Normen
AVG §58 Abs2;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §93;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
AVG §58 Abs2;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §93;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, das ist das Absehen von der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 115 BDG 1979, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; zum Zeitpunkt der inkriminierten Dienstpflichtverletzung war sie beim Finanzamt H als Teamexpertin in der Abgabensicherung tätig.
Zur weiteren Vorgeschichte wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2008/09/0364, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der gegen die Mitbeteiligte ergangene Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 9. September 2008 im Umfang des Freispruches zu dem (im Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vom 15. April 2008 erhobenen) Vorwurf, wonach die Mitbeteiligte vorsätzlich ab Oktober 2006 bei näher angeführten, ihrem Ehegatten und ihrem Schwiegervater zurechenbaren Abgabenkonten Bearbeitungen vorgenommen und dadurch ihre Dienstpflichten nach § 47 BDG 1979 verletzt habe, aufgehoben.
Dazu wurde - soweit für den nunmehrigen Beschwerdefall von Bedeutung - Folgendes ausgeführt:
"Zur Wahrung der Objektivität der Verwaltungsführung verpflichtet § 76 BAO, wonach sich die Organe der Abgabenbehörden der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen haben, wenn es u.a. sich um ihre eigenen Abgabenangelegenheiten oder um jene ihrer Angehörigen (§ 25) handelt. Die Einhaltung dieser für einen Teil der Hoheitsverwaltung geltenden Bestimmung ist schon auf Grund des § 43 Abs. 1 BDG 1979 (Erfüllung der dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung) eine Dienstpflicht des Beamten. Soweit die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf § 47 BDG 1979 Bezug nehmen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung eingefügt wurde, um das Ziel der objektiven Verwaltungsführung auch bei der Besorgung von Aufgaben im Rahmen der so genannten Privatwirtschaftsverwaltung sicherzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1999, Zl. 93/09/0315).
Auf Grund des § 43 Abs. 1 BDG 1979 und der klaren Regelung in § 76 Abs. 1 BAO hätte die Mitbeteiligte von sich aus keine Bearbeitung der Abgabekonten vornehmen dürfen. Der Umstand, dass ihr Vorgesetzter ihre Zweifel unter Hinweis auf das Vier Augen Prinzip zerstreut habe, kann ihr schon deshalb nicht zu Gute gehalten werden, weil ein solches eine Kontrolle der jeweiligen Handlungen durch ein zweites Organ der Finanzverwaltung begrifflich voraussetzt. Dafür fehlen aber jegliche Feststellungen; vielmehr lassen die getroffenen Feststellungen (im erstinstanzlichen Bescheid, dem die belangte Behörde offenkundig gefolgt ist, wonach die Mitbeteiligte 'Buchungen selbstständig und ohne Beachtung des Vier Augen Prinzips durchgeführt habe. Was sie selbst erledigen habe können, habe sie selbst erledigt, da auch die Kollegen überfordert gewesen seien ...') darauf schließen, dass sie die Buchungen eigenständig und ohne förmliche Befassung anderer Personen vorgenommen hat. Es ergaben sich auch keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gefahr im Verzug, welche die Vornahme von unaufschiebbaren Amtshandlungen durch das befangene Organ selbst rechtfertigen könnte; es wurde darüber hinaus auch nicht die Unaufschiebbarkeit der gegenständlichen Handlungen behauptet (vgl. § 43 Abs. 1 BDG 1979 und § 76 Abs. 2 BAO).
Im Übrigen ist zu beachten, dass bei dem Schutzgut der Objektivität der Verwaltung keine 'Einwilligung des Verletzten' in Betracht kommt. Daher kann auch ein Vorgesetzter einem nachgeordneten Beamten niemals 'erlauben', trotz Befangenheit eine Amtshandlung vorzunehmen (vgl. auch hierzu das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1999, Zl. 93/09/0315)."
(Darüber hinaus wurde der Amtsbeschwerde der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Freisprüche zu den Vorwürfen weiterer Dienstpflichtverletzungen der Mitbeteiligten keine Folge gegeben.)
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde (zum somit verbleibenden Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Disziplinarbescheides) der Berufung der Mitbeteiligten in der Weise stattgegeben, dass im Ergebnis der Schuldspruch bestätigt und gemäß § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wurde.
In ihrer Bescheidbegründung schloss sich die belangte Behörde der Rechtsauffassung der erstinstanzlichen Disziplinarkommission an, dass die Mitbeteiligte gegen ihre Dienstpflicht gemäß § 47 BDG 1979 verstoßen habe und verwies dazu "auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis. Die Anwendung von § 115 BDG 1979 begründete sie wie folgt:
"Die von der Beschuldigten zu vertretende Dienstpflichtverletzung blieb ohne nachteilige Folgen oder einen Schadenseintritt für den Dienstbetrieb oder den Bund. Dienstliche Interessen sind daher nicht verletzt, wenn von der Verhängung einer Disziplinarstrafe im konkreten Fall abgesehen wird. Ebenso ist kein finanzieller Schaden oder Vorteil für Dritte eingetreten. Was die Frage der Spezialprävention betrifft, kann nach Ansicht des erkennenden Senates der DOK bei der beschuldigten Beamtin schon im Hinblick auf die abschreckende Wirkung der Durchführung eines Disziplinarverfahrens angenommen werden, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, um sie von weiteren (gleichartigen) Verfehlungen abzuhalten; dies auch im Hinblick darauf, dass die Beschuldigte selbst Bedenken gegen ihre Vorgangsweise gehegt hat, die jedoch von ihrem Vorgesetzten zerstreut wurden, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sie diese Dienstpflichtverletzung nie begangen hätte, hätte ihr damaliger Vorgesetzter ihre Bedenken nicht rechtswidriger Weise zerstreut. Hinzu kommt, dass die Steuerakten ihrer Angehörigen nunmehr bei einem anderen Finanzamt geführt werden. Weiters ist auszuführen, dass die Beschuldigte über die von der Erstinstanz zutreffend angeführten Milderungsgründe des Tatsachengeständnisses sowie der disziplinarrechtlichen Unbescholtenheit hinaus ihr Fehlverhalten sofort mit Zurkenntnisbringung dessen beendet und sich seither wohl verhalten hat. Überdies kann der Beschuldigten tatsächlich kein gravierender Tatvorwurf gemacht werden, denn es hat ihr Vorgesetzter dieser rechtswidrigen Vorgangsweise zugestimmt.
Angesichts dieser Milderungsgründe, denen lediglich der Erschwerungsgrund des langen Tatzeitraumes gegenübersteht, sowie der positiven Zukunftsprognose, besteht keine spezialpräventive Notwendigkeit für einen Strafausspruch, weshalb dem Berufungseventualantrag folgend mit einem Schuldspruch unter Absehen von der Strafe gemäß § 115 BDG das Auslangen gefunden werden kann. Abschließend ist kurz auszuführen, dass ein Vorgehen gemäß § 118 Abs. 1 Z 4 BDG aus generalpräventiven Gründen nicht angezeigt war. Nach Auffassung des erkennenden Senates der DOK ist die gewählte Vorgangsweise gemäß § 115 BDG notwendig, aber auch ausreichend, um auch andere Bedienstete von der Effektivität des Disziplinarrechts zu überzeugen und so von (gleichartigen) Dienstpflichtverletzungen fernzuhalten."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die inhaltlich gegen das Absehen von der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 115 BDG 1979 gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 115 BDG 1979 kann im Fall eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, bzw im Fall des § 115 BDG 1979 nur unter den dort vorgesehenen (eingeschränkten) Voraussetzungen zulässig ist. Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl Art 130 Abs 2 B-VG). Die Behörde ist verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2011, Zl. 2011/09/0023).
2. Wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, hat die Mitbeteiligte nach den erstinstanzlichen Feststellungen - auf welche sich die belangte Behörde (neuerlich) beruft - (zusammengefasst) Buchungen selbstständig und ohne Beachtung des Vier Augen Prinzips durchgeführt. Auch die Feststellung zur Rechtfertigung der Mitbeteiligten ("Was sie selbst erledigen habe können, habe sie selbst erledigt, da auch die Kollegen überfordert gewesen seien ...") lässt darauf schließen, dass sie die Buchungen eigenständig und ohne förmliche Befassung anderer Personen vorgenommen hat.
Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2008/09/0364, unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes seine Ansicht dargelegt, dass der Umstand, wonach der Vorgesetzte der Mitbeteiligten deren Zweifel unter Hinweis auf das Vier Augen Prinzip zerstreut habe, dieser schon deshalb nicht zu Gute gehalten werden kann, weil ein solches eine Kontrolle der jeweiligen Handlungen durch ein zweites Organ der Finanzverwaltung begrifflich voraussetzt.
Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren diesbezüglich keine ergänzenden Feststellungen getroffen (wonach etwa die Bearbeitungen an den Abgabekonten durch die Mitbeteiligte einer Genehmigung bzw. Kontrolle unterzogen worden wären); ebensowenig wurden weiteren Ermittlungen durchgeführt bzw. sind auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche die Vornahme von unaufschiebbaren Amtshandlungen durch das befangene Organ selbst rechtfertigen könnte. Allein aus den bloßen Ausführungen zur Anwendung des § 115 BDG 1979, wonach der Mitbeteiligten kein gravierender Tatvorwurf gemacht werden könne, "denn ihr Vorgesetzter habe der rechtswidrigen Handlungsweise zugestimmt", kann keine Änderung des (dem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011 zugrunde liegenden) Sachverhaltes angenommen werden.
Wenn sich die belangte Behörde daher für die Fällung eines Schuldspruches unter Absehen von der Strafe gemäß § 115 BDG 1979 als tragenden Milderungsgrund darauf stützt, dass die Bedenken der Mitbeteiligen zur inkriminierten Vorgangsweise von ihrem Vorgesetzten zerstreut worden wären und daher davon auszugehen sei, dass sie andernfalls diese Dienstpflichtverletzung nie begangen hätte, so entfernt sie sich - trotz unverändertem Sachverhalt - von der dazu überbundenen (gegenteiligen) Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes iSv § 63 Abs. 1 VwGG.
Da die belangte Behörde des Weiteren auch nicht näher dargelegt hat, warum bei der Mitbeteiligten "schon im Hinblick auf die abschreckende Wirkung der Durchführung eines Disziplinarverfahrens" angenommen werden könne, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, um sie von weiteren (gleichartigen) Verfehlungen abzuhalten, und sie damit auch nicht den zuvor aufgezeigten Erfordernissen zur Nachprüfung der Ermessensentscheidung entsprochen hat, kann ihr jedenfalls nicht gefolgt werden, dass unter Anwendung von § 115 BDG 1979 von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden kann.
3. Der angefochtene Bescheid war daher in den aus dem Spruch ersichtlichen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 4. Oktober 2012
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