VwGH 2010/15/0111

VwGH2010/15/011127.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der T GmbH in S, vertreten durch die K-B-K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 4/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 5. Mai 2010, Zl. RV/0206- S/10, betreffend Körperschaftsteuer 2002, zu Recht erkannt:

Normen

KStG §9 Abs2;
KStG §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin (im Folgenden als Beschwerdeführerin bezeichnet) erklärte in einem an das zuständige Finanzamt gerichteten Schreiben vom 30. Dezember 2002, dass ihr die R GmbH seit dem 1. Jänner 2002 als Organgesellschaft iSd § 9 KStG 1988 wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell untergeordnet sei.

Im Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 7. Juli 2004 anerkannte das Finanzamt das Organschaftsverhältnis nicht. Die organisatorische Eingliederung habe im Jahr 2002 (noch) nicht vorgelegen.

In ihrer gegen den genannten Bescheid gerichteten Berufung trat die Beschwerdeführerin dieser Beurteilung entgegen. Das Finanzamt verneine die organisatorische Eingliederung nur auf Grund der "verspäteten Eintragung der Prokura (Anfang 2003) von Herrn Dr. (P)". Obwohl die Erteilung der Prokura an den Geschäftsführer des Organträgers eindeutiges Indiz für das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung des Organs sei, gebe es noch andere Möglichkeiten, die organisatorische Eingliederung herzustellen. Im Beschwerdefall liege ein am 21. Dezember 2001 zwischen den Geschäftsführern der R GmbH und der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin abgeschlossener "Beherrschungsvertrag" vor. Auch sei die organisatorische Eingliederung in den T Konzern, wie schon im Schreiben vom 25. Juli 2002 dargelegt, "übliche Praxis und durch die Geschäftsordnung sichergestellt".

Im verwiesenen Schreiben vom 25. Juli 2002 wird ausgeführt, dass die organisatorische Eingliederung durch die "insgesamt im (T Konzern) übliche Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sichergestellt" sei. Durch die Geschäftsordnung werde gewährleistet, dass in der Geschäftsführung der R GmbH der Wille der Beschwerdeführerin tatsächlich jederzeit durchgeführt werde. Vom Vorliegen eines "Beherrschungsvertrages vom 21. Dezember 2001" war in dieser Eingabe zur "Beziehung zwischen der (Beschwerdeführerin) und der (R GmbH) im Hinblick auf die Frage einer Organschaft bzw Erfüllung der dafür notwendigen Voraussetzungen" nicht die Rede.

Diese dem Finanzamt per FAX am 20. Oktober 2004 übermittelte "Vereinbarung" hat folgenden Wortlaut:

"abgeschlossen zwischen den Geschäftsführern der (R GmbH, den Herren X und Y) und der Geschäftsführung der (Beschwerdeführerin).

Die Vertragsteile vereinbaren, dass die Geschäftsführer der (R GmbH, Herr X und Herr Y) gegenüber der Geschäftsführung der (Beschwerdeführerin) weisungsgebunden sind.

Dies bedeutet, dass (Herr X und Herr Y) alle auf die Geschäftsführung der (R GmbH) bezüglichen und von der Geschäftsführung der (Beschwerdeführerin) erteilten Weisungen zu befolgen haben.

(Unterschrift Herr X und Herr Y für die R GmbH) (Unterschrift Dr. P für die Beschwerdeführerin) 21.12.2001"

Das Finanzamt erließ eine ändernde Berufungsvorentscheidung vom 13. März 2006, in der den Ergebnissen einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Außenprüfung Rechnung getragen wurde und das Organschaftsverhältnis nach wie vor keine Anerkennung fand.

In ihrem Vorlageantrag stimmte die Beschwerdeführerin den Änderungen des Körperschaftsteuerbescheides im Zusammenhang mit der stattgefundenen abgabenbehördlichen Prüfung zu und erklärte, dass sich ihr Rechtsmittel ausschließlich gegen die Nichtanerkennung des Organschaftsverhältnisses richte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und setzte die Körperschaftsteuer im Sinne der Berufungsvorentscheidung fest. Die Beschwerdeführerin verweise in ihrer Berufung auf das Vorliegen eines Beherrschungsvertrages. Ein solcher sei am 21. Dezember 2001 zwischen den Geschäftsführern der R GmbH und der Beschwerdeführerin abgeschlossen worden. Dazu müsse festgehalten werden, dass ungewöhnliche Maßnahmen und Maßnahmen außerhalb des gesellschaftsvertraglichen Unternehmensgegenstandes in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fielen. Liege eine derartige Maßnahme im Interesse der Gesellschaft, so hätten die Geschäftsführer eine Generalversammlung einzuberufen. Der Abschluss von Gewinnabführungsverträgen und von Beherrschungsverträgen fiele nicht in die alleinige Geschäftsführungszuständigkeit der Geschäftsführer.

Wenn auch die organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger - den Bedürfnissen der Praxis entsprechend - im Allgemeinen durch die (gegenständlich nicht vorliegende) Doppelfunktion des oder wenigstens eines geschäftsleitenden Organs des Organträgers als geschäftsleitendes Organ der Organgesellschaft hergestellt werde, gebe es noch weitere Möglichkeiten zur Herbeiführung der organisatorischen Eingliederung.

Beherrschungsverträge oder Geschäftsordnungen ohne personelle Begleitmaßnahmen vermittelten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsleitung der Organgesellschaft und damit keine organisatorische Eingliederung.

Im Beschwerdefall habe die Beschwerdeführerin die organisatorische Eingliederung lediglich durch die insgesamt im T Konzern übliche Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sichergestellt. Im Streitjahr 2002 habe es weder eine Personalunion hinsichtlich der Geschäftsführung von Organträger und Organgesellschaft gegeben, noch habe ein gültiger Beherrschungsvertrag vorgelegen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin trotz telefonischer Aufforderung keine Protokolle über gemeinsame Organsitzungen oder Schriftstücke, die die regelmäßigen Berichterstattungspflichten dokumentierten, vorgelegt. Das für das Vorliegen einer Organschaft notwendige Merkmal der organisatorischen Eingliederung sei daher im Jahr 2002 nicht gegeben.

Dagegen wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 9 Abs. 2 und 3 KStG 1988 in der hier noch anzuwendenden Letztfassung vor der Einführung der Gruppenbesteuerung (Stammfassung; die Änderung durch BGBl. Nr. 818/1993 betraf nur den ersten Absatz der Bestimmung) mussten Organgesellschaften dem Organträger nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch derart untergeordnet sein, dass sie keinen eigenen Willen hatten (§ 9 Abs. 2 erster Satz KStG 1988).

Die Merkmale der Unterordnung müssen ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft gegeben sein (§ 9 Abs. 2 letzter Satz KStG 1988).

Im Beschwerdefall ist von den einzelnen Eingliederungsmerkmalen nur die organisatorische Eingliederung der R GmbH in die Beschwerdeführerin - das Wirtschaftsjahr deckt sich bei beiden Gesellschaften mit dem Kalenderjahr - strittig.

Die organisatorische Eingliederung ist gegeben, wenn die tatsächliche Durchsetzung des Willens des Organträgers bei der Organgesellschaft durch organisatorische Maßnahmen tatsächlich gewährleistet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 1966, 1884/65, VwSlg. 3522/F). Die organisatorische Eingliederung kann in personellen Maßnahmen zum Ausdruck kommen, wie z.B. einer Personalunion hinsichtlich der Geschäftsführung von Organträger und Organgesellschaft, oder in organisatorischen Maßnahmen, wie Weisungsbefugnis und tatsächliche Weisungserteilung des Organträgers bei Folgepflicht der Geschäftsführer der Organgesellschaft. Entscheidend ist, ob die durch die finanzielle Eingliederung latent mögliche Einheitlichkeit der Willensbildung durch organisatorische Vorkehrungen realisiert wird (vgl. mit weiterführenden Hinweisen Ruppe/Achatz, UStG4, § 2 Tz. 119).

Die Beschwerde weist auf die Vereinbarung vom 21. Dezember 2001 hin, welche es der Organträgerin ermöglicht habe, durch Weisungen direkt und formlos auf die Geschäftsführung der Organgesellschaft Einfluss zu nehmen. Durch den Beherrschungsvertrag sei die Willenlosigkeit der Organgesellschaft im Bereich der Geschäftsführung erwirkt und dadurch erreicht worden, dass die Organträgerin nicht nur auf Gesellschafterebene, sondern im Rahmen der - in der täglichen Praxis bedeutsameren - Geschäftsführungsebene die alleinige und ausschließliche Willensbildungskompetenz inne hatte. Die Beschwerdeführerin habe dadurch die Möglichkeit gehabt, die R GmbH zu leiten und zu kontrollieren. Verstärkt sei die Leitungs- und Kontrollmöglichkeit durch die im T Konzern übliche und geltende Geschäftsordnung für die Geschäftsführung worden.

Entgegen der Annahme der belangten Behörde sei der Beherrschungsvertrag rechtswirksam zustande gekommen und daher gültig. Die belangte Behörde übersehe, dass die Beschwerdeführerin 100% der Gesellschaftsanteile der R GmbH gehalten habe und daher jederzeit Gesellschafterbeschlüsse habe fassen können. Die Beschwerdeführerin sei durch die Geschäftsführung vertreten worden, welcher auch die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte der R GmbH oblegen sei. Die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin sei berechtigt gewesen, die Geschäftsführer der R GmbH durch Fassen eines diesbezüglichen Beschlusses zum Abschluss des Beherrschungsvertrages vom 21. Dezember 2001 zu ermächtigen. Da dieser Beschluss nicht Grundlage für die Erwirkung einer Firmenbucheintragung gewesen sei, hätten auch keine Formerfordernisse beachtet werden müssen und habe der Beschluss auch mündlich oder sogar konkludent gefasst werden können. Auf Grund der Doppelfunktion der Geschäftsführung - einerseits als solche und andererseits als Gesellschafter der R GmbH - müsse jedenfalls davon ausgegangen werden, dass ein entsprechender Gesellschafterbeschluss zumindest konkludent gefasst worden und der Beherrschungsvertrag schon deshalb gültig zustande gekommen sei. Aber auch für den (ohnedies nicht vorliegenden) Fall, dass der Beherrschungsvertrag vorerst nicht gültig zustande gekommen sei, wäre davon auszugehen, dass der Vertrag durch nachträgliche Genehmigung geheilt sei. Zweifelsohne sei der Beherrschungsvertrag der Alleingesellschafterin zur Kenntnis gekommen und habe sie dessen Regelungsinhalt stets akzeptiert. Für das Vorliegen eines absolut nichtigen Rechtsgeschäftes, welches die Ungültigkeit des Beherrschungsvertrages zur Folge hätte, gäbe es keinerlei Hinweise.

Mit diesen Einwendungen zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat die organisatorische Eingliederung im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass die Vereinbarung vom 21. Dezember 2001, weil ohne zu Grunde liegenden Gesellschafterbeschluss zustande gekommen, fehlerhaft und daher unwirksam sei. Die Frage, ob die Vereinbarung vom 21. Dezember 2001 im Sinne der Beschwerdeausführungen tatsächlich als fehlerhafter Beherrschungsvertrag einzustufen wäre, kann ebenso dahinstehen, wie die Frage, welche Rechtsfolgen fehlerhafte Unternehmensverträge nach sich ziehen (vgl. dazu Artmann, Gesellschaftsrechtliche Fragen der Organschaft, 241, mit der Darstellung der verschiedenen Lehrmeinungen, die fehlerhafte Beherrschungsverträge für die Vergangenheit überwiegend als wirksam ansehen, sobald sie - beispielsweise dadurch, dass die herrschende Gesellschaft in die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft eingegriffen hat - vollzogen worden sind und die daher zum Ergebnis kommen, dass Mängel nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden können.)

Für das Steuerrecht ist entscheidend, ob die allenfalls gesellschaftsrechtlich mangelhafte Vereinbarung tatsächlich umgesetzt wurde. § 9 Abs. 2 KStG 1988 in der angeführten Fassung stellt auf das "Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" ab. Schon im eingangs zitierten Erkenntnis vom 3. November 1966 hat der Verwaltungsgerichtshof daher darauf hingewiesen, dass die Eingliederung einer Organtochter in das Mutterunternehmen neben der rechtlichen, eine wichtige tatsächliche Seite hat. Die organisatorische Eingliederung kann daher einerseits weder durch bloß formell ordnungsgemäße Gestaltungen herbeigeführt werden, die in der Praxis nicht umgesetzt werden. Noch stehen ihr andererseits gesellschaftsrechtliche Mängel entgegen, wenn die Vereinbarung tatsächlich Grundlage der Leitungsausübung durch den Organträger war.

In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob und gegebenenfalls auf welche Weise die nach der Aktenlage erstmals im Jahr 2004 ins Treffen geführte Vereinbarung vom 21. Dezember 2001 im Streitjahr tatsächlich zum Tragen gekommen ist. War durch nachprüfbare organisatorische Maßnahmen (insbesondere im Bereich der Gebarung der Organtochter) sichergestellt, dass in der Organgesellschaft der Wille des Organträgers tatsächlich durchgeführt wird und eine abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft nicht stattfindet, kann die organisatorischen Eingliederung entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde auch ohne Vorliegen einer Personalunion im Bereich der Geschäftsführung nicht verneint werden.

Soweit in der Beschwerde ergänzend auf die Anerkennung der organisatorischen Eingliederung ab 2003 verwiesen wird, wiewohl der Umstand, dass ein Geschäftsführer der Organträgerin zum Prokuristen der Organgesellschaft bestellt wurde, zu keiner Verbesserung der Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsleitung der Organtochter geführt habe, ist aus diesem Umstand allein für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Eine allenfalls rechtswidrige Anerkennung der Organschaft in den Folgejahren verschafft der Beschwerdeführerin kein Recht auf Anerkennung der Organschaft im Streitjahr.

Aus den zuvor genannten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Juni 2013

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