Normen
ABGB §947;
MSG Vlbg 2010 §1 Abs3 lita idF 2012/034;
MSG Vlbg 2010 §8 Abs1;
MSG Vlbg 2010 §8 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ABGB §947;
MSG Vlbg 2010 §1 Abs3 lita idF 2012/034;
MSG Vlbg 2010 §8 Abs1;
MSG Vlbg 2010 §8 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. April 2012 wurden für die Beschwerdeführerin die Unterkunfts- und Verpflegungskosten im J.- Heim ab dem 20. September 2011 aus den Mitteln der Mindestsicherung übernommen.
Außerdem wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, von den eigenen Einkünften a) 80 % der monatlichen Pension, b) das Pflegegeld, soweit es 10 % der Stufe 3 übersteigt, sowie c) 100 % der gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus einer Schenkung vom 5. Oktober 2006, somit monatlich EUR 476,57, "einzusetzen".
In Hinblick auf einen Antrag auf Teilung der Pension/Rente und des Pflegegeldes wurde die Beschwerdeführerin schließlich verpflichtet, bis zur Teilung für den Zeitraum vom 20. September 2011 bis 31. Jänner 2012 EUR 4.384,05 sowie ab 1. Februar 2012 monatlich EUR 1.126,23 an das J.-Heim zu bezahlen.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, mit Vertrag vom 5. Oktober 2006 habe die Beschwerdeführerin eine näher bezeichnete Liegenschaft in L. an ihre Tochter B.R., welche in La. wohne, übergeben. Der Verkehrswert der Liegenschaft betrage EUR 225.000,-- . Als Gegenleistung sei ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht vertraglich vereinbart worden. Der Wert des Wohnungsgebrauchsrechtes betrage EUR 82.029,25. Bei diesem Rechtsgeschäft handle es sich um eine gemischte Schenkung. Nach Abzug der Gegenleistung betrage der Verkehrswert der gemischten Schenkung - und somit der noch vorhandene Geschenkwert - EUR 142.970,75. Die Liegenschaft diene tatsächlich nicht der Deckung des Wohnbedarfes von B.R.
Die Beschwerdeführerin beziehe eine Pension in der Höhe von monatlich EUR 833,99 und eine Rente in der Höhe von monatlich EUR 318,--. Weiters erhalte sie Pflegegeld der Stufe 4 in der Höhe von monatlich EUR 664,30. Somit ergebe sich ein monatliches Gesamteinkommen in der Höhe von EUR 1.816,29.
Die Beschwerdeführerin befinde sich seit dem 20. September 2011 im J.-Heim. Der tägliche Verpflegungskostensatz betrage in dieser Stufe derzeit EUR 133,19, dies ergebe einen monatlichen Betrag von EUR 4.062,30.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe von Bestimmungen des (Vorarlberger) Gesetzes über die Mindestsicherung (MSG) - im Wesentlichen aus, nach dem das Mindestsicherungsrecht beherrschenden Grundsatz der Subsidiarität sei eine Diskrepanz zwischen dem konkret gegebenen Lebensbedarf der hilfesuchenden Person und den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung von Mindestsicherung sowie Grundlage für das Ausmaß der Hilfeleistung.
Der Begriff der "eigenen Mittel" umfasse zum einen ein allfälliges Vermögen der Hilfesuchenden im Sinne bereits vorhandener Werte und zum anderen ihr Einkommen, worunter alle Einkünfte der Hilfesuchenden, gleichgültig, aus welchem Titel sie ihr zuflössen, zu verstehen seien. Das Ausmaß der Mindestsicherung sei im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen. Dabei sei die Hilfsbedürftige auch verpflichtet, vorrangige Ansprüche auszuschöpfen bzw. geltend zu machen. Erst wenn trotz Ausschöpfung bzw. Geltendmachung dieser Ansprüche das Auslangen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht gefunden werden könne, liege eine Hilfsbedürftigkeit vor und erst dann könne eine Unterstützung gewährt werden. Zu solchen vorrangigen Ansprüchen gehörten auch Zinsleistungen gemäß § 947 ABGB.
Die schenkende Person habe somit - bevor sie Mindestsicherungsleistungen in Anspruch nehme - Zinsen gemäß § 947 ABGB von der geschenknehmenden Person zu fordern, wenn sich diese nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befinde. Bemessungsgrundlage für die Höhe eines Anspruches nach § 947 ABGB sei der Wert der im Zeitpunkt des Bedarfes jeweils noch vorhandenen Bereicherung des Beschenkten. Der noch vorhandene Geschenkwert betrage EUR 142.970,75. Die gesetzlichen Zinsen beliefen sich somit auf jährlich EUR 5.718, 83, das seien monatlich EUR 476,57.
Gemäß § 947 ABGB sei der Geschenkgeber befugt, soweit es ihm in der Folge an dem nötigen Unterhalt gebreche, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache oder derselbe Wert noch vorhanden sei und ihm der nötige Unterhalt mangle, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser "nicht selbst in gleich dürftigen Umständen" befinde.
Für den Begriff des "nötigen Unterhaltes" im Sinne des § 947 ABGB sei das Ausmaß der Bedürfnisse maßgebend, die beim Geschenkgeber im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung einer menschenwürdigen Existenz unter einfachen Verhältnissen entstünden. Aufgrund der Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem Heim seien die dadurch entstehenden Kosten für das Ausmaß des nötigen Unterhalts entscheidend.
Da die Beschwerdeführerin die monatlichen Kosten von EUR 4.062,30 im J.-Heim aufgrund ihres Einkommens nicht zur Gänze selber tragen könne, sei es unzweifelhaft, dass es ihr am nötigen Unterhalt gebreche, weil nur so die weitere Existenz gesichert werden könne. Die Beschwerdeführerin sei daher nicht in der Lage, den von ihr benötigten Unterhalt mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln abzudecken.
Die Geschenknehmerin B.R. befinde sich nur dann "in gleich dürftigen Umständen", wenn es ihr nicht möglich sei, den konkret gegebenen Lebensbedarf mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln abzudecken. Der Begriff der "eigenen Mittel" umfasse zum einen ein allfälliges Vermögen im Sinne bereits vorhandener Werte und zum anderen ihr Einkommen. Gemäß § 9 Abs. 4 lit. f Mindestsicherungsverordnung dürfe das Vermögen in Form eines Eigenheimes nur dann nicht berücksichtigt werden, wenn es zur Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfs diene. Da die (geschenkte) Liegenschaft in L. nicht zur Deckung des Wohnbedarfes von B.R. diene, sei sie als deren Vermögen zu werten und bei der Ermittlung der Hilfsbedürftigkeit heranzuziehen.
Von der genauen Ermittlung der Einkommensverhältnisse von B.R. habe Abstand genommen werden können, weil die zur Verfügung stehenden Mittel zur Abdeckung des Lebensbedarfes das Einkommen sowie ein allfälliges Vermögen umfassten. Mit dem noch vorhandenen Wert der Liegenschaft in der Höhe von EUR 142.970,75 lasse sich der Lebensbedarf von B.R. abdecken.
Die Beschwerdeführerin könne somit gemäß § 947 ABGB von B.R. die gesetzlichen Zinsen im Ausmaß von monatlich EUR 476,57 fordern, weil dies nur dann nicht möglich wäre, wenn sich diese selbst in "gleich dürftigen Umständen" befände.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die Rechtsauffassung der belangten Behörde - weil ein Geschenk im Wert von EUR 142.970,75 vorhanden sei, sei nicht zu prüfen, ob sich B.R. im Sinne des § 947 ABGB "nicht selbst in gleich dürftigen Umständen" befinde - sei nicht richtig. Wenn die geschenkte Sache oder deren Wert vorhanden sei, bestehe nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ein Anspruch des Geschenkgebers auf Unterhalt nur dann, wenn sich der Geschenknehmer "nicht selbst in gleich dürftigen Umständen" befinde. Das Vorhandensein der geschenkten Sache oder des Wertes sei folglich "kein Kriterium für die Beurteilung der Dürftigkeit des Geschenknehmers".
Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung vorgebracht, dass B.R. kein Einkommen habe und zum Beweis dafür ihre Vernehmung geboten sei. Zur Beurteilung der Frage, ob sich B.R. nicht selbst "in gleich dürftigen Umständen" befinde, seien Ermittlungen und Feststellungen über deren Einkommensverhältnisse notwendig.
Im Übrigen könne die Bezirkshauptmannschaft nach § 12 MSG durch schriftliche Anzeige bewirken, dass ein Anspruch nach § 947 ABGB bis zur Höhe der Aufwendungen auf das Land übergehe. In diesem Fall hätte das Land Vorarlberg einen Anspruch auf Zinsunterhalt nach § 947 ABGB durch Klage geltend zu machen. Durch den Teil des Spruches des angefochtenen Bescheides, mit dem die Beschwerdeführerin verpflichtet werde, Zinsen gemäß § 947 ABGB "einzusetzen", werde diese entgegen der nach § 12 MSG bestehenden und daher gebotenen rechtlichen Möglichkeit des Forderungsüberganges genötigt, gegen B.R. eine Klage einzubringen.
2. Nach § 1 Abs. 3 lit. a des (Vorarlberger) Gesetzes über die Mindestsicherung - MSG, LGBl. Nr. 64/2010 idF LGBl. Nr. 34/2012, ist unter anderem hilfsbedürftig, "wer den Bedarf für Lebensunterhalt, Wohnung, den Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung oder den Aufwand für die Bestattung nicht oder nicht ausreichend selbst decken kann und dieser auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen gedeckt wird".
Nach § 8 Abs. 1 letzter Satz MSG ist das Ausmaß der Mindestsicherungsleistung im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte, insbesondere der eigenen Arbeitskraft, und Mittel zu bestimmen.
Gemäß § 947 ABGB ist der Geschenkgeber, wenn er in der Folge in solche Dürftigkeit gerät, dass es ihm an dem nötigen Unterhalt gebricht, befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache oder derselben Wert noch vorhanden ist und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders "dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet".
3. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unstrittig sind die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Annahmen hinsichtlich der Pflegekosten und Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin. Davon ausgehend besteht an der "Dürftigkeit" der Beschwerdeführerin als der Geschenkgeberin iSd § 947 ABGB kein Zweifel.
Die belangte Behörde hatte daher im Weiteren zunächst zu prüfen, ob sich B.R. nicht "in gleich dürftigen Umständen" befand, wobei die Pflicht zur Leistung von Schenkungszinsen nach dieser Bestimmung den Zuwendungsempfänger selbst dann trifft, wenn es ihm am nötigen Unterhalt gleichfalls mangelt, er sich jedoch in einer besseren wirtschaftlichen Situation als der Zuwender befindet (Binder in Schwimann, ABGB III4 § 947 Rz 4).
Ausgehend von den ebenfalls unstrittigen, im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu der Schenkung der Liegenschaft, deren Wert und dem Umstand, dass die Liegenschaft nicht zur Deckung des Wohnbedarfs von B.R. dient, ist die Auffassung der belangten Behörde, dass sich B.R. nicht im Sinne des § 947 ABGB "in gleich dürftigen Umständen" wie die Beschwerdeführerin als Geschenkgeberin befindet, nicht zu beanstanden.
4. Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Beschwerdeführerin verpflichtet, die (von der Beschenkten zu leistenden) "Zinsen gemäß § 947 ABGB" in der Höhe von monatlich EUR 476,57 "einzusetzen". Nach dem weiteren Inhalt des Spruches und der oben wiedergegebenen Begründung des Bescheides hat die belangte Behörde somit die Heimkosten der Beschwerdeführerin nur soweit übernommen, als sie deren aus den Schenkungszinsen resultierende monatliche Eigenmittel in Höhe von EUR 476,57 übersteigen.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung können allerdings Forderungen des Hilfsdürftigen gegen Dritte nur dann und nur insoweit zu den - vor Inanspruchnahme der Mindestsicherung einzusetzenden - eigenen Mitteln gezählt werden, als sie verfügbar, das heißt liquide oder doch rasch liquidierbar sind. Die belangte Behörde hat in Verkennung dieser Rechtslage den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Schenkungszinsen gegen B.R. - die nach dem Vorbringen in der Beschwerde, welche außerdem vom Erfordernis einer Klagsführung ausgeht, kein Einkommen hat - ohne weitere Feststellungen über die Liquidierbarkeit als Eigenmittel der Beschwerdeführerin gewertet (vgl. das Erkenntnis vom 20. September 2012, Zl. 2011/10/0144, auf dessen weitere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
5. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 23. Oktober 2012
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