VwGH 2011/01/0146

VwGH2011/01/014619.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der Mag. B, vertreten durch Mag. Birgit Hermann-Kraft, Dr. Thomas Kraft und Dr. Manfred Dallago, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Oberer Stadtplatz 5a, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Tiroler Rechtanwaltskammer vom 2. Dezember 2010, Zl. Vs 07-0898, betreffend Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13;
RAO 1868 §16 Abs3;
RAO 1868 §16 Abs4 idF 2007/I/111;
VwRallg;
AVG §13;
RAO 1868 §16 Abs3;
RAO 1868 §16 Abs4 idF 2007/I/111;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Tiroler Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin in Tirol. Sie wurde mit Bescheid der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 30. Oktober 2007 zur Verfahrenshelferin in einer Strafsache vor dem Schöffengericht bestellt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 2009 wurde die der Beschwerdeführerin zustehende Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO für die in dieser Strafsache erbrachten anwaltlichen Leistungen im Kalenderjahr 2008 mit einem Betrag von EUR 19.911,24 (inkl. EUR 3.318,54 USt) bestimmt und das Mehrbegehren in Höhe von EUR 45.382,28 abgewiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, Zl. 2009/06/0263, wurde der abweisliche Teil dieses Bescheides hinsichtlich eines Betrages von EUR 28.891,20 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Begründend wurde in diesem Erkenntnis u.a. ausgeführt:

"…Die Anrechnungsregel im § 16 Abs. 4 zweiter Satz RAO 'ist ... gleichzuhalten' bedeutet nichts anderes als eine entsprechende Berücksichtigung bei der Ermittlung der Zahl der Verhandlungstage bzw. -stunden, an denen der Verfahrenshelfer quasi "unentgeltlich" tätig sein muss. Dies bedeutet im Beschwerdefall, dass sämtliche, also auch die zwischen dem 21. November 2007 und dem 25. Februar 2008 erbrachten Leistungen zu honorieren sind, weil durch die nach § 16 Abs. 4 zweiter Satz anrechenbaren 90 Verhandlungsstunden der im ersten Satz dieser Bestimmung formulierte Schwellenwert bereits überschritten wurde.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Honoraranspruch für diesen Zeitraum in der Beschwerde dargestellt; sie behauptet, dass sie dies bereits am 27. Februar 2008 getan habe, was den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann. Jedenfalls in der Vorstellung hat die Beschwerdeführerin in Ausführung dieses Eventualbegehrens eine diesbezügliche Aufschlüsselung vorgenommen, worauf die belangte Behörde, ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung, nicht eingegangen ist.

Somit belastete die belangte Behörde dadurch, dass sie § 16 Abs. 4 2. Satz RAO gänzlich unangewendet ließ, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes …"

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die der Beschwerdeführerin gemäß § 16 Abs. 4 RAO zustehende Vergütung für die im erwähnten Strafverfahren erbrachten anwaltlichen Leistungen im Kalenderjahr 2008 mit EUR 36.467,64 (darin enthalten: EUR 6.077,94 USt) bestimmt und das Mehrbegehren von EUR 12.334,80 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 27. Februar 2008 der Tiroler Rechtsanwaltskammer mitgeteilt, sie habe zwischen 21. Jänner und 25. Februar 2008 den 10. Verhandlungstag im genannten Strafverfahren verrichtet; es sei noch mit voraussichtlich acht weiteren Verhandlungstagen zu rechnen, weshalb die Gewährung eines Kostenvorschusses auf die Sonderpauschalvergütung in Höhe von EUR 3.000,-- beantragt werde. Diesem Antrag auf Leistung eines Kostenvorschusses sei als "Beilage I" ein Kostenverzeichnis der ersten zehn Verhandlungstage im Jahr 2008 samt der dabei entstandenen tarifmäßigen Kosten in Höhe von brutto EUR 33.408,00 beigeschlossen gewesen; weiters als "Beilage II" ein Kostenverzeichnis, worin für die ersten zehn Verhandlungstage keine Kosten verzeichnet, sondern lediglich die Kosten des elften und zwölften Verhandlungstages in Höhe von brutto EUR 2.426,40 angesprochen worden seien.

Mit Schreiben vom 25. März 2008 habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass am 12. März 2008 das erstinstanzliche Urteil ergangen sei, weshalb beantragt werde, die Leistungen, die nach dem zehnten Verhandlungstag erbracht worden seien, gemäß § 16 RAO zu vergüten; in eventu werde nochmals die Gewährung eines Kostenvorschusses in Höhe von EUR 3.000,-- beantragt. Dem Antrag sei ein Kostenverzeichnis beigelegt worden, wobei für die ersten zehn Tage keine Kosten verzeichnet worden seien und für die Verhandlungen vom 26. Februar 2008 bis 12. März 2008 Kosten in Höhe von brutto EUR 26.220,96 geltend gemacht worden seien.

Mit Schreiben vom 16. April 2008 habe die Beschwerdeführerin Hauptverhandlungsprotokolle vorgelegt; sie habe ihren Antrag vom 25. März 2008 wiederholt und habe korrigierte Kostenverzeichnisse vorgelegt, nämlich "Kostenverzeichnis I" vom 16. April 2008 für die erbrachten Leistungen vom 21. November 2007 bis zum 25. Februar 2008 (= die ersten zehn Verhandlungstage) mit einem Betrag von EUR 38.522,40, sowie das "Kostenverzeichnis II" vom 16. April 2008, worin für die ersten zehn Verhandlungstage bis zum 25. Februar 2008 keine Kosten angesprochen und für die Verhandlungen vom 26. Februar 2008 bis zum 12. März 2008 Kosten in Höhe von EUR 24.946,56 verzeichnet worden seien.

Am 2. Juli 2008 habe die Beschwerdeführerin aufgrund des Erhalts der Hauptverhandlungsprotokolle vom 10., 11. und 12. März 2008 ein nochmals korrigiertes "Kostenverzeichnis II" für die Verhandlungen vom 26. Februar 2008 bis 12. März 2008 in Höhe von brutto EUR 25.466,88 übermittelt.

Mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer, Abteilung 1, vom 11. September 2008 sei der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 27. Februar 2008 auf Grundlage des Kostenverzeichnisses vom 2. Juli 2008 ein Kostenvorschuss von brutto EUR 3.600,-- gewährt worden.

Am 9. Jänner 2009 habe die Beschwerdeführerin ihre im Jahr 2008 erbrachten Leistungen bekannt gegeben und unter Verweis auf ein Kostenverzeichnis vom 8. Jänner 2009 die Abrechnung der Kosten gemäß § 16 Abs. 4 RAO beantragt. Mit Schreiben vom 13. Jänner 2009 habe die Beschwerdeführerin das Kostenverzeichnis mit Datum 8. Jänner 2009 zurückgezogen und mitgeteilt, dass die Rechtsmittelfrist im erwähnten Strafverfahren um neun Wochen verlängert worden sei, was aufgrund der Bestimmung des § 16 Abs. 4 zweiter Satz RAO entlohnungsmäßig zu berücksichtigen sei. In diesem (Anm.: neuen) Kostenverzeichnis habe die Beschwerdeführerin für die Verfassung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung die tarifmäßigen Kosten für 90 Verhandlungsstunden zuzüglich 50 % Einheitssatz (ES) und 20 % USt, nach Abzug eines Abschlages von 25%, eine Summe von EUR 46.564,88 begehrt. Für die verrichteten ersten zehn Verhandlungstage im Zeitraum 22. November 2007 bis 25. Februar 2008 seien keine Kosten angesprochen worden.

In ihrer Vorstellung vom 12. August 2009 gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer, Abteilung 1, vom 21. Juli 2009 habe die Beschwerdeführerin beantragt, ihr für die Verfassung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung anstelle der hierfür begehrten 90 Verhandlungsstunden (zuzüglich 50 % Einheitssatz und 20 % USt) in eventu die Kosten für die Vorbesprechung am 21. November 2007 und die verrichteten ersten zehn Verhandlungstage zuzusprechen, sohin insgesamt EUR 28.891,20.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde - unter Bezugnahme auf das eingangs zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 2010 - dass auch die Verhandlungsstunden, die verrichtet worden seien, um überhaupt den Schwellenwert des § 16 Abs. 4 RAO zu erreichen, zu vergüten seien, sofern diese Vergütung rechtzeitig beantragt worden sei.

Nach den oberwähnten Feststellungen habe die Beschwerdeführerin allerdings erst in der Vorstellung vom 12. August 2009 Kostenersatz für die ersten zehn Verhandlungstage für den Zeitraum 21. Jänner 2008 bis 25. Februar 2008 (eventualiter anstelle der fiktiven 90 Verhandlungsstunden) angesprochen. Gemäß § 16 Abs. 4 RAO sei der Antrag auf Sonderpauschalvergütung vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistung erbracht habe, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen.

Die Beschwerdeführerin habe sohin verspätet, nämlich erstmals in ihrer Vorstellung vom 12. August 2009 eine Pauschalkostenvergütung hinsichtlich der ersten zehn Verhandlungstage beantragt.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringe, dass sie bereits am 27. Februar 2008 die Vergütung dieser Leistungen durch Übermittlung eines Kostenverzeichnisses " Beilage I" angesprochen habe, habe dieses Kostenverzeichnisses nach Auffassung der belangten Behörde nur dazu gedient, die von ihr erbrachten Leistungen für die ersten zehn Verhandlungstage im Rahmen der allgemeinen Pauschalvergütung für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach § 16 Abs. 3 RAO abzurechnen. Die gleichzeitige Vorlage eines weiteren Verzeichnisses ("Beilage II") - worin für die ersten zehn Verhandlungstage keine Kosten verzeichnet worden seien - mache deutlich, dass die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung des § 16 Abs. 4 RAO für die Verhandlungen bis zum Erreichen des Schwellenwertes keinen Kostenersatz beantragt habe. Hinzu komme, dass dieser Antrag nur auf die Gewährung eines Kostenvorschusses in Höhe von EUR 3.000,-- gerichtet und dieser Antrag positiv erledigt worden sei. Auch bei der Übermittlung eines weiteren "Kostenverzeichnisses I" am 16. April 2008 für die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen vom 21. November 2007 bis zum 25. Februar 2008 sei kein Kostenersatz beantragt worden. Vielmehr habe sie in ihrem Antrag vom 25. März 2008, worauf sich das Kostenverzeichnis vom 16. April bezogen habe, erklärt, es mögen ihr "die bereits erbrachten Leistungen, die über den zehnten Verhandlungstag hinausgehen, gemäß § 16 RAO abgerechnet werden". Das "Kostenverzeichnis I" sei wiederum nur vorgelegt worden, um die geleisteten ersten zehn Verhandlungstage im Rahmen der allgemeinen Pauschalvergütung nach § 16 Abs. 3 RAO abzurechnen.

Der Verwaltungsgerichtshof habe im erwähnten Erkenntis klargestellt, dass in Strafverfahren mit Verlängerung der Rechtsmittelfrist gemäß § 285 StPO für den Verfahrenshelfer ein besonderer Aufwand entstehe, der im Rahmen der Sonderpauschalvergütung zu berücksichtigen sei. Dem Umstand Rechnung tragend, dass die Rechtsmittelfrist in dem in Rede stehenden Strafverfahren um neun Wochen verlängert worden sei, erachte es die belangte Behörde für angemessen, zu den tarifmäßigen Kosten des Rechtsmittels einen Zuschlag in Höhe eines Multiplikationsfaktors des 15-fachen des tariflichen Ansatzes für die Ausführung der Rechtsmittel abzüglich eines Abschlages von 25 % festzusetzen. Der Beschwerdeführerin seien daher für das Ausführen des Rechtsmittels der Nichtigkeitsbeschwerde ein Aufwand von EUR 730,-- zuzüglich 20 % (gemäß § 9 Abs. 2 AHK), zuzüglich 50 % ES (sohin EUR 1.314,--), abzüglich 25 % Abschlag und wiederum zuzüglich 20 % USt, gesamt daher EUR 1.182,60 zuerkannt worden, was im Gesamten EUR 17.736 ergebe.

Der Beschwerdeführerin stünden daher folgende Leistungen zu:

Vergütung für Verhandlungen ab dem 26. Februar 2008

EUR 20.809,60

Vergütung für Ausführung des Rechtsmittels

EUR 19.710,00

(Zwischensumme)

EUR 40.519,60

abzüglich 25 % Abschlag-

EUR 10.129,90

(Summe)

EUR 30.389,70

zuzüglich 20 % USt

EUR 6.077,94

gesamt

EUR 36.467,64

Aufgrund des erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2010 sei die Abweisung eines Teilbetrages von EUR 16.491,08 durch die erstinstanzliche Behörde rechtswidrig erfolgt; verfahrensgegenständlich sei daher noch ein Mehrbegehren von EUR 28.891,20 gewesen. Aufgrund des mit dem gegenständlichen Bescheid erfolgten Zuspruches von EUR 16.556,40 für die Verfassung des Rechtsmittels sei das Mehrbegehren von EUR 12.334,80 abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zuerkennung einer Vergütung für ihre erwähnte Verfahrenshilfetätigkeit in Höhe von (über den zuerkannten Betrag von EUR 36.467,40 hinausgehenden) weiteren EUR 12.334,80 verletzt und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seinem abweisenden Teil infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 16 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 in der gegenständlich maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 111/2007 (RAO), lautet auszugsweise:

"§ 16. (1) Der Rechtsanwalt kann sein Honorar mit der Partei frei vereinbaren. Er ist jedoch nicht berechtigt, eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder teilweise an sich zu lösen.

(3) Für die Leistungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, dass sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs. 4 besteht.

(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf Antrag des Rechtsanwalts ist bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs. 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten. Der Antrag auf Vergütung ist vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschusszahlungen nach § 47 Abs. 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuss, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten.

…"

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Beschwerdeführerin habe den Antrag auf Sonderpauschalvergütung für die im Jahr 2008 erbrachten Verfahrenshilfeleistungen (im Rahmen der ersten zehn Verhandlungstage) gemäß § 16 Abs. 4 RAO verspätet, nämlich erst in ihrer Vorstellung vom 12. August 2009 gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 21. Juli 2009 gestellt, weshalb ihr insoweit keine Vergütung zustehe.

2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe bereits im Schreiben vom 27. Februar 2008 darauf hingewiesen, dass es sich bei dem von ihr betreuten Strafverfahren um ein "überlanges Verfahren" im Sinne des § 16 Abs. 4 RAO handle und aus diesem Grund einen Kostenvorschuss beantragt. Darüber hinaus habe sie in diesem die Kosten der ersten zehn Verhandlungstage (mit einem Betrag von EUR 33.408,-- brutto) sowie weiters die darüber hinausgehenden Kosten bis einschließlich 24. Februar 2008 (von zusätzlichen EUR 2.426,40) verzeichnet. Die Vorlage des Kostenverzeichnisses habe erkennbar nicht dazu gedient, der Tiroler Rechtsanwaltskammer eine Grundlage für die Pauschalvergütung gemäß § 16 Abs. 3 RAO zu übermitteln; vielmehr habe es sich ein Verzeichnis der Kosten gemäß § 16 Abs. 4 RAO gehandelt. Gemäß "allgemeinen verwaltungsrechtlichen Verfahrensgrundsätzen" müsse ein Antrag nicht explizit als "Antrag" bezeichnet werden, es genüge, dass der Antragsteller erkennbar seinen Willen zum Ausdruck bringe. Dies habe die Beschwerdeführerin mehrmals gemacht. So nämlich auch im Schreiben vom 25. März 2008, in dem "in Ergänzung zum Schreiben vom 27.02.2008" die weiteren, über den zehnten Verhandlungstag hinausgehenden Kosten abgerechnet worden seien. Die bis zum zehnten Verhandlungstag entstandenen Kosten seien bereits in der Beilage zum Schreiben vom 27. Februar 2008 angesprochen und verzeichnet worden.

Zum Zeitpunkt 25. März 2008 seien daher alle bis einschließlich 12. März 2008 erwachsenen Kosten verzeichnet worden: die ersten zehn Verhandlungstage des Jahres 2008 seien in einem eigenen Kostenverzeichnis mit Schreiben vom 27. Februar 2008 vorgelegt, die übrigen Kosten in einem weiteren Kostenverzeichnis vom 27. Februar bzw. 25. März 2008, verzeichnet worden. Diese Verzeichnung (Abrechnung) der Kosten stelle einen (zumindest) schlüssigen Antrag auf Kostenerstattung gemäß § 16 Abs. 4 RAO dar.

Mit Schreiben vom 16. April 2008 habe die Beschwerdeführerin ihren Antrag vom 25. März 2008 wiederholt und korrigierte Kostenverzeichnisse vorgelegt. Das Kostenverzeichnis sei in weiterer Folge mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 13. Jänner 2009 korrigiert worden; wenn dabei die ersten zehn Verhandlungstage nicht noch einmal eigens angesprochen worden seien, so liege das daran, dass diese Kosten bereits zuvor verzeichnet worden seien.

Die belangte Behörde gestehe im Übrigen selbst ein, dass für den Zeitraum zwischen 21. November 2007 und 25. Februar 2008 der Honoraranspruch dargestellt worden sei. Davon sei auch der Verwaltungsgerichtshof in genannten Erkenntnis vom 18. Mai 2010 ausgegangen. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin dem Gesetzeswortlaut entsprechend die über die ersten zehn Verhandlungstage hinausgehenden Leistungen eigens darstellen wollen. Wenn sie daher über jenes frühere Verzeichnis, in welchem diese zehn Verhandlungstage eigens dargestellt und betragsmäßig verzeichnet worden seien, hinaus in den weiteren Kostenverzeichnisses jene Verhandlungstage nicht neuerlich verzeichnet, sondern mit "0,00" dargestellt habe, so stelle dies selbstverständlich keinen Verzicht auf eine Entlohnung der entsprechenden Leistungen im Zuge einer Gesamtvergütung dar, sondern sollte der belangten Behörde die Aufteilung in jene Leistungen bis zum zehnten Verhandlungstag und jene darüber hinausgehenden Leistungen erleichtern.

3. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt:

Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe, also auf das erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an. Die Behörde hat Parteienerklärungen ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13, Rz. 38, sowie die dort referierte hg. Judikatur).

a) Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ist das von der Beschwerdeführerin an die Tiroler Rechtsanwaltskammer gerichtete Schreiben vom 27. Februar 2008 als "Antrag auf Gewährung eines Kostenvorschusses gemäß § 16 Abs. 4 RAO" tituliert. Die Beschwerdeführerin "beantragt" darin explizit "die Gewährung eines Kostenvorschusses in Höhe von EUR 3.000,--".

Unbeschadet des Umstandes, dass dem Schreiben ein Kostenverzeichnis (in dem lt. Beilage "I" die Kosten für die vom 21. Jänner 2008 bis 25. Februar 2008 stattgefundenen Hauptverhandlungen mit insgesamt EUR 33.408, und laut Beilage "II" die Kosten für die Hauptverhandlungen vom 21. November 2007 sowie vom 26. und 27. Februar 2008 mit insgesamt EUR 2.426,40 ausgewiesen wurden), beigeschlossen war, war der Antrag somit lediglich auf die Gewährung des Kostenvorschusses gerichtet (vgl. in diesem Sinn bereits die Ausführungen im erwähnten hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2010, wonach den Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann, dass die Beschwerdeführerin ihren Honoraranspruch bereits am 27. Februar 2008 gestellt habe).

b) Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 25. März 2008 ist ebenfalls mit "Antrag auf Gewährung eines Kostenvorschusses gemäß § 16 Abs. 4 RAO" überschrieben. Darin wird

"(i)n Ergänzung zu meinem Schreiben vom 27.02.2008 (festgehalten), dass am 12.03.2008 die Urteile gegen die Angeklagten verkündet wurden. … Gleichzeitig erlaube ich mir die bis einschließlich 12.03.2008 erwachsenen Kosten laut beiliegendem Kostenverzeichnis bekanntzugeben und bitte Sie die von mir bereits erbrachten Leistungen, die über den 10. Verhandlungstag hinausgehen, gemäß § 16 RAO abzurechnen."

In dem Bezug genommenen Kostenverzeichnis werden Kosten für die ersten zehn Verhandlungstage, nämlich für die Hauptverhandlungen vom 21. Jänner bis einschließlich 25. Februar 2008 mit" 0,00" angegeben; für die vom 26. Februar bis einschließlich 12. März 2008 stattgefundenen Hauptverhandlungen werden Kosten in Höhe von insgesamt EUR 26.220,96 (inkl. USt) verzeichnet.

Demnach hat die Beschwerdeführerin mit diesem Schreiben (neben der Aufrechterhaltung ihres Antrages auf Kostenvorschuss) ausdrücklich nur die Vergütung jener Verfahrenshilfeleistungen begehrt, die über den zehnten Verhandlungstag hinausgehen.

c) Auf dieses Schreiben hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich auch in ihrem "Ansuchen um Bestimmung der Vergütung gem. § 16 Abs. 4 RAO" vom 16. April 2008, "verwiesen" (bzw. laut übereinstimmenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid und den Beschwerdeausführungen: den Antrag vom 25. März 2008 "wiederholt"), weshalb auch dieses Ansuchen - ungeachtet des Umstandes, dass damit korrigierte Kostenverzeichnisse vorgelegt wurden - lediglich auf Abrechnung der über den zehnten Verhandlungstag hinausgehenden Leistungen zu verstehen ist.

d) In ihrem neuerlichen "Ansuchen um Bestimmung der Vergütung gem. § 16 Abs. 4 RAO" vom 2. Juli 2008 hat die Beschwerdeführerin die Tiroler Rechtsanwaltskammer ersucht, "die Abrechnung gemäß § 16 RAO vorzunehmen"; dem Schreiben ist ein Kostenverzeichnis angeschlossen, in dem für die ersten zehn Verhandlungstage (neuerlich) keine Kosten ("0,00") ausgewiesen sind.

e) Ebenso verhält es sich schließlich mit dem an die Tiroler Rechtsanwaltskammer gerichteten Schreiben der Beschwerdeführerin vom 13. Jänner 2009.

Demnach wurde auch in den beiden letztgenannten Ansuchen keine Kostenvergütung für die ersten zehn Verhandlungstage im Jahr 2008 beantragt.

f) Erst in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Vorstellung vom 12. August 2009 werden die entstandenen Kosten für die ersten zehn Verhandlungstage im Jahr 2008 ("wie bereits am 27.02.2007 … bekanntgegeben") aufgeschlüsselt und macht die Beschwerdeführerin einen diesbezüglichen Anspruch in der Gesamthöhe von EUR 38.522,40 geltend.

Daraus ergibt sich zusammengefasst, dass der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden kann, wenn sie angesichts des klaren Formulierungen der unter a) bis e) erwähnten Anträge (bzw. der diesen beigeschlossen Kostenverzeichnisse) davon ausgegangen ist, dass die Eingaben der Beschwerdeführerin (bis einschließlich des Ansuchens vom 13. Jänner 2009) nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht auf die Vergütung der in den ersten zehn Verhandlungen des Jahres 2008 entstandenen Kosten gerichtet waren, sondern ein diesbezüglicher Vergütungsantrag (im Sinne des § 16 Abs. 4 RAO) erst im Zuge der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Vorstellung gestellt wurde.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof habe es im eingangs genannten Erkenntnis vom 18. Mai 2010 als ausreichend erachtet, dass eine Aufschlüsselung zumindest in der Vorstellung erfolge, ist dem zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis über die fristgerecht erfolgte Geltendmachung des Vergütungsanspruchs (im Hinblick auf die aus den ersten zehn Verhandlungstagen entstandenen Kosten) nicht abgesprochen, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Beschwerdeführerin "jedenfalls" - dh. spätestens - in ihrer Vorstellung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eine diesbezügliche Aufschlüsselung vorgenommen hat. Die Frage der rechtzeitigen Beantragung der Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO war - im dargestellten Umfang - erst Gegenstand des nunmehrigen (Folge)Verfahrens.

4. Indem es die Beschwerdeführerin - wie dargestellt - verabsäumt hat, den Vergütungsantrag im Umfang der aus den ersten zehn Verhandlungstagen im Jahr 2008 entstandenen Kosten bis spätestens 31. März 2009 geltend zu machen, hat die belangte Behörde das diesbezügliche Begehren zu Recht infolge Verfristung gemäß § 16 Abs. 4 RAO abgewiesen.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-AufwandersatzVO 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. September 2013

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