VwGH 2012/09/0113

VwGH2012/09/01136.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des H R in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Winkler, Rechtsanwalt in 2630 Ternitz, Hauptstraße 6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 14. Juni 2012, Zl. 69/17-DOK/10, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem BDG 1979 (weitere Parteien: Bundesministerin für Inneres, Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §93;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
AVG §58 Abs2;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §93;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2011/09/0105, verwiesen, mit dem der der Berufung Folge gebende und eine Geldstrafe verhängende Bescheid der Disziplinaroberkommission vom 15. April 2011 auf Grund einer Beschwerde des Disziplinaranwaltes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war.

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Im zweiten Rechtsgang gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers mit dem Bescheid vom 14. Juni 2012 keine Folge und bestätigte die in erster Instanz verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung.

Die belangte Behörde begründete dies folgendermaßen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Die im vorliegenden Fall inkriminierten, bereits rechtskräftig festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind, was ihren Schweregrad betrifft, auch nach Ansicht des erkennenden Berufungssenates von ganz besonderem Gewicht (Unrechtsgehalt). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es zum Kernbereich des Pflichtenkreises des Beschuldigten als Exekutivbeamten gehört, jeden Verstoß gegen strafgesetzliche Vorschriften zu verhindern bzw. aufzuklären, wozu zweifellos insbesondere auch die von ihm selbst begangenen Straftaten gegen fremdes Vermögen zählen. Er hat sich damit in eklatanter Weise gerade gegen jene Werte vergangen, zu deren Schutz und zur Verfolgung deren Verletzung er kraft seines Amtes eigentlich berufen gewesen wäre.

Der beschuldigte Beamte hat sich unter Ausnützen seiner dienstlichen Vertrauensstellung durch Manipulieren ihm dienstlich zugewiesener sowie auch von ihm aus der Kanzlei des Dienststellenleiters zweimal (Anfang Mai und im Juli 2009) widerrechtlich entwendeter Organmandatsblöcke, die individuell nummeriert sind, jeweils 50 Formulare enthalten und als streng verrechenbare Drucksorten gelten, und in der Folge durch Einbehalt ihm zur Abrechnung anvertrauter Organmandatsgelder während eines Zeitraumes von - hinsichtlich des am längsten begangenen Deliktes (Spruchpunkt 1.) - fünfeinhalb Monaten wiederholt und gezielt einen Vermögensvorteil zu Lasten der Republik Österreich verschafft.

Ein im Polizeidienst verwendeter Beamter, der unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während seines Dienstes, so wie der Beschuldigte, ihm dienstlich anvertraute Gelder zum Nachteil jener, zur deren Gunsten er diese einzutreiben hat, einbehält und der in diesem Zusammenhang auch vor dem Manipulieren von Organmandatsblöcken (in deren Besitz er sich zum Teil unrechtmäßig gebracht hat) zwecks Verschleierung seines rechtswidrigen Vorgehens nicht zurückschreckt, begeht ganz besonders schwerwiegende Straftaten, mit denen er nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit in seine Loyalität seinem Dienstgeber gegenüber und in die Ordnungsgemäßheit seiner Diensterfüllung in ganz gravierender Weise missbraucht bzw. aufs Spiel setzt.

In den Kernbereich der Aufgaben eines Exekutivbeamten fällt jedenfalls auch die Abwehr rechtswidriger Angriffe gegen fremdes Eigentum. Ein Polizeibeamter, der auf Grund seiner Tätigkeit stets mit fremden Vermögenswerten in Berührung kommen kann, setzt durch ein Fehlverhalten der verfahrensgegenständlichen Art einen eklatanten Bruch des für die Ausübung des Exekutivdienstes unabdingbaren Vertrauens, einen Bruch, dem angesichts der objektiven Schwere der Verfehlung seitens der Disziplinarbehörden - schuld- und tatangemessen - mit entsprechender Deutlichkeit, d.h. in ganz unmissverständlicher Art und Weise begegnet werden muss. Der objektive Unrechtsgehalt (die Schwere) derartiger Verfehlungen ist jedenfalls als überaus bedeutend anzusehen.

Unter Bindung an die Feststellungen des Strafgerichtes zur subjektiven Tatseite, war auch im Disziplinarverfahren von vorsätzlichem Vorgehen des Beamten auszugehen. Aus der gerichtlich rechtskräftig festgestellten oftmals und während eines monatelangen Tatzeitraumes planvoll erfolgten Tatausführung durch diesen muss zudem eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Beschuldigten abgeleitet werden; einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen (Exekutivbeamten) könnten Tathandlungen der gegenständlichen Art auch angesichts privater finanzieller Probleme, wie sie den Beschuldigten im Tatzeitraum belasteten, nicht nahe liegen.

Angesichts der besonderen Schwere (wie dargelegt handelt sich um während eines Zeitraumes von mehreren Monaten wiederholte - planvoll begangene - Vorsatzdelikte gegen fremdes Vermögen) der inkriminierten Taten ist vorliegendenfalls die Verhängung einer zu der in Rechtskraft erwachsenen strafgerichtlichen Verurteilung des Beamten deutlichen zusätzlichen Sanktion gemäß § 93 Abs. 1 BDG aus spezialpräventiven, noch viel mehr aber aus generalpräventiven Gründen jedenfalls erforderlich, um einerseits dem Beschuldigten selbst mit ausreichender Klarheit vor Augen zu führen, dass der auch disziplinarrechtliche Unrechtsgehalt der ihm angelasteten Strafdelikte keinesfalls als bloß geringfügig einzustufen ist, und auch anderen Beamten gegenüber den außerordentlichen Unrechtsgehalt dieser inkriminierten Vorgehensweisen unmissverständlich aufzuzeigen.

Im Rahmen der - vom erkennenden Senat ohne Bindung an die diesbezüglichen Erwägungen des Strafgerichtes vorzunehmen gewesenen - Strafbemessung konnten zugunsten des beschuldigten Beamten das von ihm zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen abgelegte reumütige Geständnis, seine Schuldeinsicht sowie seine disziplinarrechtliche und bisher auch strafrechtliche Unbescholtenheit (die inkriminierten Taten stellen Erstdelikte dar) als strafmildernd gewertet werden, somit der Umstand, dass er inner- und außerdienstlich bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, dass er die verfahrensgegenständlichen Beträge zurückgezahlt hat (die Wiedergutmachung des materiellen Schadens) sowie dass er von seinem Vorgesetzten, Obstlt JN, als fleißiger, teilweise mit großem persönlichen Einsatz tätiger Beamter beschrieben wird.

All diesen Milderungsgründen steht die oftmalige Tatwiederholung während eines Zeitraumes von mehreren Monaten als im Rahmen der Strafbemessung erschwerend gegenüber.

Was die Beurteilung der spezialpräventiven Funktion der Disziplinarstrafe im vorliegenden Fall betrifft, wurde vom erkennenden Senat - abgesehen von den genannten Milderungsgründen -

ins Kalkül gezogen, dass der Beamte von Seiten seines Vaters nunmehr - anders als während des Tatzeitraumes - eine finanzielle Überbrückungshilfe bzw. Unterstützung erhält und dass es ihm auch auf diese Weise gelungen ist, seinen Schuldenstand bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz von ursprünglich EUR 3.800 auf EUR 1.500 zu verringern. Im Hinblick auf all die genannten zugunsten des Beamten sprechenden Umstände erkennt die Disziplinaroberkommission den Besserungswillen und die Besserungsfähigkeit des Beschuldigten und damit die diesem zuzubilligende grundsätzlich positive Zukunftsprognose - auch unter Berücksichtigung seiner bisher tadellosen Dienstverrichtung -

sehr wohl.

Zu dem auf dem Boden der hier anzuwendenden Fassung des § 93 Abs. 1 BDG (nach der oben genannten Dienstrechts-Novelle 2008) in gleicher Weise zu berücksichtigenden generalpräventiven Aspekt der zu verhängenden disziplinarrechtlichen Sanktion muss - dem Verwaltungsgerichtshof folgend - jedoch angemerkt werden, dass für den beschuldigten Beamten auch die Bejahung der zu seinen Gunsten sprechenden Umstände (Milderungsgründe) im Hinblick auf den besonderen Schweregrad der verfahrensgegenständlichen, oftmals wiederholten Dienstpflichtverletzungen im Ergebnis grundsätzlich nicht entscheidend ins Gewicht fallen kann.

Der generalpräventiven Komponente der zu verhängenden disziplinären Sanktion kommt - auch angesichts der vom Beschuldigten vorgebrachten persönlichen Schwierigkeiten und seiner drückenden finanziellen Situation bzw. Zwangslage - doch erhebliche Bedeutung zu; für keinen Beamten kann damit nämlich die wiederholte Begehung von Vermögensdelikten im Dienst gerechtfertigt oder (auch nur) entschuldigt werden. Dies muss in diesem Zusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit klargestellt werden. Zudem ist der im angefochtenen Disziplinarerkenntnis enthaltenen Argumentation letztlich zu folgen, dass niemand aus dem Vorgesetzten- und Kollegenkreis, aber auch die Allgemeinheit nicht, verstehen würde, wenn bei einem derart langen Deliktszeitraum eine andere Disziplinarstrafe als jene der Entlassung verhängt würde; nach den Erfahrungen des täglichen Lebens würde dies vielmehr dazu führen, dass daraus ein Freibrief für die Begehung von schweren Dienstpflichtverletzungen abgeleitet würde.

Angesichts der hier unbestritten gegebenen besonderen Schwere der Taten (der oftmalig wiederholten Veruntreuung von Organmandatsgeldern und in diesem Zusammenhang der rechtswidrigen Aneignung zweier Organmandatsblöcke und deren Manipulation zum Zweck der Verschleierung der auch gerichtlich strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen während eines Zeitraumes von fünfeinhalb Monaten, einer Vorgangsweise, die früher oder später entdeckt werden musste), die - vom Strafgericht rechtskräftig festgestellt - vom Beschuldigten schuldhafter (Vorsatz) und rechtswidriger Weise gesetzt wurden, war der erstinstanzlichen Strafbemessung letztlich daher zu folgen und die Strafberufung des Beschuldigten abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis kam den persönlichen (er ist verheiratet und für seine berufsunfähige Ehefrau sowie für seinen die Fachschule in Mödling besuchenden Sohn sorgepflichtig) und wirtschaftlichen (sein Schuldenstand (Kontoüberziehung) betrug zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses EUR 1.500) Verhältnissen des Beamten keine verfahrensentscheidende Bedeutung mehr zu.

Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes folgend war weiters die Prüfung der Möglichkeit einer allfälligen Versetzung (einer anderen Verwendung) des beschuldigten Beamten an eine(r) andere(n) Dienststelle zur Verhinderung einschlägiger Wiederholungstaten durch diesen entbehrlich."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 15. Dezember 2011 ausgeführt hat, hat die Behörde erster Instanz "zutreffend" im gegenständlichen Fall die Schwere der Taten als so hoch bewertet, dass selbst angesichts der zu bejahenden Existenz von Milderungsgründen, wie der disziplinarrechtlichen und der bisher auch strafrechtlichen Unbescholtenheit sowie des Geständnisses des Beschwerdeführers, grundsätzlich nur mehr die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht komme. Die belangte Behörde hat sich mit den eingangs wieder gegebenen Ausführungen dieser Ansicht unter Hinzufügung weiterer Überlegungen zur Strafbemessung angeschlossen. Schon deshalb ist die der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes folgende Begründung der belangten Behörde zur Schwere der Tat nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die abstrakt gehaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers zum Vorbringen, es lägen keine generalpräventiven Gründe vor, die eine Entlassung rechtfertigten, erklären nicht, warum die Begründung der belangten Behörde zur Generalprävention - "dass niemand aus dem Vorgesetzten- und Kollegenkreis, aber auch die Allgemeinheit nicht, verstehen würde, wenn bei einem derart langen Deliktszeitraum eine andere Disziplinarstrafe als die Entlassung verhängt würde; nach den Erfahrungen des täglichen Lebens würde dies vielmehr dazu führen, dass daraus ein Freibrief für die Begehung von schweren Dienstpflichtverletzungen abgeleitet würde" -

im gegenständlichen Fall unrichtig sein solle.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers zur Strafbemessung, das im Wesentlichen auf der Betonung der Wertigkeit von Milderungsgründen (die von der belangten Behörde ohnehin berücksichtigt wurden) und der Hervorhebung des Wohlverhaltens seit der Tat beruht, ist zu den obigen Ausführungen noch hinzuzufügen:

Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 BDG 1979 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, bzw. im Fall des § 115 BDG 1979 nur unter den dort vorgesehenen (eingeschränkten) Voraussetzungen zulässig ist. Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG). Die Behörde ist verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2011, Zl. 2011/09/0042, mwN).

Diesen Anforderungen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in ausreichender Weise nachgekommen.

Die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Gründe, wie etwa das Wohlverhalten des Beschwerdeführers nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens und auch eine günstige Zukunftsprognose können den entstandenen Vertrauensverlust nicht beseitigen.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 6. September 2012

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