VwGH 2011/06/0002

VwGH2011/06/00023.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones sowie den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des H M in U, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 11, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. August 2010, Zl. Ve1-8-1/449-18, betreffend Untersagung der Benützung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde U), zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Jänner 2010 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 4 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) die weitere Benützung des Gebäudes auf der Liegenschaft Z. 2, Grundstück Nr. 1368, KG U, untersagt.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. März 2010 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, durch den hochbautechnischen Sachverständigen sei mit Gutachten vom 15. Oktober 2007 festgestellt worden, dass das Gebäude abweichend von der Baubewilligung errichtet worden sei. Im Einzelnen sei Folgendes festgestellt worden:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, die Abweichung von der Baubewilligung resultiere aus der Notwendigkeit, die Fundamente des gegenständlichen Gebäudes auf Grund des vorhandenen Grundwassers höher zu setzen, welcher Umstand bei der Einreichung der Baupläne nicht bekannt gewesen sei, sondern erst im Zuge der Ausführung der Bauarbeiten hervorgekommen sei. Hinsichtlich der Angabe "Längenmaß Höhe über 00 - 125,50 m" liege eine Aktenwidrigkeit bzw. ein Übertragungsfehler vor, zumal es richtig heißen müsse "12,50 m" bzw. "1,250 m". Aus der Darstellung im angefochtenen Bescheid würde sich ein absolutes Längenmaß von 113 m ergeben. Dieser Umstand hätte der belangten Behörde sofort auffallen müssen. Der angefochtene Bescheid beruhe daher auf Grundlagen, die eine Beurteilung des Sachverhaltes im Sinne der Entscheidung der belangten Behörde nicht zuließen. Bei den Abweichungen in der Ausführung des Bauvorhabens handle es sich bestenfalls um geringfügige bzw. aus baustatischen Gründen notwendige Abweichungen, die keinesfalls ein aliud bewirkten. Daher sei das Bauvorhaben weiterhin als vom Baubewilligungsbescheid gedeckt anzusehen. Die belangte Behörde habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, weshalb es zu den Abweichungen gegenüber dem Sollbestand laut Baubescheid um 1,48 m gekommen sei, und sie sei leichtfertig vom Akteninhalt abgegangen, da sie die Feststellungen des ausgeführten Längenmaßes von "125,50 m" unrichtig getroffen habe. Die belangte Behörde habe auch das Parteiengehör völlig vernachlässigt. Unter aktenwidriger Annahme der Sach- und Rechtslage habe sie die weitere Benützung rechtswidrig untersagt.

Gemäß § 37 Abs. 4 lit. a TBO 2001 hat die Behörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung höher zu liegen kommt. Dem festgestellten Ausmaß von 1,48 m tritt er nicht entgegen. Aber auch bei einem geänderten Längenmaß von 1,25 m, das der Beschwerdeführer im Übrigen selbst einräumt, ist davon auszugehen, dass ein aliud errichtet worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 2010, Zl. 2008/06/0075, und Zl. 2008/06/0221). Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass für das vorhandene Bauwerk keine Baubewilligung vorliegt.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel legt er angesichts des auch von ihm nicht bestrittenen, in obigem Sinne ausschlaggebenden Sachverhaltes deren Relevanz nicht dar.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 3. Oktober 2013

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