VwGH 93/09/0315

VwGH93/09/031528.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der M in Wien, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Mai 1993, Zl. LAD-Dis-382, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1 Z1;
AVG §7 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §47;
B-VG Art104 Abs2;
B-VG Art17;
DPL NÖ 1972 §26 Abs1 idF 2200-17;
DPL NÖ 1972 §27;
DPL NÖ 1972 §28a;
VwRallg;
AVG §7 Abs1 Z1;
AVG §7 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §47;
B-VG Art104 Abs2;
B-VG Art17;
DPL NÖ 1972 §26 Abs1 idF 2200-17;
DPL NÖ 1972 §27;
DPL NÖ 1972 §28a;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Inspektionsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Sie ist seit 1976 Leiterin des Fachbereiches "Verwaltung bundeseigener Gebäude und Liegenschaften in NÖ (BGV I)" in der Abteilung I/AV des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung.

Aus dem Akt geht hervor, dass die Beschwerdeführerin mit Mietvertrag vom 19. und 24. März 1975 die Wohnung Nr. 12 im bundeseigenen Gebäude Hauptplatz 17 in B, beginnend mit 1. Mai 1975, gemietet hatte. Die Wohnung bestand aus Zimmer und Küche (WC am Gang) ohne Nebenräumlichkeiten. Seit Betrauung mit der obgenannten Funktion war sie auch für die Verwaltung des Hauses Hauptplatz 17 in B zuständig.

Mit Verfügung des Landeshauptmannes vom 1. Februar 1987 wurde die Beschwerdeführerin ermächtigt, Zahlungen bis S 5.000,-- anzuordnen.

Am 20. Juli 1989 wurde ihr Aufgabengebiet als Leiterin des Sachbereiches Verwaltung bundeseigener Gebäude und Liegenschaften in Niederösterreich durch die "Stellenbeschreibung" näher umschrieben.

Danach hat der Leiter dieser Stelle die im Rahmen der Bundesgebäudeverwaltung durchzuführende Verwaltung von Liegenschaften fachkundig, wirtschaftlich und entsprechend den Weisungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten zu besorgen. Die erforderlichen Kreditmittel sind nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einzusetzen.

Zu seinen Aufgaben gehören :

2.1. In Ausführung des Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der erste Vorwurf (Veranlassung der Fußbodensanierung ohne Zustimmung des Vorgesetzen, obwohl es sich um eine sie selbst betreffende Angelegenheit gehandelt habe) in die Richtung gehe, dass sie eine (angebliche) Befangenheit nicht berücksichtigt habe.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt sie im Wesentlichen vor, die belangte Behörde meine, unter "Ausübung des Amtes" im Sinne des § 28a DPL 1972 fiele auch die (von ihr zu besorgende) Hausverwaltung. Dies sei aber nicht entscheidend; selbst wenn dies zuträfe, liege keine Befangenheit oder jedenfalls kein schuldhafter Verstoß dagegen vor. Der Beamte müsse nämlich in schuldhafter Weise gegen jene Regeln verstoßen, die "als der Natur" seines Tätigkeitsbereiches entsprechend anzusehen seien. Es liege auf der Hand, dass der Maßstab für hoheitliches Handeln einerseits und privatwirtschaftliches Handeln andererseits nicht derselbe sein könne. Nach den Standesregeln für private Gebäudeverwalter sei aber die gleichzeitige Innehabung der Hausverwaltung und die Stellung als Mieter zulässig. Dies sei im Grundsätzlichen auch für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin unbestritten geblieben. Die in dieser Situation einzige konsequente Abgrenzung könne nur in einer Trennung zwischen ordentlicher und außerordentlicher (Haus)Verwaltungstätigkeit liegen. Wenn die gleichzeitige Innehabung von Hausverwaltung und Stellung als Mieter grundsätzlich zulässig sei, müsse der Hausverwalter auch grundsätzlich eigenständig entscheiden können. Die Verwaltung der Mietzinsreserve mit Aufwendungen für Arbeiten der gegenständlichen Art falle zweifellos in diesen Rahmen. Jede andere Abgrenzung bedürfte ausdrücklicher Vorschriften; solche seien nicht behauptet und jedenfalls von Seiten der Behörde auch nicht festgestellt worden. Es fehle daher die rechtliche Grundlage für die Annahme, dass sie rechtswidrig gehandelt habe. Zur Frage der Schuld führte die Beschwerdeführerin aus, dass es dem Beamten, insbesondere wenn er so wie sie kein absolvierter Jurist sei, nicht zugemutet werden könne, "derartiges" von sich aus zu erkennen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin gegen den ersten Schuldvorwurf mehrere Begründungsmängel geltend:

im ganzen Disziplinarverfahren sei nie auch nur angedeutet worden, dass sie wegen Befangenheit nicht auch die von ihr gemietete Wohnung hätte verwalten dürfen oder Vorgesetzte davon nichts gewusst hätten. Es dränge sich die Frage auf, warum sie zwar grundsätzlich für die Verwaltung der Wohnung als nicht befangen betrachtet worden sei, dies aber für die Fußbodensanierung der Fall sein solle. Weder werde behauptet, dass dies aus einem Erlass hervorgehe noch würden Kriterien für eine derartige Unterscheidung genannt werden.

2.2. Dazu ist Folgendes zu sagen:

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der erste Schuldvorwurf (Vorgangsweise der Fußbodensanierung) von der belangten Behörde - wie sich aus der Textierung dieses Vorwurfes in Verbindung mit der Neufassung des Spruches des angefochtenen Bescheides (insbesondere zusätzliche Anführung des § 28a DPL 1972 als verletzte Rechtsvorschrift) und den Ausführungen in der Begründung zum Verhältnis § 26 Abs. 1 zu

§ 28a DPL 1972 zweifelsfrei ergibt - den Vorwurf enthält, in einer bestimmten Angelegenheit trotz Befangenheit gehandelt zu haben, ohne hiezu die Zustimmung des Vorgesetzten eingeholt zu haben.

§ 28a DPL 1972 ist dem § 47 BDG 1979 nachgebildet und stimmt mit diesem wörtlich überein, sodass Rechtsprechung und Literatur zur bundesrechtlichen Norm auch für die Auslegung der landesrechtlichen Bestimmung herangezogen werden kann.

Zur Wahrung der Objektivität der Verwaltungsführung verpflichten verschiedene Rechtsvorschriften. So regelt zB § 7 AVG die Vorgangsweise für den Fall der "Befangenheit eines Verwaltungsorganes" für einen Teilbereich der Verwaltung, nämlich der Besorgung behördlicher Aufgaben (vgl. Art. II Abs. 1 EGVG), die regelmäßig und typisch mit Bescheid erledigt werden. Die Einhaltung dieser für einen Teil der Hoheitsverwaltung geltenden Bestimmung ist schon auf Grund des § 43 Abs. 1 BDG 1979 (Erfüllung der dienstlichen Aufgaben "unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung"), dem für den Landesbereich § 26 DPL 1972 entspricht, eine Dienstpflicht des Beamten. Die Bestimmung des § 47 BDG 1979 wurde daher primär deshalb eingeführt, um dieses Ziel der objektiven Verwaltungsführung auch bei der Besorgung von Aufgaben im Rahmen der so genannten "Privatwirtschaftsverwaltung"( dh bei einer Tätigkeit einer Gebietskörperschaft als Träger von Privatrechten im Sinne des Art. 17 B-VG) sicherzustellen (vgl. dazu die EB zur RV zum BDG 1979 - Stammfassung, 11 Blg StenProt NR

15. GP zu dieser Bestimmung, 87 f). Dies gilt auch für die nachgebildete Bestimmung des § 28a DPL 1972.

Wie Kucsko/Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten,

2. Auflage, 199 ff, zutreffend dargelegt hat, verweist die Definition der Befangenheit in § 47 BDG 1979 (ebenso wie § 28a DPL 1972) zunächst auf den - nicht näher definierten - Begriff der "Unbefangenheit"; eine solche liegt nach dem Sprachgebrauch dann vor, wenn ein Beamter in der Lage ist, eine objektive (sachliche), unparteiische Entscheidung zu treffen. Für die Dienstpflichtverletzung nach § 47 BDG 1979 genügen bereits "Zweifel" an dieser Objektivität; selbst wenn deren Mangel nicht nachgewiesen werden kann, liegt unter Umständen schon "Befangenheit" vor. Die Zweifel müssen allerdings durch "wichtige Gründe" hervorgerufen sein.

Zwar führt § 47 BDG 1979 (hier: § 28a DPL 1972) nicht näher aus, was unter "wichtige Gründe" zu verstehen ist, doch ist es schon im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck der Bestimmung nicht zweifelhaft, dass § 7 AVG, an dessen Standard sich die dienstrechtliche Norm offenkundig orientiert, zur Auslegung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffes heranzuziehen ist. Mit Recht weist Kucsko/Stadlmayer, aaO, 200, darauf hin, dass der Gesetzgeber in § 47 BDG 1979 den Inhalt des § 7 AVG nicht ändern, sondern lediglich für einen bisher nicht erfassten Bereich übernehmen wollte. Dies bedeutet, dass die in § 7 Abs. 1 Z. 1 - 3 AVG aufgezählten "absoluten" Befangenheitsgründe, die nach der Regelungstechnik dieser Bestimmung gegenüber den "sonstigen" wichtigen Gründen (Generalklausel nach § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG) besonders hervorgehobene wichtige Gründe sind, die auch im Anwendungsbereich des § 47 BDG 1979 (hier: § 28a DPL 1972) beachtlich sind. Danach liegt aber in einer Angelegenheit (Sache) Befangenheit - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist - ua dann vor, wenn der Beamte an ihr beteiligt ist (§ 7 Abs. 1 Z. 1 AVG).

Im Beschwerdefall gehört die Verwaltung bundeseigener Gebäude zu den dienstlichen Aufgaben der Beschwerdeführerin. Da diese Aufgaben mit den Mitteln des Privatrechtes besorgt werden, fallen sie unter Art. 17 B-VG (so genannte "Privatwirtschaftsverwaltung"). Dass die Beschwerdeführerin dabei im Rahmen der so genannten "Auftragsverwaltung" nach Art. 104 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 678/1989 in der Fassung BGBl. Nr. 483/1990 (spätere Novellierungen kommen wegen des Tatzeitpunktes nicht in Betracht) Aufgaben des Bundes besorgt, ist für die Geltung der DPL 1972 ohne Bedeutung, die am Bestand eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Land, nicht aber daran anknüpft, in welchem Aufgabenbereich der Landesbeamte tätig wird.

Die Besorgung dieser (mit den Mitteln des Privatrechts zu besorgenden) Aufgaben stellt auch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine "Ausübung des Amtes" im Sinne des § 28a DPL 1972 dar. Bei einem anderen Verständnis wäre nämlich die Bestimmung des § 28a DPL 1972 überflüssig, da - wie oben gezeigt - die Einhaltung der für einen Teilbereich der Hoheitsverwaltung geltenden Bestimmung des § 7 AVG dienstrechtlich durch eine andere Bestimmung sanktioniert ist und im Zweifel dem Gesetzgeber nicht die Erlassung einer überflüssigen Bestimmung unterstellt werden kann.

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin in Ausübung ihres Amtes als Hausverwalterin eines im Bundeseigentums stehenden Gebäudes Handlungen für ein darin befindliches Bestandsobjekt gesetzt, dessen Mieterin sie war. Diese Fallkonstellation ist dem § 7 Abs. 1 Z. 1 AVG vergleichbar und vor dem Hintergrund der Rechtslage daher ein wichtiger Grund im Sinne des § 28a DPL 1972. Die objektive Verwaltungsführung ist nämlich schon dann gefährdet, wenn der sein Amt ausübende Beamte in Verbindung mit der Rechtsstellung zu dem Objekt, auf das sich seine privatrechtliche Handlung bezieht, einer Interessenkollision ausgesetzt ist.

§ 28a DPL 1972, der - wie oben gezeigt - den "Befangenheitsstandard", der für einen Teil der Hoheitsverwaltung nach § 7 AVG gilt, für die "Privatwirtschaftsverwaltung" übernommen hat, lässt die von der Beschwerdeführerin behauptete Unterscheidung in den Anforderungen an die Befangenheit je nach dem, in welchem Bereich der Beamte tätig wird, nicht zu. Angesichts des Inhaltes dieser Bestimmung ist es auch rechtlich unerheblich, ob die Standesregeln privater Hausverwalter die Vereinbarkeit von Hausverwaltung und gleichzeitiger Mieterstellung in einem verwalteten Objekt als zulässig ansehen. Dem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber ist es nicht verwehrt, im Dienstrecht für Beamte, die selbst Aufgaben nach Art. 17 B-VG wahrzunehmen haben, die der Art nach auch von Privaten besorgt werden, über die gesetzliche Normierung von Dienstpflichten einen strengeren Maßstab anzulegen als dies für die Tätigkeit der Privaten durch Standesrecht usw. der Fall ist, zumal es in der Privatwirtschaftsverwaltung im "Innenverhältnis" eine Reihe von Regeln gibt (vgl. zB das fünfte Hauptstück, insbesondere Art. 126 b Abs. 5 B-VG), die für die Tätigkeit der Privaten kein Pendant haben, und zumal die von einer Gebietskörperschaft selbst (dh ohne Ausgliederung und Übertragung an eigene Rechtsträger) wahrgenommene Privatwirtschaftsverwaltung fast ausschließlich aus Steuermitteln finanziert wird. Rechtlich unerheblich ist es im Beschwerdefall auch, ob die strittige Fußbodensanierung als Teil der ordentlichen oder außerordentlichen Hausverwaltung anzusehen ist, weil die erste der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung an Hand des § 28a DPL 1972 zu messen ist und diese Bestimmung - jedenfalls bei der hier gegebenen Konstellation - keinen Raum für eine solche Unterscheidung lässt.

Obwohl die belangte Behörde insoweit von einer zutreffenden Rechtsansicht ausgegangen ist, hat sie ihren Bescheid in diesem Punkt dennoch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Sie hat nämlich der Beschwerdeführerin im ersten Schuldspruch trotz des Vorwurfes der Befangenheit letztlich zur Last gelegt, nicht die Zustimmung ihres Vorgesetzten zu der strittigen Verwalterhandlung eingeholt zu haben. Eine derartige Pflicht sieht aber § 28a DPL 1972 nicht vor: der Beamte hat sich vielmehr der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen. Durch wen die Vertretung erfolgen soll, regelt diese Bestimmung nicht (ebenso wenig § 47 BDG 1979 oder § 7 AVG, sodass auch deren analoge Heranziehung nicht in Betracht kommt). Dabei ist davon auszugehen, dass für diese vertretungsweise Amtshandlung zunächst jeder Organwalter dieser Organisationseinheit in Betracht kommt, zu dessen dienstlichem Aufgabenbereich die Vornahme solcher Tätigkeiten ihrer Art nach gehören. Ist dies auf Grund der Geschäftseinteilung für diese Organisationseinheit nicht klar oder steht im konkreten Fall kein Organwalter dieser Organisationseinheit zur Verfügung, wird der befangene Beamte seine Pflicht, die Vertretung zu veranlassen, nur durch Meldung an den Vorgesetzten erfüllen können, weil die Lösung dieses Falles typischerweise in die Leitungskompetenz des Vorgesetzten fällt. Eine derartige Meldepflicht des Beamten ist in diesem Fall aus der Unterstützungspflicht gegenüber dem Vorgesetzten abzuleiten, die sich aus § 26 Abs. 1 in Verbindung mit dem Dienstgehorsam nach § 27 LDP 1972 ergibt. Zu beachten ist, dass bei dem Schutzgut der Objektivität der Verwaltung keine "Einwilligung des Verletzten" in Betracht kommt. Daher kann auch ein Vorgesetzter einem nachgeordneten Beamten niemals "erlauben", etwa trotz Befangenheit eine Amtshandlung vorzunehmen (vgl. dazu Kucsko/Stadlmayer, Die Haftung des Beamten aus disziplinarrechtlicher Sicht, ZfV 1986, 147 ff).

Dass ein Fall der Gefahr im Verzug vorgelegen ist, in dem auch der befangene Beamte eine Art "Notstandskompetenz" hat, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet und ist nach den Umständen des Falles auch nicht erkennbar.

Stellt aber die der Beschwerdeführerin ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 28a DPL 1972 zur Last gelegte erste Tat keine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 114h Abs. 1 lit. b leg. cit. dar, war die Bestätigung des ersten Schuldspruches rechtswidrig. Da die belangte Behörde durch ihre Ausführungen in der Begründung das Schwergewicht eindeutig auf die durch § 28a DPL 1972 präzisierte Pflicht zur Unparteilichkeit gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. gelegt hat, scheidet die Unterstellung dieses Verhaltens unter einen anderen Tatbestand nach dem ersten Satz dieser Bestimmung aus, zumal dafür weitere Sachverhaltsermittlungen (Bestehen von dienstzweigespezifischen Regelungen) fehlen.

3.1. Zum zweiten Schuldvorwurf (Beauftragung der die Fußbodensanierung durchführenden Firma B, 5 Teilrechnungen zu je S 5.000,-- vorzulegen, um diese Rechnungen selbst anweisen zu können) macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass es auch hier im Dunklen bleibe, gegen welche konkreten Bestimmungen sie verstoßen habe. Es stehe fest, dass es keine generelle Norm, Gesetz oder Verordnung gebe, gegen welche die Detailrechnungslegung verstoßen habe. Allenfalls in diese Richtung gehende erlassmäßige Bestimmungen hätten mit ihrem genauen Inhalt festgestellt werden müssen, ehe sie zum Gegenstand der rechtlichen Beurteilung hätten gemacht werden dürfen. Darüberhinaus gehe es bei Erlässen nicht nur um die Existenz, sondern auch um die Frage der Kenntnis des Beamten. Darauf sei weder die belangte Behörde noch die Behörde erster Instanz eingegangen. Zusätzlich sei für die subjektive Tatseite die Praxis der "Stückelung" zu berücksichtigen gewesen.

3.2. Dazu ist Folgendes zu sagen:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides im Zusammenhang mit dem Spruch ist davon auszugehen, dass auch dieses Verhalten der Beschwerdeführerin der den Unparteilichkeitstatbestand des § 26 Abs. 1 LDP 1972 präzisierenden Bestimmung des § 28a leg. cit. unterstellt wurde. In dieser Vorgangsweise kann der Verwaltungsgerichtshof aber keine Verletzung der Befangenheitsvorschrift erkennen. Der Hinweis auf die im Spruch genannte Anweisungsbeschränkung für die Beschwerdeführerin, die die Beschwerdeführerin nach Auffassung der belangten Behörde unterlaufen hat, deutet auf eine Verletzung einer Weisung (Dienstgehorsam nach § 27 DPL 1972) hin, die der Beschwerdeführerin allerdings - anders als noch im Einleitungsbeschluss - in den im Disziplinarverfahren ergangenen Disziplinarerkenntnissen nicht zur Last gelegt wurde. Obwohl sie bereits in ihrer Berufung auf diesen Umstand hingewiesen hat, hat sich die belangte Behörde (trotz Neufassung des Spruches) nicht veranlasst gesehen, diesbezüglich ihren Spruch zu ergänzen.

Darüber hinaus war im Berufungsverfahren nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage - dies gilt auch grundsätzlich für die neue Rechtslage nach § 114m Abs. 13 und 14 in Verbindung mit § 114o Abs. 1 leg. cit. - von der belangten Behörde zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. dazu die zur Rechtslage nach dem BDG 1977 bzw. BDG 1979 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 287/1988, die mit § 114m DPL 1972 in der Fassung vor der Novelle LGBl. 2200 - 47 in diesem Punkt völlig übereinstimmt, ergangene Rechtsprechung z.B. VwSlg. 12.917 A/1989 und die dort genannte Vorjudikatur). Damit hat sie gegen den in § 114o Abs. 1 DPL 1972 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung normierten Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen. Die Rechtserheblichkeit der Unterlassung der gebotenen Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde ergibt sich schon daraus, dass der Sachverhalt insoweit ergänzungsbedürftig geblieben ist, als die Beschwerdeführerin zwar im Verfahren vor der Behörde 1. Instanz eingeräumt hat, die Firma Bauer um die Ausstellung von Teilrechnungen ersucht zu haben, jedoch nicht zugegeben hat, dass sie deren Ausstellung in einem Betrag von "unter S 5.000,--" verlangt habe, um sie selbst anweisen zu können, was ihr aber nach dem vorliegenden Tatvorwurf zur Last gelegt wurde. Trotz Bekämpfung der diesbezüglichen Beweiswürdigung der ersten Instanz hat die belangte Behörde keine dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß von ihr zu treffenden Sachverhaltsergänzungen zB durch Einvernahme einer Person der Firma Bauer vorgenommen. Ungklärt ist auch geblieben, wie viele Teilrechnungen und mit welcher Begründung die Beschwerdeführerin deren Ausstellung verlangt hat. Nach den vorgelegten Verwaltungsakten wurde offenbar für jedes Zimmer der von der Beschwerdeführerin gemieteten Wohnung bzw. für bestimmte Teilleistungen (Montage von Leisten) gesonderte Rechnungen (überwiegend vom selben Tag) von der Firma Bauer ausgestellt. In diesem Zusammenhang könnte es auch von Bedeutung sein, wie sich die Beschwerdeführerin bei vergleichbaren Sanierungsvorhaben anderer Mieter in diesem Haus verhalten hat.

Nach den obigen Ausführungen ist auch der 2. Vorwurf - und zwar wegen der im Allgemeinen gegebenen Prävalenz des Aufhebungsgrundes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

4.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich gegen den dritten Schuldspruch, es trotz Zurückweisung einer Rechnung durch ihren unmittelbaren Vorgesetzten unterlassen zu haben, eine Klärung herbeizuführen. Hiezu führt sie im Wesentlichen aus, diese Anschuldigung sei von vornherein rechtlich unhaltbar. Sie laufe darauf hinaus, dass die Beschwerdeführerin "zu einer Untersuchung in eigener Sache oder zu einer Art von Selbstanzeige" verpflichtet gewesen wäre. Sie sei überzeugt gewesen, korrekt gehandelt zu haben, und so hätte auch der betreffende Vermerk des Vorgesetzten sie nicht zu einer Klärung verpflichtet. Auch zu diesem Schuldspruch fehle die Begründung gänzlich.

Dazu ist Folgendes zu bemerken:

4.2. Auch dieses vorgeworfene Verhalten wurde wie die beiden anderen Vorwürfe von der belangten Behörde dem in Präzierung des Unparteilichkeitsgebotes nach § 26 Abs. 1 ergangenen § 28a DPL 1972 unterstellt. Darin kann der Verwaltungsgerichtshof aber keine Verletzung der Dienstpflicht nach § 28a DPL 1972 erkennen. Es war daher auf das obige Vorbringen nicht weiter einzugehen.

5. Aus den vorgenannten Gründen war der Schuldspruch zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Dadurch verliert auch der Ausspruch über die Strafe (vgl. §§ 95 und 97 DPL 1972) und die Kosten (§ 114g DPL 1972) seine Grundlage. Daher waren der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juli 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte