VwGH 2012/21/0006

VwGH2012/21/000616.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Ankara vom 19. September 2011, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §72 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §72 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, der wiederholt u.a. Verbrechen nach dem SMG begangen hatte und über den deshalb mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 4. Oktober 2002 eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren und mit weiterem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. März 2004 eine 18monatige Freiheitsstrafe verhängt worden war, wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 20. März 2007 gemäß § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Beschwerdeführer unterlag damals Art. 6 Abs. 1 des ARB. Er hatte mit seiner österreichischen Ehefrau, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hatte, vier (1992, 1995, 2003 und 2004 geborene) Kinder, ebenfalls österreichische Staatsbürger. Die Behandlung einer gegen den genannten Bescheid vom 20. März 2007 gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2007, B 699/07, und mit hg. Beschluss vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0493, abgelehnt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. September 2011 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung nach § 72 FPG ab.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2011, B 1255/11-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 72 Abs. 1 bis 4 FPG idF des FrÄG 2011 lautet:

"Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer

eines Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbots

§ 72. (1) Während der Gültigkeitsdauer des Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes darf der Fremde ohne Bewilligung nicht wieder einreisen.

(2) Die Bewilligung zur Wiedereinreise kann dem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen öffentlichen oder privaten Gründen notwendig ist, die für das Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Visumsversagungsgrund vorliegt. Mit der Bewilligung ist auch die sachlich gebotene Gültigkeitsdauer festzulegen.

(3) Die Bewilligung kann im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit mit Auflagen belegt werden; hiebei ist auf den Zweck des Aufenthalts Bedacht zu nehmen. Auflagen sind insbesondere die Vorschreibung bestimmter Grenzübergangsstellen und Reiserouten, die Beschränkung des Aufenthalts auf den Sprengel einer Bezirksverwaltungsbehörde sowie die Verpflichtung, sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden. Die Erteilung von Auflagen ist im Reisedokument ersichtlich zu machen.

(4) Die Bewilligung wird ungeachtet des Bestehens eines rechtskräftigen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes in Form eines Visums erteilt."

Die Regierungsvorlage zur - inhaltlich im Wesentlichen identen - Bestimmung des § 72 FPG in der Stammfassung des Fremdenrechtspaketes 2005 (952 BlgNR 22. GP 102) führt dazu aus:

"Die Wiedereinreise während der Geltungsdauer eines Aufenthaltsverbotes ist nur zulässig, wenn dem Fremden eine Bewilligung erteilt worden ist. Der Grund dafür kann im öffentlichen Interesse (z.B. Zeugenaussage in einem Strafprozess) oder im privaten Bereich (z.B. lebensgefährliche Erkrankung eines Familienmitgliedes) gelegen sein. Die Wiedereinreise darf, abgesehen von den für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründen, nur dann gestattet werden, wenn ihr kein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 21) entgegensteht.

Die Wiedereinreisebewilligung wird grundsätzlich in Form eines Visums erteilt. Eines eigenen Bescheides bedarf es nur in jenen Fällen, in denen dem Antragsteller darüber hinaus noch Auflagen auferlegt werden sollen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, bei Ermessensentscheidungen zu Gunsten des Fremden zu entscheiden."

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass ihm die Wiedereinreise trotz des Aufenthaltsverbotes infolge Vorliegens wichtiger privater Gründe zu bewilligen gewesen wäre. Diese bestünden darin, dass es für ihn, seine Ehefrau und die Kinder "eine enorme Belastung (sei), den familiären Kontakt nicht in dem Maße aufrecht erhalten zu können, wie es sich für eine Familie mit Kindern, die in einem Alter sind, in dem sie einen Vater noch gut gebrauchen können, gehört." Besuche in der Türkei könnten sich die Ehefrau und die Kinder auf Grund der hohen Kosten der Flüge nicht leisten. Zudem besuche die Familie in Österreich "diverse Institutionen - insbesondere Schulen". Die angefochtene Entscheidung verletze ihn somit auf Grund des "schleichenden Beziehungsabbaus zur engsten Familie" unverhältnismäßig in seinem Recht auf Privat- und Familienleben.

Bei dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer, dass Sinn und Zweck der Wiedereinreisebewilligung nach § 72 FPG ausschließlich darin besteht, das Betreten des Bundesgebietes durch den Fremden während des Aufenthaltsverbotes auf kurze Zeit und für bestimmte konkrete Anlässe (wie sie in der zitierten Regierungsvorlage beispielhaft genannt werden) zu ermöglichen. Solche hat er selbst nach dem Beschwerdevorbringen aber nicht geltend gemacht.

Soweit der Beschwerdeführer grundsätzlich auf das hohe Gewicht seiner privaten Interessen verweist, ist ihm zu entgegnen, dass eine (diese mit berücksichtigende) Interessenabwägung bereits im Verfahren zur Erlassung des - unverändert aufrechten - Aufenthaltsverbotes, das seiner Natur nach regelmäßig eine Trennung von der Familie zur Folge hat, vorgenommen worden war. Eine nochmalige Abwägung im Verfahren zur Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung, deren Versagung nicht so intensiv in den durch Art. 8 EMRK geschützten Bereich eingreift wie die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, kommt somit nicht mehr in Betracht (vgl. zum Ganzen etwa die zum - insoweit inhaltsgleichen -

§ 23 Abs. 2 FrG 1992 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0141, und vom 20. Juni 1997, Zl. 97/19/1015, jeweils mwN).

Den in diesem Zusammenhang relevierten Ermittlungsmängeln sowie Fehlern in der Begründung des angefochtenen Bescheides fehlt nach dem Gesagten jedenfalls die Relevanz für den Ausgang des Verfahrens. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Ein Kostenzuspruch hatte gemäß § 59 Abs. 1 VwGG mangels Antragstellung durch die belangte Behörde zu unterbleiben.

Wien, am 16. November 2012

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