VwGH 2011/09/0042

VwGH2011/09/004230.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der CK in I, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 9. April 2010, Zl. 94/13-DOK/09, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesminister für Justiz), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §115;
BDG 1979 §93 idF 2008/I/147;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §93 idF 2008/I/147;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. April 2010 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe

1. als Bezirksanwältin der Staatsanwaltschaft bei Bezirksgerichten

1.1. in der Zeit von August 2007 bis 8. November 2007 in insgesamt 240 Fällen eingelangte Anzeigen nicht registermäßig erfasst und in der Folge unbearbeitet gelassen;

1.2. vom 2. Mai 2007 bis 8. November 2007 in insgesamt 13 Verfahren Einlaufstücke bzw. Gerichtsakten unbearbeitet gelassen;

1.3. am 23. August 2007, 17. September 2007, 24. September 2007, 9. Oktober 2007 und 15. Oktober 2007 ungerechtfertigt die innerhalb des Gleitzeitdienstplans festgelegten Blockzeiten verletzt;

1.4. in der Zeit zwischen 1. Juli 2007 und 31. August 2007 beim Bezirksgericht während der Dienstzeit vom Diensttelefon aus private Telefonate mit einem Mehrwertdienst (Vorwahl 0900 - verschiedene Rufnummern) geführt, die dem Bezirksgericht mit einem Betrag von insgesamt EUR 768,67 in Rechnung gestellt wurden;

2. in I. in Kenntnis ihrer eigenen Zahlungsunfähigkeit am 5. Oktober 2006 EH einen Betrag von EUR 4.000 und am 2. November 2006 T und SW einen Betrag von EUR 2.000 betrügerisch herausgelockt.

Die Beschwerdeführerin habe hierdurch (zu Punkt 1.1, 1.2. und 1.4.) gegen ihre Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 BDG 1979, ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, (zu 1.1., 1.2. und 2.) gegen ihre Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt und (zu 1.3.) gegen ihre Dienstpflicht nach § 48 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979, die innerhalb des Gleitzeitrahmens festgelegten Blockdienstzeiten einzuhalten, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen iSd § 91 BDG 1979 schuldhaft begangen.

Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3, § 93 Abs. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- verhängt.

Zur Begründung des Schuldspruches führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Es ist den Berufungsausführungen (zu Punkt 2.) beizupflichten, dass die zitierte strafgerichtliche Verurteilung der (Beschwerdeführerin) ein außerdienstliches Verhalten betraf. Mit Urteil des Landesgerichtes vom 14.4.2008, …, rechtskräftig seit 18.4.2008, wurde die (Beschwerdeführerin) des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 260 Tagessätzen (im Nichteinbringungsfall 130 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Der Vollzug der Geldstrafe wurde mit dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen. Demnach hat die (Beschwerdeführerin) in I. mit dem Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe ihrer Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit und unter Verschweigen ihrer finanziellen Verhältnisse die nachgenannten Personen zur Gewährung von Darlehen verleitet, und zwar am 5.10.2006 EH im Betrag von EUR 4.000 und am 2.11.2006 T und SW im Betrag von EUR 2.000, wodurch die Genannten im Betrag von insgesamt EUR 6.000 am Vermögen geschädigt wurden.

Die Disziplinarkommission ging zu Recht davon aus, dass die (Beschwerdeführerin) durch den von ihr verwirklichten, dem rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG im Sinne des § 91 leg. cit. schuldhaft begangen hat, kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass dieses Verhalten einer Bezirksanwältin in besonders hohem Maß geeignet ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Angelegenheiten durch sie zu schädigen. In diesem Zusammenhang ist sowohl der besondere als auch der allgemeine Funktionsbezug des strafgerichtlich geahndeten außerdienstlichen Verhaltens der beschuldigten Bezirksanwältin gegeben, weil die - auch außerdienstliche - Begehung des Vergehens des schweren Betruges mit der ordnungsgemäßen Beachtung der Dienstpflichten jedes Beamten und insbesondere auch einer Bezirksanwältin unvereinbar ist, sodass ein disziplinärer Überhang vorliegt.

Soweit in der Berufung ausgeführt wird, dass bei richtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Freispruch im Sinne des § 118 Abs. 4" (gemeint wohl: § 118 Abs. 1 Z 4) "BDG vorzugehen gewesen wäre, ist zu entgegnen, dass die Disziplinarbehörde gemäß § 95 Abs. 2 BDG an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden ist. Die Bindung der Disziplinarbehörden erstreckt sich auch auf die Feststellung des Strafgerichtes zum inneren (subjektiven) Tatbestand; dies gilt auch für die Frage der Schuldfähigkeit bzw. einer allfälligen Minderung der Zurechnungsfähigkeit und des Grades des Verschuldens des beschuldigten Beamten. Das Berufungsvorbringen, das schuldhafte Handeln der (Beschwerdeführerin) wäre unter Beachtung ihrer psychischen Situation als gering einzustufen gewesen und diese Handlung habe sie nicht als Dienstpflichtverletzung wahrnehmen können, geht daher ins Leere. Die Einholung eines psychologischen Gutachtens zu diesem Beweisthema ist somit nicht erforderlich. Die (Beschwerdeführerin) hat vielmehr das Ansehen und den guten Ruf der Staatsanwaltschaft in der Bevölkerung schuldhaft aufs Spiel gesetzt, zumal ihr bewusst gewesen sein musste, dass sämtliche der von ihr letztlich geschädigten Personen Kenntnis von ihrem Beruf als Bezirksanwältin hatten.

Wenn in der Berufung zu Punkt 1.1. vorgebracht wird, es sei offen, welche Hilfe von den Vorgesetzten tatsächlich geleistet wurde bzw. möglich war, übergeht die (Beschwerdeführerin) die diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Disziplinarerkenntnis. Dazu wird - gestützt auf die glaubwürdigen, übereinstimmenden und als nachvollziehbar erachteten Zeugenaussagen und die diesbezüglichen Berichte - festgestellt, dass die Belastungssituation der (Beschwerdeführerin) ab März 2007 mehrfach zu Gesprächen mit dem Leiter der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft, AD M, dem Visitator bei der Staatsanwaltschaft, EStA Hofrat Dr. KR, und dem Leiter der Staatsanwaltschaft, LStA Hofrat Dr. KO geführt hatte. Dabei wurden der (Beschwerdeführerin) diverse Hilfestellungen, so die zeitlich uneingeschränkte Möglichkeit, Anzeigen durch eine Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft eintragen zu lassen oder - auch längerfristig - einen Sitzungsvertreter für die Teilnahme an Hauptverhandlungen zu entsenden, angeboten. Die (Beschwerdeführerin) nahm diese Angebote - einerseits wegen ihres Ehrgeizes, die Arbeiten selbst zu erledigen oder andererseits, weil von ihr eingebrachte Gegenvorschläge (insbesondere in Zusammenhang mit der Leistung/Anrechnung von Überstunden) dezidiert abgelehnt worden waren - jedoch nur sehr eingeschränkt in Anspruch. Die (Beschwerdeführerin) ließ - als Folge der Visitation im Juli 2007 - lediglich etwa 50 bis 60 Anzeigen und sodann im Oktober 2007 noch einmal 'einige' Anzeigen eintragen; außerdem schritt noch vor dem Sommer 2007 an zwei Tagen ein Sitzungsvertreter für die (Beschwerdeführerin) ein. Auf weitere regelmäßige Nachfragen, insbesondere des (seinerzeitigen) Leiters der Staatsanwaltschaft, LStA Hofrat Dr. KO, ob sie Hilfe brauche, reagierte die Disziplinar(beschwerdeführerin) insofern ablehnend, als sie ihm gegenüber zwar einräumte 'im Gedränge' zu sein, aber beteuerte 'alles zu schaffen'.

Zu Punkt 1.2. werden - entgegen den Berufungsausführungen - nicht nur die Aktenzeichen aufgelistet, sondern wird auch festgestellt, dass die (Beschwerdeführerin) in weiteren 13 Verfahren eingelangte Aktenstücke nicht bearbeitete, indem sie eine Weisung des Weisungsstaatsanwaltes nicht umsetzte (…), ein Rechtshilfeersuchen unerledigt ließ (…), weitere Antragstellungen bei Gericht unterließ und einen von der Staatsanwaltschaft übermittelten Strafantrag nicht an das Bezirksgericht weiterleitete (Seite 7 unten und Seite 8 oben).

Im Punkt 1.3. ist den Ausführungen der Disziplinarkommission beizupflichten, wonach der Beamte - der Bestimmung des § 48 Abs. 1 und 3 BDG zufolge - die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten hat, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend ist; dabei hat er während der innerhalb des Gleitzeitrahmens festgelegten Blockzeit jedenfalls Dienst zu versehen. Auch wenn es zutreffen mag, dass die der (Beschwerdeführerin) angelasteten Verletzungen der Blockdienstzeit wiederholt lediglich im Bereich weniger Minuten lagen, gehört das regelmäßige und pünktliche Erscheinen zum Dienst doch zu den elementaren Pflichten eines jeden Beamten. Es liegt somit eine - wenn auch geringfügige - im Sinne des § 91 BDG schuldhafte Dienstpflichtverletzung vor.

Die Disziplinarkommission hat zu Punkt 1.4.

festgestellt, dass die (Beschwerdeführerin) in der Zeit zwischen dem 1.7.2007 und dem 31.8.2007 während der Dienstzeit und in einem Fall an einem Samstag von ihrem Diensttelefon beim Bezirksgericht private Telefonate mit einem Mehrwertdienst (Vorwahl 0900 - verschiedene Rufnummern), führte, wobei sie es billigend in Kauf nahm, dass dem Bezirksgericht in der Folge Gesprächsgebühren in einer die Bagatellgrenze jedenfalls übersteigenden Höhe verrechnet werden. Tatsächlich wurden dem Bezirksgericht hierfür Verbindungsentgelte in Höhe von insgesamt EUR 768,67 in Rechnung gestellt. Die (Beschwerdeführerin) hatte sich aufgrund ihrer damals äußerst angespannten persönlichen und finanziellen Situation sowie ihres angegriffenen psychischen Zustandes an den Anbieter einer 'Lebensberatung' gewandt. Nachdem die Vorsteherin des Bezirksgerichtes, Dr. M, den Präsidenten des Oberlandesgerichtes mit Schreiben vom 5.10.2007 vom gegenständlichen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt hatte, verpflichtete sich die (Beschwerdeführerin) im Rahmen einer am 11.10.2007 mit ihrer Dienstbehörde geschlossenen Vereinbarung zur Schadensgutmachung binnen bestimmter Frist. Der gesamte Betrag von EUR 768,67 wurde von ihr am 29.11.2007 dem Oberlandesgericht refundiert (Seiten 8 und 9 des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses). Weder diesen Feststellungen noch den Berufungsausführungen ist ein Strafaufhebungsgrund zu entnehmen, sodass der in der Berufung aus diesem Grund begehrte Freispruch nicht in Betracht kommt."

Zur Strafbemessung stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz, welche sie als zutreffend erachtete. Die Behörde erster Instanz hatte als schwerstwiegende Dienstpflichtverletzung die der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Vermögensdelinquenz gewertet. Mildernd sei die disziplinäre Unbescholtenheit, das teilweise Tatsachengeständnis und die teilweise Schadensgutmachung, erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Dienstpflichtverletzungen. Es wurden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin berücksichtigt und die Verhängung der Disziplinarstrafe aus spezialpräventiver Sicht als ausreichend, aber auch notwendig erachtet, um der Beschwerdeführerin das Unrecht ihres Verhaltens nachdrücklich vor Augen zu führen und sie in Hinkunft von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die Verschuldensabwägung sei maßgeblich auch davon geprägt, dass sich die Beschwerdeführerin vor allem am Beginn des Jahres 2007 auf Grund mehrerer belastender familiärer Ereignisse in Verbindung mit ihrer finanziell prekären Situation und einer - objektiv - im oberen Bereich gelegenen Arbeitsauslastung, in einem psychisch besonders angespannten Zustand befunden habe.

Die belangte Behörde fügte hinzu, dass diese Strafbemessung auch unter Berücksichtigung der im Bescheid der Behörde erster Instanz dokumentierten persönlichen Situation, der Dauer des Disziplinarverfahrens sowie der in der Zwischenzeit aufgehobenen Suspendierung angemessen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 28. Februar 2011, B 643/10-7, ihre Behandlung ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof für den Fall der Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ausgeführte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§§ 93 und 95 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idF BGBl. I Nr. 147/2008, lauten:

"§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

§ 95 (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.

(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat."

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den von der belangten Behörde angenommenen disziplinären Überhang der unter Punkt 2. angeführten Dienstpflichtverletzung. Ein solcher bestehe "ganz offensichtlich nicht, da die Beschwerdeführerin nach Bekanntwerden des strafrechtlich relevanten Sachverhalts weiter als Bezirksanwältin eingesetzt wurde und diesbezüglich zunächst auch keine Maßnahmen nach § 109 BDG 1979 feststellbar waren. Richtig wäre daher davon auszugehen gewesen, dass aus der Weiterbeschäftigung der Beschwerdeführerin abzuleiten war, dass ihr strafrechtlich geahndetes Verhalten einer funktionierenden Verwaltung bzw. Justiz nicht abträglich war …".

Mit diesem Vorbringen verwechselt die Beschwerdeführerin die Frage nach dem disziplinären Überhang ihrer bereits strafgerichtlich geahndeten Taten mit der für die Bemessung der Strafe relevanten Frage, ob sie für eine weitere Beschäftigung untragbar geworden sei.

Zwar betrafen die strafrechtlich geahndeten Betrugshandlungen der Beschwerdeführerin außerdienstliches Verhalten. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist die belangte Behörde aber nicht davon ausgegangen, dass "jede strafgerichtliche Verurteilung einen disziplinären Überhang und damit einen Verstoß nach § 43 BDG bedeute". Auch die Ausführungen der belangten Behörde zur Bindung der Disziplinarbehörden an das Strafurteil betreffen nicht - wie die Beschwerdeführerin vermeint - den disziplinären Überhang, sondern die Frage einer allfälligen Minderung der Zurechnungsfähigkeit.

Es ist gegenständlich deshalb ein besonderer Funktionsbezug gegeben, weil das durch die strafgerichtliche Verurteilung wegen eines schweren Vermögensdeliktes dokumentierte Verhalten der Beschwerdeführerin gerade jene Normen verletzte, deren Durchsetzung zu ihren dienstlichen Aufgaben gehört, weil eine Bezirksanwältin ihrerseits u.a. mit der Strafverfolgung von bestimmten Taten nach dem StGB befasst ist. Damit geht eine Schädigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben einher, unabhängig davon, ob die Taten tatsächlich bekannt geworden sind. Diese Aspekte der Taten werden durch die strafgerichtliche Verurteilung nicht abgedeckt, weshalb die belangte Behörde zu Recht von einem disziplinären Überhang ausgegangen ist.

Zu Recht wurde diese Dienstpflichtverletzung auch als die schwerste beurteilt, wohingegen die weiteren Dienstpflichtverletzungen gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 nur als erschwerend bei der Strafbemessung herangezogen wurden.

Zu Punkt 1.1. und 1.2. tritt die Beschwerdeführerin dem spruchgemäß angelasteten Sachverhalt nicht entgegen. Sie versucht die darin erfasste Untätigkeit aber dadurch zu relativieren, als sich die belangte Behörde mit "der tatsächlichen Arbeitsbelastung der Beschwerdeführerin im Vergleich mit anderen Bezirksanwälten im Sinne einer objektiven Vergleichbarkeit" nicht auseinandersetze und ein Vergleich von "Aktenzahlen mit Aktenzahlen" nicht zulässig sei, sondern solche "Vergleiche nicht direkt, sondern nur in Relation mit dem tatsächlichen und aktbezogenen Verhandlungs- und sonstigen Aufwand möglich" seien. Als Verfahrensmangel rügt sie in diesem Zusammenhang, die belangte Behörde sei dem Antrag auf "Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Bewertung der disziplinarrechtlich relevanten Überbelastung der Beschwerdeführerin durch den Dienstgeber" nicht nachgekommen.

Die Beschwerdeführerin zeigt mit diesem Vorbringen weder konkret auf, dass ihre Arbeitsbelastung deutlich über der anderer Bezirksanwälte gelegen sei, noch dass die Bearbeitung der ihr zugewiesenen Akten einen besonderen, überdurchschnittlichen Aufwand erfordert hätte. Schon deshalb legt sie die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht dar.

Außerdem wurde von den Disziplinarbehörden für den Fall einer Überlastung, die eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung unmöglich gemacht hätte, dahingehend argumentiert, dass die Beschwerdeführerin diesfalls nicht nur verpflichtet gewesen wäre, ihre Vorgesetzten zwecks Schaffung von Abhilfemaßnahmen umgehend in Kenntnis zu setzen, sondern auch, die ihr in mehrfacher Hinsicht wiederholt angebotenen Unterstützungsmaßnahmen unter Hintanstellung ihrer eigenen Vorstellungen soweit als möglich zu nutzen. Sie habe aber Angebote nur sehr eingeschränkt in Anspruch genommen und regelmäßige Nachfragen, ob sie Hilfe brauche, ablehnend beantwortet.

Dass die Beschwerdeführerin Hilfsangebote nur eingeschränkt angenommen habe, wird von ihr nicht bestritten. Sie versucht dies dahingehend zu relativieren, dass zur "Dimension der tatsächlich angebotenen bzw. abgelehnten Hilfe und deren Folgen" keine Ermittlungen durchgeführt worden seien.

Wird eine von der Dienstbehörde angebotene Hilfestellung bei der Bewältigung der zu erfüllenden Aufgaben abgelehnt oder teilweise abgelehnt, dann erübrigen sich Ermittlungen zur hypothetischen Frage, welche "Dimension" die Hilfe gehabt hätte oder welche Auswirkungen sich daraus ergeben hätten. Was die beantragte, von der belangten Behörde nicht befolgte "Einholung der Reiserechnungen der am BG für die Beschwerdeführerin zur Entlastung eingesetzten RP bzw. RIAA" konkret ergeben hätte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Das Vorbringen, es hätten sich "daraus entscheidungswesentliche, entlastende Umstände ergeben …, die geeignet sind, eine andere Entscheidung herbeizuführen", ist eine abstrakte Behauptung ohne konkretes inhaltliches Substrat. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, diesem "Beweisantrag" zu folgen.

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, sie habe nicht berücksichtigt, dass sich bei den unbearbeiteten Aktenzeichen 169 "UT-Anzeigen", also "wertlose" Anzeigen im Sinne des Zeugen HR Dr. KR befänden, bei denen es als "legitim erachtet wurde", sie dem "System" durch "Nichterfassen zu entziehen und nach dem Sammeln in Schachteln und Erfassen in I. wieder zuzuführen".

Selbst unter Zugrundelegung dieses Vorbringens verbliebe aber noch die Untätigkeit in offenbar von der Beschwerdeführerin selbst als nicht "wertlos" angesehenen Anzeigen in 71 Fällen in Punkt 1.1. und die 13 Verfahren in Punkt 2.2. des Tatvorwurfes, welche den darin enthaltenen Vorwurf der Untätigkeit zu tragen ausreichen.

Zu Punkt 1.3. bringt die Beschwerdeführerin vor, die Zeitüberschreitungen lägen in Größenordnungen von wenigen Minuten und hätten an "Verhandlungstagen" stattgefunden. Warum die Nichteinhaltung von Blockzeiten an "Verhandlungstagen" ein disziplinarrechtliches Verschulden verringern oder ausschließen sollte, wird nicht näher dargelegt und ist auch nicht einsehbar, wäre doch gerade an Verhandlungstagen in der Regel eine Anwesenheit zur unmittelbaren Vorbereitung und Nachbearbeitung solcher Akten am Verhandlungsort sinnvoll und nicht die Verkürzung der Arbeitszeit (und damit Nichterreichbarkeit) von fixen Anwesenheitszeiten. Die Häufigkeit der Nichteinhaltung der Blockzeit an fünf Tagen innerhalb eines Zeitraumes von ca. 7 Wochen rechtfertigt deren - wie die belangte Behörde richtig ausführt, geringfügige - disziplinäre Erheblichkeit ungeachtet des Umstandes, dass es sich um Größenordnungen "weniger Minuten" gehandelt habe.

Zu Punkt 1.4. wendet die Beschwerdeführerin ein, sie habe die Telefonkosten bezahlt und von der Dienstbehörde sei "im Zeitrahmen des § 109 BDG 1979 keine Anzeige erstattet" worden, "sodass unter Beachtung dieses Umstandes davon auszugehen gewesen wäre, dass dieser Sachverhalt von der Dienstbehörde als nicht verfolgenswert eingestuft wurde". Der Beschwerdeführerin ist zu entgegnen, dass sie die Ausführungen der belangten Behörde nicht bestreitet, sie habe sich erst nach Meldung des Sachverhaltes durch die Vorsteherin des Bezirksgerichtes an den Präsidenten des OLG mit Schreiben vom 5. Oktober 2007 im Rahmen einer mit ihrer Dienststelle am 11. Oktober 2007 geschlossenen Vereinbarung zur Schadensgutmachung verpflichtet und die Telefonkosten erst am 29. November 2007, sohin ca. drei Monate nach deren Verursachung, ersetzt. Von einem die disziplinäre Relevanz beseitigenden, aus freien Stücken erfolgten Anbot auf Zahlung der Telefonkosten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit deren Verursachung kann demnach keine Rede sein.

§ 109 BDG 1979 enthält keinen "Zeitrahmen" und von der Dienstbehörde wurde Anzeige erstattet, sodass sich die Mutmaßung der Beschwerdeführerin über die "Einstufung" dieses Sachverhaltes als verfehlt erweist.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Strafbemessung, das im Wesentlichen auf der Relativierung ihres Verschuldens beruht, ist zu den obigen Ausführungen noch hinzuzufügen:

Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 BDG 1979 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, bzw. im Fall des § 115 BDG 1979 nur unter den dort vorgesehenen (eingeschränkten) Voraussetzungen zulässig ist. Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG). Die Behörde ist verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0148, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. 10.077/A).

Diesen Anforderungen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in ausreichender Weise nachgekommen.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2011

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