, es sei bei ihr per Fax vom 18. April 2010 eine nicht unterfertigte Eingabe eingelangt. Als Einschreiter scheine auf: "1. Holzforum im W-Tal, Familie S G". Eine Zustelladresse und einen begründeten Berufungsantrag enthalte diese Eingabe nicht. Der Bescheid über die Einstellung der Bauarbeiten sei dem Beschwerdeführer als Bauführer rechtswirksam zugestellt worden. Eine Berufung des Beschwerdeführers liege nicht vor, sodass er auch nicht zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht und zur Einbringung einer Säumnisbeschwerde legitimiert sei. Partei des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens könne mangels diesbezüglicher Sonderbestimmungen im Baugesetz nur eine Person sein, die Rechtspersönlichkeit genieße. Das "1. Holzforum im W-Tal Familie S G" sei, weil es sich hiebei weder um eine in Form eines Vereines oder eines sonstigen rechtsfähigen Gebildes organisierte Einrichtung handle, weder eine physische noch eine juristische Person und daher mangels Rechtspersönlichkeit auch nicht fähig, gegen den erwähnten Bescheid ein Rechtsmittel zu erheben. Einer nicht näher konkretisierten Mehrheit von Eigentümern oder einer nicht näher bezeichneten Personenmehrheit, wie z.B. Familie S G, komme weder nach dem Baugesetz noch nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes Rechtsfähigkeit und damit Parteifähigkeit zu (Hinweis auf die hg. Beschlüsse vom 19. Mai 1994, Zl. 93/07/0170, sowie vom 24. September 1992, Zl. 92/06/0175).
Eine fehlende Rechtsfähigkeit und damit auch fehlende Prozessfähigkeit könne auch nicht durch einen Mängelbehebungsauftrag im Sinne des § 13 AVG beseitigt werden (Hinweis auf das hg, Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 90/04/0223).
Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten wie etwa einer Berufung sei es unzulässig, dem Begehren einer Partei eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden könne (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 90/04/0223).
Nach dem eindeutigen Wortlaut der erwähnten Eingabe vom 18. April 2010 handle es sich damit nicht um eine Berufung des Beschwerdeführers.
5. In seiner Äußerung vom 2. Mai 2013 brachte der Beschwerdeführer vor, bei der Eingabe vom 18. April 2010 handle es sich sehr wohl um eine Berufung. Bei Vorliegen von Zweifeln an der Qualität einer Berufung wäre hinsichtlich allfälliger Formgebrechen umgehend ein Verbesserungsverfahren durchzuführen gewesen. Der Beschwerdeführer wäre gegebenenfalls von der belangten Behörde aufzufordern gewesen, binnen angemessener Frist konkret zu bezeichnende Formgebrechen zu beheben.
6. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift ist der in den vorgelegten Akten erliegenden Berufung zweifelsfrei zu entnehmen, dass diese vom Beschwerdeführer erhoben wurde, ist doch auf jener Ausfertigung, die am 19. April 2010 per Fax einlangte (diese ist inhaltsgleich mit jener Ausfertigung die per E-Mail am 18. April einlangte) der Beschwerdeführer als Absender ersichtlich. Ebenso befindet sich die Faxnummer des Beschwerdeführers auf der Ausfertigung und seine Unterschrift.
Da somit die für die Verletzung der Entscheidungspflicht maßgebende Rechtsfrage geklärt ist, wird der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, die versäumte Entscheidung unter Zugrundelegung der im Spruch zusammengefassten Rechtsanschauung zu erlassen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 VwGG, iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ausschlussgründe im Sinne des § 55 Abs. 2 VwGG wurden nicht dargetan.
Wien, am 3. Oktober 2013
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