VwGH 2012/18/0096

VwGH2012/18/009612.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, in der Beschwerdesache der G M in W, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1/9b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Mai 2012, Zl. UVS-FRG/4/2928/2012-1, betreffend Abänderung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 68 Abs. 2 AVG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. November 2008 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, weil sie eine Aufenthaltsehe einging, um einen Aufenthaltstitel und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 6. Juli 2009 nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen wurde.

Die Bundespolizeidirektion Wien setzte mit Bescheid vom 9. Februar 2012 die Dauer des genannten Aufenthaltsverbotes gemäß § 53 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 68 Abs. 2 AVG auf fünf Jahre herab. Mit dem hier angefochtenen Bescheid wies der UVS Wien die dagegen erhobene Berufung mit der Begründung fehlender Berufungslegitimation als unzulässig zurück.

Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, den Parteien des Verfahrens stünde grundsätzlich das Recht zu, den neuen gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen abgeänderten Bescheid mit Berufung zu bekämpfen, wobei sowohl verfahrensrechtliche als auch materiellrechtliche Mängel geltend gemacht werden könnten. Unabdingbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieses Rechtes sei jedoch, dass durch die Abänderung des Bescheides ein subjektives Recht des Berufungswerbers verletzt werde. Dies treffe nur dann zu, wenn durch den neuen Bescheid in dessen Rechte eingegriffen und er durch die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides schlechter gestellt werde. Die Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes von zehn auf fünf Jahre verschlechtere die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nicht, sondern verbessere sie, sodass eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden. Zuständig zur Aufhebung sowie zur Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG ist - neben der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde - die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 57).

Den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. November 2008, mit dem gegen die Beschwerdeführerin ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, bestätigte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen wurde. Damit trat der Berufungsbescheid an die Stelle des Bescheides der ersten Instanz. Da die Bundespolizeidirektion Wien somit nicht ihren eigenen Bescheid, sondern jenen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Juli 2009 abänderte, auch wenn sie sich im Spruch auf das von ihr erlassene Aufenthaltsverbot bezog, war sie dazu im Sinn des § 68 Abs. 2 AVG nicht zuständig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1969, Zl. 181/69, mwN).

Dieses Fehlen der Zuständigkeit der Unterbehörde wäre von der belangten Behörde von Amts wegen wahrzunehmen gewesen. Die Nichtbeachtung der Normen, die eine Unterbehörde als unzuständig erscheinen lassen, durch die übergeordnete Instanz, die über das Rechtsmittel jedenfalls (durch Behebung) zu entscheiden hat, stellt eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Berufungsbescheides dar (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 98 ff, mwN aus der hg. Rechtsprechung).

Da die belangte Behörde die amtswegig wahrzunehmende Unzuständigkeit der Unterbehörde nicht beachtete, belastete sie ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 12. Dezember 2012

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