VwGH 2012/07/0028

VwGH2012/07/002822.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Bezirkshauptmannschaft G, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17- 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. Dezember 2011, Zl. VwSen- 420707/7/Wim/Pe, betreffend Maßnahmenbeschwerde (mitbeteiligte Partei: G Wohnungsgenossenschaft, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung, L), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §67b Z2;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §30 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §67b Z2;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §30 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

Die mitbeteiligte Partei errichtet in der Gemeinde G bei G auf den Grst. Nrn. 1242/3 und 1242/14 KG T die Wohnanlage "T II". Neben einer rechtskräftigen Baubewilligung wurde der mitbeteiligten Partei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G (im Folgenden: BH) vom 27. Jänner 2011 eine wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 38 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) für Bauten im Hochwasserabflussbereich erteilt. Einer gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid erhobenen Berufung von Nachbarn wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (im Folgenden: LH) vom 30. Mai 2011 keine Folge gegeben. Mit Beschluss vom 8. September 2011, Zl. AW 2011/07/0044- 6, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag von Nachbarn, ihrer gegen den Bescheid vom 30. Mai 2011 erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattgegeben.

Mit am 4. November 2011 eingelangtem Schriftsatz vom selben Tag erklärte die mitbeteiligte Partei gegenüber der BH den ausdrücklichen Verzicht auf den ihr eingeräumten wasserrechtlichen Konsens laut dem Bescheid der BH vom 27. Jänner 2011 in der Fassung des Bescheides des LH vom 30. Mai 2011.

In einem Schreiben vom 7. November 2011 an die mitbeteiligte Partei führte die BH unter anderem aus, dass alle Baumaßnahmen zur Errichtung der Wohnanlage "T II" umgehend einzustellen seien. Mit weiterem Schreiben vom 9. November 2011 forderte die BH die mitbeteiligte Partei auf, sämtliche Bauarbeiten auf den Grst. Nrn. 1241/3 und 1242/14 KG T sofort einzustellen.

Im Zuge einer am 14. November 2011 auf der betreffenden Baustelle in Anwesenheit des Bezirkshauptmannes aufgenommenen Niederschrift wies der Verhandlungsleiter den Baupolier des mit der Bauausführung beauftragten Bauunternehmens an, die Bauarbeiten sogleich einzustellen, andernfalls die Polizeiinspektion G beauftragt werde, einzuschreiten und die Bauarbeiter von der Baustelle in die Bauhütte zu verweisen, gegebenenfalls unter Anwendung körperlichen Einsatzes. Das Einschreiten - so der Verhandlungsleiter - sei im behördlichen Auftrag vom 7. und 9. November 2011 begründet und diene im Grunde des § 30 Abs. 2 und 3 VwGG einer Umsetzung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 2011. Es handle sich um eine faktische Amtshandlung, daher seien keine Vollstreckungsverfügung und gesonderte Ersatzmaßnahme im Sinne der §§ 4 oder 5 VVG zu verfügen.

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 5. Dezember 2011 gab die belangte Behörde einer dagegen von der mitbeteiligte Partei erhobenen Beschwerde Folge und erklärte die fortdauernde Schließung der Baustelle auf den Grst. Nrn. 1242/3 und 1242/14 KG T für die Wohnanlage "T II" am 14. November 2011 um ca. 8.45 Uhr für rechtswidrig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Unstrittig ist, dass das am 14. November 2011 erfolgte Einschreiten der beschwerdeführenden BH einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt.

Ihre Beschwerdelegitimation stützt die Beschwerdeführerin zunächst auf die ihr in § 67b Z 2 AVG im Verfahren vor der belangten Behörde eingeräumte Parteistellung. Die sich daraus ergebenden prozessualen Rechte stellten subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG geltend machen könne.

Zudem - so die Beschwerdeführerin - begründe auch die Bestimmung des § 30 Abs. 3 VwGG ein eigenständiges subjektives öffentliches Recht der Behörde, die sie zur Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG legitimiere.

2.1. Gemäß § 67b Z 2 AVG ist Partei des Verfahrens vor den unabhängigen Verwaltungssenaten über eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auch die belangte Behörde.

Die Begründung einer Parteistellung durch Gesetz vermittelt aber nicht ohne weiteres die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof. Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG kommt es darauf an, ob die Partei, im vorliegenden Fall die Organpartei, durch den Bescheid in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in Fällen, in denen einer Organpartei keine eigene, gegen den Staat gerichtete Interessensphäre zukam, zur Vertretung bestimmter, dem Staat zuzurechnender Interessen Beschwerdelegitimation zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse eingeräumt. Die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG unter dem Gesichtspunkt der Relevanz vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen kann. Mit der Einräumung der Parteistellung im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat soll der betroffenen Behörde die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen der aus der Parteistellung erfließenden Verfahrensrechte die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung zu verteidigen bzw. auf die objektive Rechtmäßigkeit der Entscheidung hinzuwirken. Zur Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates über die Frage der Rechtmäßigkeit der faktischen Amtshandlung ist ausschließlich der von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betroffenen Person der Rechtszug eingeräumt (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 15. Mai 2008, Zl. 2008/09/0063, mwN).

Im Wege des § 67b Z 2 AVG waren der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde die im AVG angeführten prozessualen Rechte einer Partei (u.a. Recht auf Bescheiderlassung, auf Akteneinsicht, auf Berufungserhebung, auf Parteiengehör) eingeräumt. Subjektive öffentliche Rechte des materiellen Rechtes könnten demgegenüber der Beschwerdeführerin nur auf Grund einer Regelung des Materiengesetzgebers zustehen. Eine solche Regelung besteht im Beschwerdefall aber nicht.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in den ihr - jeweils "im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Bescheidbeschwerde aufgrund § 30 Abs. 3 letzter Satz VwGG" - zustehenden Rechten verletzt,

a) durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die Ausübung der sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebenden Berechtigungen durch den Berechtigten zu verhindern,

b) dass eine zur Aufschiebung des Vollzugs des angefochtenen Bescheides erforderliche und von ihr getroffene Verfügung nicht für rechtswidrig erklärt werde, und

c) dass eine von ihr angeordnete Maßnahme, die zur Verhinderung der Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid erteilten Berechtigung durch den Berechtigten erforderlich sei, nicht für rechtswidrig erklärt werde.

Damit macht die Beschwerdeführerin aber keine Verletzung der ihr als Partei im Verfahren vor der belangten Behörde eingeräumten prozessualen Rechte, sondern eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend. Die Überprüfung der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde ist dem Verwaltungsgerichtshof jedoch zufolge der eingeschränkten Beschwerdelegitimation verwehrt.

2.2. Gemäß § 30 Abs. 3 zweiter Satz VwGG hat die Behörde im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben.

Entgegen der von ihr vertretenen Ansicht vermittelt § 30 Abs. 3 VwGG der Beschwerdeführerin kein zur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof legitimierendes "eigenständiges subjektives öffentliches Recht".

2.3. Nach dem Vorgesagten war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht einzugehen, wonach die Bestimmung des § 30 Abs. 3 letzter Satz VwGG als Grundlage für eine konkrete Maßnahme nicht ausreiche.

3. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nicht-öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 22. März 2012

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