VwGH 2011/23/0652

VwGH2011/23/065231.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. August 2008, Zl. E1/69.407/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 20. März 2003 mit einem bis zum 10. April 2003 gültigen "Touristenvisum" in das Bundesgebiet ein und lebte laut seinen Angaben in der Folge im Wesentlichen bei seiner Schwester in Österreich.

Am 24. Mai 2006 reiste der Beschwerdeführer nach Serbien aus und anschließend mit einem bis zum 23. Juli 2006 gültigen Visum wiederum nach Österreich ein. Seit dem 22. Juni 2006 ist er handelsrechtlicher Geschäftsführer der in Wien ansässigen D Bodenmontage GmbH, an der er auch die Mehrheit der Gesellschaftsanteile hält. Am 17. Juli 2006 stellte er nach neuerlicher Ausreise im Wege der Österreichischen Botschaft Belgrad einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Selbständiger. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 2007 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 1. August 2008 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer mehrfach im Anschluss an ihm erteilte Reisevisa unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben sei und sich nunmehr bereits seit über zwei Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG seien somit - vorbehaltlich des § 66 FPG - erfüllt.

In Ansehung des § 66 FPG stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer verwitwet sei und keine Sorgepflichten habe. In Österreich würden laut seinen Angaben sein Schwager sowie einige Onkel und Cousins leben, zu denen ein enger Kontakt bestehe; seine Schwester, die ebenfalls in Österreich gelebt habe, sei im Dezember 2006 verstorben. Der Beschwerdeführer sei als Mehrheitsgesellschafter an einer GmbH beteiligt. In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde allerdings darauf, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Erwerbs der Gesellschaftsanteile nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen sei und somit nicht darauf habe vertrauen können, im Bundesgebiet der Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser GmbH nachzugehen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, weshalb er dieses Unternehmen nicht auch von Ausland aus führen oder überwachen bzw. seine Gesellschaftsanteile "von dort aus nützen" könne. Auch wenn daher mit der Ausweisung ein Eingriff in sein "Privat-, Familien- bzw. Berufsleben" verbunden sei, sei dieser Eingriff - angesichts seines nicht bloß kurzfristigen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet - zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten.

Mangels besonderer zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im August 2008 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass er gegen die Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch den Bundesminister für Inneres Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, ist ihm zu erwidern, dass selbst ein - wie im vorliegenden Fall nach der rückwirkenden Aufhebung dieses Bescheides mit Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0880 - bei der Fremdenbehörde anhängiges Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die behördliche Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung nicht einschränkt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2009/18/0492, und das Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0253, jeweils mwN). Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Interessenabwägung der belangten Behörde nach § 66 FPG. Diesbezüglich verweist er zum einen auf seine familiären Bindungen zu seinem Schwager sowie einigen Onkeln und Cousins, die alle österreichische Staatsbürger seien und zu denen er engen Kontakt habe. Zum anderen verweist er darauf, dass er handelsrechtlicher Geschäftsführer der D Bodenmontage GmbH sei, die mehrheitlich in seinem Besitz stehe, 56 Mitarbeiter habe und somit einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen bringe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat nämlich den mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine in Österreich lebenden Verwandten sowie seine Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer bei ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG berücksichtigt und - davon ausgehend - einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein "Privat-, Familien- bzw. Berufsleben" angenommen. Angesichts dessen geht der Einwand des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe seine familiären Bindungen übergangen, die - ungeachtet dessen, dass seine Schwester bereits verstorben sei - zu seinem Schwager bestünden, jedenfalls ins Leere. Es ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde dem Kontakt zu den - nicht der Kernfamilie angehörenden - Verwandten im Ergebnis kein maßgebliches Gewicht beigemessen hat.

Im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der D GmbH durfte die belangte Behörde vor allem berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine beruflichen Bindungen zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, zu dem er nicht mit einem dauerhaften Verbleib in Österreich rechnen durfte, zumal er über keinen Aufenthaltstitel verfügte. Die Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer bewirkt somit keine entscheidende Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Daran vermag auch das - erstmals in der Beschwerde erstattete - Vorbringen, der Beschwerdeführer sei "für das Wohlergehen und den Weiterbestand der Firma unbedingt von Nöten", weil er für sämtliche Aufträge zu sorgen habe bzw. die Koordination und Abwicklung erledige, nichts zu ändern, zumal auch damit nicht substantiiert dargelegt wird, dass eine Geschäftsführung bzw. Überwachung (der Geschäftsführung durch Dritte) und eine Ausübung der Gesellschafterrechte vom Ausland aus unmöglich wäre.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich noch rügt, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen sei und die belangte Behörde sowohl seine familiären als auch seine beruflichen Bindungen nur unzureichend festgestellt habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass er nicht ausreichend konkret darstellt, welche weiteren, von der belangten Behörde nicht ohnehin schon berücksichtigten Umstände zu ermitteln gewesen wären. Der Beschwerdeführer zeigt damit die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde zu Recht gegenüber, dass der Beschwerdeführer "mehrfach" (zweimal) nach Ablauf der Gültigkeit seines Visums unrechtmäßig - dies jeweils über mehrere Jahre - in Österreich verblieben ist und somit das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt, erheblich beeinträchtigt hat.

Angesichts dieser Umstände ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie im Ergebnis die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht als schwerwiegender angesehen hat als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise und die Ausweisung somit als zulässig erachtet hat.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Mai 2012

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